2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview der Woche

"Aktuell habe ich ein echtes Luxusproblem"

Nachspielzeit mit Hakan Tutkun +++ Der Coach des Türkischen SV über die Achterbahnfahrt gegen Maroc und das emotionale Duell gegen Biebrich

Wiesbaden. In unserer Interview-Rubrik "Nachspielzeit" befragen wir wöchentlich in lockerem Rahmen interessante Spieler, Trainer oder Persönlichkeiten der Region über ihren Verein und ihre persönlichen Ziele. Heute zu Gast: Hakan Tutkun. Der 41-Jährige ist mit dem Türkischen SV optimal in die Saison gestartet. In unserem Gespräch erzählt uns der ambitionierte Coach, was er beim TSV seit seiner Ankunft verändert hat und welche Emotionen er vor der Partie gegen Ex-Klub Biebrich verspürt.
FuPa: Hakan, am vergangenen Wochenende konntet ihr das prestigeträchtige Derby gegen den FC Maroc mit 4:2 für euch entscheiden. Wie hast du die turbulenten 90 Minuten erlebt?

Hakan Tutkun: Am Sonntag herrschte auf der Sportanlage eine Atmosphäre, wie ich sie selten gesehen habe. Trotz Corona waren zahlreiche Unterstützer beider Mannschaften zum Derby gepilgert und haben ihre Mannschaft lautstark nach vorne gepeitscht. Auch auf dem Platz hat man die Tragweite des Spiels sofort gespürt. Wir haben wochenlang dieser Partie entgegengefiebert, lagen zur Halbzeit aber trotzdem zurück. Mit Hilfe der Zuschauer konnten wir in der Schlussphase nochmal einen Gang hochschalten und somit die wichtigen drei Punkte einfahren. Hätten wir diese Partie gegen einen direkten Aufstiegskonkurrenten verloren, wäre die ganze Arbeit der Vorwochen nichts wert gewesen.

Nach dem Unentschieden am ersten Spieltag gegen Erbenheim habt ihr jedes Spiel siegreich bestritten. Was sind die Gründe für eure überragende Form?

Vor dem Spiel gegen Erbenheim waren wir wochenlang ohne Spielpraxis, weil viele Testspielgegner leider abgesagt haben. Somit haben wir zu Beginn leider gleich eine kleine Ergebnisdelle verkraften müssen. Seitdem läuft es aber wie am Schnürchen. Als Trainer muss ich mich mit keinerlei Nebenkriegsschauplätzen befassen und kann mich voll auf die Arbeit mit den Jungs konzentrieren. Die Mannschaft zieht super mit und wir haben kaum Ausfälle zu beklagen. Diese Faktoren in Kombination mit einer großen Portion Qualität in der Truppe zeichnen unsere aktuelle Serie aus.

Am Sonntag kommt es für dich zu einer ganz besonderen Begegnung. Du sitzt gegen deinen langjährigen Ex-Verein FV Biebrich auf der Trainerbank. Welche Emotionen verbindest du mit dem anstehenden Duell?

Es ist definitiv ein komisches Gefühl, Spielern gegenüber zu stehen, die du jahrelang selbst trainiert hast. Der FV wird immer einen Platz in meinem Herzen haben, aber für 90 Minuten müssen persönliche Befindlichkeiten hintenanstehen. Dass ich viele Spieler des Gegners kenne, wird sicherlich kein Nachteil sein. Wir werden trotzdem wieder alles abrufen müssen, um am Ende die drei Punkte einzufahren.



Im Kreispokal habt ihr gegen die Verbandsliga-Mannschaft des FV bis in die Schlussphase mitgehalten. Wie schätzt du die Qualität der Biebricher Zweitvertretung ein?

Im Pokal haben wir bis in die 80. Minute ein Unentschieden gehalten, dann kassierten wir zwei Standard-Tore, von denen wir uns nicht mehr erholen konnten. Das Spiel hat gezeigt, dass wir auch gegen die Top-Teams im Wiesbadener Raum mithalten können. In Sachen Zweitvertretung machen Klaus Tobies und Orkan Yurtseven einen super Job. Sie haben einen tollen Kader zusammengestellt, der ohne größere Unterstützung aus der Verbandsliga-Mannschaft konkurrenzfähig ist. Wir müssen uns auf einen guten Gegner einstellen, der uns das Leben schwer machen wird.

Du hast seit deiner Ankunft beim TSV einige Strukturen umgekrempelt. Welche Umstellungen hast du vorgenommen und was ist dir als Trainer besonders wichtig?

Damit ich mit meiner Mannschaft erfolgreich sein kann, ist es unabdingbar, dass jeder zu einhundert Prozent mitzieht. In der Vorbereitung haben wir fünfmal die Woche trainiert, dazu kam häufig noch ein Testspiel am Wochenende. Auch aktuell trainieren wir dreimal die Woche, während in den vergangenen Jahren beim TSV immer nur zwei Einheiten üblich waren. Dass mein Konzept nicht zu jedem Verein passt, ist klar. Deswegen führe ich vor einem Engagement immer intensive Gespräche mit den Verantwortlichen um auszuloten, ob man gemeinsam auf einen Nenner kommt.

Dieses Investment ist in der Kreisoberliga sicher nicht alltäglich. Wie hat die Mannschaft deine Ansätze aufgenommen?

Mich freut ungemein, dass sich so viele Jungs auf die neuen Anforderungen eingelassen haben. Wir haben eine überragende Trainingsbeteiligung von 18 bis 20 Spielern pro Einheit. Unser Stürmer-Routinier Volkan Zer hat mit erzählt, dass er seit Jahren nicht mehr so viel gelaufen ist. Das pusht natürlich auch nochmal die anderen Spieler, wenn ein so erfahrener und respektierter Stürmer mit gutem Beispiel voran geht. Ich habe jeden Freitag Kopfschmerzen bei der Frage, wen ich am Wochenende aufstelle, weil sich so viele Spieler unter der Woche für einen Einsatz anbieten. Aktuell läuft es wirklich optimal und wir haben ein echtes Luxusproblem.

Vergangene Saison ist der TSV noch haarscharf am Aufstieg gescheitert. Ist die Gruppenliga dieses Mal die klare Zielsetzung und was ist die Vorgabe für die kommenden Wochen?

Wir haben das Ziel, am Ende der Saison aufzusteigen. Dazu dürfen wir uns aber kaum Ausrutscher erlauben. Die Sonnenberger sind beispielsweise noch verlustpunkfrei. Wir müssen bis zum direkten Duell Anfang November ebenfalls unsere Konstanz beibehalten. Insgesamt ist die Qualität der Liga dieses Jahr erstaunlich hoch. Auch Kellerkinder wie Klarenthal und Kohleck haben gegen uns einen guten Ball gespielt und sind auf keinen Fall zu unterschätzen. Bisher haben uns keine größeren Ausrutscher geleistet. Ich bin optimistisch, dass wir auch noch länger ungeschlagen bleiben können.
Aufrufe: 016.10.2020, 19:00 Uhr
Niklas AllmrodtAutor