2024-05-02T16:12:49.858Z

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Ohne Aufstiegspläne in A-Liga gelandet

FUSSBALL Espanol Gießen und VfR Lich II überraschen / Espanol: In entscheidender Phase voll da / Lich: Enge Anbindung an erste Mannschaft kluger Schachzug

GIESSEN - (tig). „Ich bin noch nicht in der Lage, das zu realisieren“, ist Fernando Alvedro, Trainer von Espanol Gießen, auch einige Tage nach dem Aufstieg seiner Mannschaft in die Kreisliga A Gießen noch überrascht von dem Coup. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir am Ende Erster der Relegation werden. Wir hatten gute Gegner und knappe Ergebnisse. Ich muss allen Spielern und Verantwortlichen ein großes Kompliment machen. Besser geht es nicht.“ Der letzte Satz trifft aber nicht nur auf die Relegationsspiele, sondern auf den gesamten Saisonverlauf zu.

Wohin die Reise am Ende gehen könnte, merkten Mannschaft und Trainer aber schon früh. „Das 2:2 gegen Türkiyemspor Gießen am zweiten Spieltag war ein Highlight. Gegen den Topfavoriten haben wir gut ausgesehen. Das hat allen einen Schub gegeben“, merkt Alvedro an. Gleiches galt für das 0:0 im Rückspiel. Damit war Espanol die einzige Mannschaft in der Kreisliga B3, die dem Meister gleich zweimal Punkte abnehmen konnte. Doch die Runde verlief keineswegs reibungslos. „In den letzten Jahren hatten wir immer nach der Winterpause einen Einbruch, der einen Aufstieg verhinderte“, erinnert sich Alvedro und ergänzt: „Der kam dieses Mal schon vor der Pause.“ Den ersten Tiefpunkt gab es Anfang November beim 2:4 gegen den ASV Gießen II, anschließend sank die Motivation im Training stark und erreichte mit dem Ausscheiden im Stadtpokal Ende des Jahres ihren Tiefpunkt. In dieser Zeit verließ auch noch der bis dato beste Espanol-Torschütze Serdar Özkan das Team Richtung ASV Gießen.

„Da kamen mir schon erste Zweifel, ob wir in der Rückrunde unser Niveau halten können“, so Alvedro. Aber die Mannschaft absolvierte eine gute Vorbereitung und ließ sich in der Rückrunde auf dem Platz nichts mehr von den Problemen anmerken. Erst als der Relegationsplatz feststand, weil der ärgste Verfolger TSV Allendorf/Lahn II nicht aufsteigen konnte, ließ die Motivation erneut nach. „Wir hatten die Relegation zu früh sicher“, sagt Alvedro. Die letzten Spiele wurden nur noch im Schongang bestritten, die Trainingsbeteiligung blieb zwar hoch, aber bei Spielen fehlte mitunter der nötige Biss. Mit der deutlichen und verdienten 1:4-Niederlage gegen Blau-Weiß Gießen Anfang Mai schlug sich die mangelnde Konzentration auch im Ergebnis nieder. Die Spieler schienen sich ihrer Sache zu sicher zu sein und wollten schon vor Relegationsstart Aufstiegs-T-Shirts herstellen lassen.

Trainer Alvedro musste somit auf die Bremse treten – und sein Team meldete sich stark zurück. „Wenn wir etwas machen, dann richtig. Wir haben den Schalter rechtzeitig umgelegt. Wenn es drauf ankam, waren alle Spieler präsent und zu 100 Prozent konzentriert.“ Allen voran Kapitän Taner Demirkazan, der auf eigenes Risiko in der Relegation mit zwei gebrochenen Rippen auflief. Demirkazan ist auch der einzige Spieler, den Alvedro aus dem Kollektiv hervorheben möchte. „Das gesamte Team hat über die Runde von der Abwehr bis zum Angriff eine bombastische Leistung gezeigt. Die Ausfälle wichtiger Stammkräfte wie Marco Babic oder Veljko Glamocak haben sie bestens kompensiert. Jeder, der von der Bank kam, hat alles gegeben.“ In der abgelaufenen Saison schoss Espanol 102 Tore, die sich auf viele verschiedene Akteure verteilten: Kein Spieler verbuchte nämlich mehr als 13 Treffer. Der kommenden Spielzeit blickt Alvedro nun gelassen entgegen. „Wir gehen ohne Druck in diese ‚Bonusrunde‘, wollen die Euphorie mitnehmen und unser bestes geben, um nicht abzusteigen.“

VfR Lich II

Auch der VfR Lich II, zweiter Aufsteiger der Relegationsrunde, hatte vor der Saison „keine Aufstiegspläne“, wie Georg Emmerich, sportlicher Koordinator des VfR anmerkt. „Es war schnell abzusehen, dass wir mit Ligaprimus TSF Heuchelheim II nicht mithalten können. Allerdings war spätestens seit Beginn der Rückrunde klar, dass wir die Relegation nicht mehr aus den Augen verlieren wollen.“ Denn nur um die „goldene Ananas“ mitspielen wollte der Verein auch nicht. „Langfristig sollen in die zweite Mannschaft unsere talentierten A-Jugendlichen integriert werden. Und dabei helfen der größere Wettbewerb und die höhere Leistungsdichte in der A-Liga“, beschreibt Emmerich die Perspektive des Teams. Der Aufstieg kam daher genau zum richtigen Zeitpunkt. „Es ist schön, dass es jetzt schon geklappt hat, und wir freuen uns alle auf die A-Klasse“, sagt Emmerich.

Dass der VfR eine derart bravouröse Runde spielte, ist auch auf eine kluge Strategie zurückzuführen. „Die zweite Mannschaft ist kein Stiefkind, sondern hat die gleiche Priorität wie die Erste. Beide Mannschaften trainieren gemeinsam“, erzählt Emmerich. „Marko Semlitsch hat als Trainer der ersten Mannschaft für beide Teams dasselbe Trainingsprogramm ausgearbeitet und dasselbe System vorgegeben.“ Außerdem sei so ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden. „Die Spieler kennen sich untereinander gut, die Harmonie in der Mannschaft stimmt und die Spieler der Zweiten unterstützten vom Seitenrand die Erste bei ihren Begegnungen“, so Emmerich. Sehr engagiert an der Seitenlinie präsentierte sich Trainer Markus Sajonz. „Er hat die Mannschaft jeden Sonntag akribisch auf den nächsten Gegner eingestellt“, lobt Emmerich. Auch die Mischung im Team passte in der abgelaufenen Saison. „Die erfahrenen Spieler wie Kapitän Daniel Schwenk, Lutz Merget und unsere beiden Top-Stürmer Andreas Heinl und Konstantin Rogolowski führen die jüngeren Spieler und werden von diesen voll akzeptiert.“

Es war somit eine optimale Mischung aus verschiedenen Faktoren, die das ehrgeizige Team von Erfolg zu Erfolg eilen ließ. Nur gegen Heuchelheim II (1:2 und 2:4), sowie Klein-Linden II (2:4 und 0:5) gab es nichts zu holen. In der kommenden Runde will der VfR Lich II den eingeschlagenen Weg weiter gehen und sich mit einigen neuen Spielern aus der eigenen Jugend in der A-Liga etablieren. Gleichwohl tritt Emmerich ein wenig auf die Euphoriebremse. „Das gesicherte Mittelfeld ist das höchste der Träume.“

Aufrufe: 013.6.2014, 10:00 Uhr
Tim GeorgAutor