2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
F: von A.R. (weitere Bilder auf www.fc-alsbach.de)
F: von A.R. (weitere Bilder auf www.fc-alsbach.de)

"Der VfB war ein schlummernder Riese"

Für den Sportlichen Leiter Marcus Spahn ist der Hessenliga-Aufstieg das Produkt unterschiedlicher Erfolgsfaktoren

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Marcus Spahn hat gut daran getan, an das letzte Mai-Wochenende zwei Tage Urlaub dranzuhängen. So bestand optimale Gelegenheit, den bislang größten Erfolg in der 101-jährigen Vereinsgeschichte des VfB Ginsheim ausgiebig zu feiern, für den er seit 17 Jahren in unterschiedlichen Funktionen tätig ist. Auch zwei Tage nach dem 3:1-Meisterstück beim FC Alsbach lässt die Stimme des 50-Jährigen erahnen, dass auch die Feierlichkeiten nach dem ersten Aufstieg in die Hessenliga einiges an Stehvermögen gekostet haben.

FuPa: Herr Spahn, wie geht es Ihnen, nachdem der VfB Ginsheim vor rund 40 Stunden in der Hessenliga angekommen ist?

Marcus Spahn: Es ist noch immer schwer, das alles zu begreifen und wirklich ein Wunder, dass wir das mit dem Etat geschafft haben. Ich denke, die Jungs wissen noch gar nicht, was sie erreicht haben. Und meine Stimme hat in der Tat gelitten, und ich bin immer noch im Taumel der Gefühle, zumal heute das Altrheinfest endet, wir morgen beim Aufräumen dabei sind und ein Sponsor 80 Liter Freibier spendiert hat. Aber gleichzeitig geht die Arbeit weiter. Es ist kaum zu glauben, was an Leuten alles reingekommen ist. Alleine acht Spieler sind uns angeboten worden.

FuPa: Wie sind die Stunden nach dem 3:1-Sieg weiter verlaufen und wohin soll die Abschlussfahrt gehen?

Spahn: In Alsbach sind wir so gegen 20 Uhr ungeduscht aufgebrochen. Der Bus war rappelvoll und hat bei unseren Gesängen so gewackelt, dass nur etwa 60 gefahren werden konnte. In Ginsheim haben wir im Vereinsheim geduscht und sind dann direkt zum Altrheinfest. Und als es da gegen 2.30 Uhr nichts mehr gab, ging es zurück ins Vereinsheim und bis zum nächsten Mittag weiter. Danach sind einige zu unterschiedlichen Spielen gefahren, etwa nach Walldorf oder Bauschheim. Was die Abschlussfahrt angeht, konnten wir wegen der möglichen Relegation ja nichts buchen und haben auch aufgrund des Hessentags, wofür doch viele Karten haben, deshalb beschlossen, das auf die Zeit vor Weihnachten zu verschieben.

FuPa: Der VfB hat Anfang der neunziger Jahre noch in der untersten Liga auf Kreisebene gegen Mannschaften wie SV Main-Haie Rüsselsheim gekickt. Hätten Sie beim Verbandsliga-Aufstieg vor drei Jahren ernsthaft geglaubt, dass es noch weiter nach oben gehen könnte?

Spahn: Ich bin jetzt seit 17 Jahren im Verein und weiß, welche besondere Arbeit Vorstand, Trainer und Spieler gemeinsam leisten können. Irgendwie war der VfB schon so etwas wie ein schlummernder Riese, der eine sehr gute Jugendarbeit leistet. Und es ist uns hervorragend gelungen, Spieler aus der Kreisliga zu Stammkräften in der Verbandsliga zu formen. Über die Jahre ist so Zuversicht und Vertrauen gewachsen, woraus sich sehr viel entwickeln lässt. Und wir haben eben längst nicht immer die Teuersten zu uns geholt. Auch jetzt sind alle Neuen unter 21 Jahre alt. Die Verbandsliga war trotzdem schon ein Hammer für uns, aber das heißt deshalb nicht, dass man dann keine Hoffnung mehr hätte.

FuPa: Worauf führen Sie den Erfolg des VfB zurück?

Spahn: Klare Hierarchien und unglaublich viel Arbeit. Was Trainer und Spieler gerade in dieser Saison alles reingehängt haben, davor ziehe ich echt meinen Hut. Aber auch alle aus dem Vorstand haben enorm viel Zeit investiert. Nicht selten haben wir stunden- und nächtelang telefoniert. Und wenn im Verein so sauber und wertschätzend gearbeitet wird, dann kann das über den Zusammenhalt eine unglaubliche Kraft entwickeln. Ich kann mit bestem Wissen und Gewissen sagen, dass das wirklich alle mittragen.

FuPa: In Ginsheim wird immer wieder betont, dass Geld keine große Rolle spielt. Trotzdem dürfte klar sein, dass gerade erfolgreiche Teams Begehrlichkeiten bei Vereinen wecken, deren Erfolgsweg eher monetärer Art ist. Wie will der VfB diesem Mechanismus entgegenwirken und was kann man selbst als Faustpfand in die Waagschale werfen?

Spahn: Natürlich wissen wir, dass es bei uns Spieler gibt, die Angebote anderer Klubs erhalten. Deshalb ist es schön, dass wir eine gewachsene Truppe haben, deren Innenleben absolut stimmt und was einfach sehr zusammenschweißt. Man muss eben Typen suchen, die nicht nur aufs Geld schauen und genau diese Haltung mittragen. Dafür sind manchmal 15 bis 20 Gespräche notwendig. Zwei potenzielle Zugänge, die am Samstag mit in Alsbach waren, wollten hinterher auch ein Meister-T-Shirt überziehen. Ich habe denen gesagt, dass das einer endgültigen Zusage gleichkommt. Beide haben sich angeschaut und zum Shirt gegriffen. Obwohl so etwas für uns spricht, wäre es natürlich sehr schön, wenn sich noch mehr Leute auch finanziell bei uns einbringen würden.

FuPa: In der Hessenliga tun sich Aufsteiger traditionell schwer, Fuß zu fassen, andere Klubs steigen aus finanziellen Gründen aus. Ist es realistisch, dass der VfB sich langfristig in der Hessenliga etablieren kann?

Spahn: Wir gehen in dem Bewusstsein hoch, dass wir wieder runtergehen, aber wertvolle Erfahrungen sammeln können. Wir werden auf jeden Fall alles reinwerfen, und wenn ich unsere gesamten Leute so betrachte, bin ich überzeugt, dass wir eine gute Rolle spielen können. Unsere Minimalchance wollen wir jedenfalls unbedingt nutzen und streben schon an, uns in der Hessenliga festzusetzen.

FuPa: In Rüsselsheim ist weiterhin die Kreisoberliga das Ende der Fahnenstange, und auch Rot-Weiß Walldorf steckt trotz namhafter Zugänge in der Gruppenliga fest. Was läuft da schief?

Spahn: In Rüsselsheim gönnen sich in meinen Augen die Vereine untereinander nichts und leben ihre Egoismen weiterhin aus. Deshalb gelingt es nicht, die vorhandenen Kräfte zu bündeln. In Walldorf, wo jetzt noch einmal aufgerüstet wird, kann ich keinen richtigen Teamgeist erkennen.

FuPa: Gibt es einen künftigen Hessenliga-Gegner, auf den Sie sich bereits jetzt freuen?

Spahn: Aus Griesheim sind schon am Samstag Glückwünsche eingegangen. Deshalb wäre es eine schöne Sache, wenn es uns gelänge, den Doppelspieltag zu Beginn der Saison mit der Viktoria zu bekommen. Im Fuldaer Stadion zu spielen oder in Dreieich werden Highlights sein, aber wir werden jede einzelne Begegnung genießen. Und bei Rot-Weiß Frankfurt habe ich früher selbst oft gespielt.

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Marcus Spahn, am 25. März 1967 in Frankfurt geboren und aufgewachsen, begann bei den dortigen Sportfreunden mit dem Fußballspielen. Über die SG Dornheim, wo er von 1996 bis 2000 Spielertrainer war, kam der Vater dreier Töchter vor 17 Jahren zum VfB Ginsheim, war zunächst längere Zeit Trainer und ist seit sechs Jahren Sportlicher Leiter. Beruflich arbeitet Spahn als Vertriebsleiter für einen führenden Hersteller von hochwertigen Produkten der Automobilindustrie.

Aufrufe: 030.5.2017, 09:43 Uhr
Martin Krieger (Main-Spitze)Autor