2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Türkgücü um Thomas Haas (vorne) ist Kevin Fery und den Schweinfurtern derzeit ein gutes Stück voraus. Geht`s nach dem Niederbayern, soll das auch bis Saisonende so bleiben.
Türkgücü um Thomas Haas (vorne) ist Kevin Fery und den Schweinfurtern derzeit ein gutes Stück voraus. Geht`s nach dem Niederbayern, soll das auch bis Saisonende so bleiben. – Foto: Frank Scheuring

Türkgücüs Kampfmaschine: Der Skirennfahrer aus dem Bayerwald

Der Viechtacher Thomas Haas (21) beackert unermüdlich die rechte Außenbahn beim Regionalliga-Primus - und träumt von der dritten Liga

Dieses Spiel wird niemand so schnell vergessen. "Das habe ich noch nicht erlebt", ist auch Thomas Haas nach der samstäglichen Achterbahnfahrt in Memmingen immer noch geplättet. Es sprach in der Schlussphase alles gegen Tabellenführer Türkgücü. Nur noch zu zehnt, der Gegner führt 3:2 und dann verschießen die Gäste auch noch in der Schlussminute einen Elfmeter! Aus und vorbei - möchte man meinen. Doch dann schlägt das Imperium doch noch zurück! Warum dieses Spiel sinnbildlich für den Charakter der Münchner steht, darüber plaudert der Bayerwäldler Haas im Gespräch mit FuPa. Zudem gewährt der 21-Jährige Viechtacher hochinteressante Einblicke in sein Leben, warum er sich nicht auf den Profizirkus verlassen will und weshalb er sein abgebrochenes Abenteuer in Finnland nie bereut hat.
FuPa: Thomas, das Spiel am Samstag hatte alles, was das Fußballherz begehrt...
Thomas Haas (21): ...das war der absolute Wahnsinn! Das habe ich noch nicht erlebt. Wir haben zuvor wahrlich nicht unsere beste Leistung in dieser Saison abgerufen. Aber was dann noch abgelaufen ist, das verdeutlicht einfach die Moral der Mannschaft. Wir geben nie auf und wir haben mittlerweile das Bewusstsein um unsere Klasse, jederzeit ein Spiel drehen zu können. Da lassen wir uns auch von einem Rückstand nicht aus dem Konzept bringen. Freilich, am Samstag war das aber trotzdem eine Ausnahmesituation. (schmunzelt)

Acht Punkte Vorsprung auf Platz zwei. Für viele ist der Durchmarsch in die dritte Liga nur noch Formsache, nicht aber für euren Trainer Reiner Maurer. Pflichtbewusst hebt er immer wieder den Zeigefinger. Fassade oder gibt er auch intern den Mahner?
Acht Zähler Vorsprung kurz vor der Winterpause, das hätten wir alle im Sommer so unterschrieben. Aber erreicht haben wir noch gar nichts. Und genau das impft uns Reiner Maurer immer wieder aufs Neue ein. Er mahnt uns immer, demütig zu sein, am Boden zu bleiben. Keiner von uns wird sich jetzt hinstellen und übermütig werden, dafür sorgt unser Trainer in Zusammenarbeit mit Sportdirektor Robert Hettich jeden Tag. Von seiner Art her ist der Coach ein ruhiger Zeitgenosse, sehr sachlich und analytisch. Läuft`s aber mal nicht so wie er sich das vorstellt, kann er durchaus auch anders.
Ekstase bei Türkgücü nach dem denwürdigen 4:3-Auswärtssieg in Memmingen.
Ekstase bei Türkgücü nach dem denwürdigen 4:3-Auswärtssieg in Memmingen. – Foto: Josef Butzhammer



Für dich persönlich hätte es auch schlechter laufen können. Du hast es als Außenverteidiger auf Anhieb zum Stammspieler geschafft.
Bisher ist es auch für mich persönlich toll gelaufen, klar. Ich hatte im Sommer nur zu hoffen gewagt, dass es in etwa so kommen möge. Wir hatten ja im Endeffekt 25 Neuzugänge mit enormer Qualität. In Eichstätt habe ich hinten links agiert, jetzt beackere ich die rechte Seite. Da kommt mir meine Ausbildung bei den Löwen übrigens zugute, wo ich vom Außenstürmer zum Außenverteidiger umgeschult worden bin. Die Linie auf und ab zu rennen, das liegt mir einfach. Ich gebe nie auf, bin ein Kämpfer.

Türkgücü hat im Sommer eine Profimannschaft aus der Taufe gehoben, mit wenigen Ausnahmen konzentrieren sich die meisten ausschließlich auf Fußball. Das kam für dich nicht in Frage.
Nein. Ich habe schon zu meiner Zeit in Eichstätt ein Studium in Ingolstadt aufgenommen, wo ich an der Technischen Hochschule Wirtschaftsingenieurwesen studiere. Derzeit bin ich im vierten Semester und will das unbedingt durchziehen.

Fußball in München, Studium in Ingolstadt.

Wie lässt sich das mit professionellem Fußball in München verbinden?
Das habe ich schon vor meinem Wechsel mit den Verantwortlichen von Türkgücü abgesprochen, sie unterstützen mich dabei. Dienstags, mittwochs und donnerstags muss ich immer an der Uni anwesend sein, das heißt ich bin dann auch mal von einer Trainingseinheit befreit, wenn es nicht anders geht.

Und du pendelst dann immer von München nach Ingolstadt?
Nein, ich wohne zwar in München, wo auch meine Freundin studiert und was übrigens auch ein Grund war, um zu Türkgücü zu wechseln. Aber wenn ich Vorlesung habe, dann bleibe ich in Ingolstadt, wo ich ein Zimmer habe. Das ist nicht teuer, trotzdem muss ich überlegen, wie ich das in Zukunft machen werde. Weil demnächst steht ein Praxissemester an, das ich in München absolvieren werde.

Ein zweites berufliches Standbein, weil Profifußball eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten ist?
Ja genau, so könnte man das sagen. Ich will unbedingt etwas in der Hand haben. Im Fußball kann`s auch ganz, ganz schnell in die andere Richtung gehen und alles kann auf einen Schlag vorbei sein, da muss man realistisch sein. Deshalb möchte ich auch nicht unbedingt große sportliche Ziele definieren. Ich habe hier Vertrag bis 2021. Mein Traum wäre es, mit Türkgücü dritte Liga zu spielen. Das wäre für mich persönlich eine Riesensache.

Löwen-Niedergang 2017 markiert den Aufbruch ins Abenteuer Finnland.

Dann womöglich im Grünwalder Stadion gegen die Löwen...
...Moment, soweit sind wir noch lange nicht. (lacht) Wir freuen uns jetzt erst einmal darauf, dass wir nach der Winterpause unsere Heimspiele im Grünwalder Stadion austragen dürfen. Das ist eine super Sache für den ganzen Verein und wir hoffen schon, dass wir dann auch mehr Zuschauer anlocken können.

Apropos Sechzger-Stadion. Hast du noch Kontakt zum TSV 1860?
Eigentlich nicht mehr. Bis auf Dennis Dressel, der am Sonntag das Tor im Derby geschossen hat, sind alle aus meinem Jahrgang weg. 2017 ist alles zusammengebrochen, nachdem die Profis, die U21, die U19 und die U17 absteigen mussten. Trotzdem war es eine super schöne Zeit für mich.

Gutes Stichwort: 2017 hast du nach dem Löwen-Niedergang ein besonderes Abenteuer in Angriff genommen. Es ging nach Vaasa in Finnland. Eine prägende Erfahrung?
Auf alle Fälle. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mit 18 Jahren einfach zu jung war dafür. Ich war zu übereifrig, wollte zu viel. Was es heißt, ohne Familie und Freunde klarkommen zu müssen, das wurde mir erst vor Ort richtig bewusst. Es war hart, aber dennoch bereue ich den Schritt null komma null.

Wie kommt man eigentlich als junger talentierter Fußball aus Deutschland nach Finnland?
Ich hatte damals einen Berater, der für mich Kontakte in ganz Europa geknüpft hat. Auch ein Engagement in Griechenland war im Gespräch, was sich dann aber zerschlug. So bin ich eben nach Finnland zum Probetrainig gereist, immerhin ein Erstligist. Ich habe dort neben anderen Gastspielern aus ganz Europa eine Woche mittrainiert und konnte überzeugen.
Kein Durchkommen: Thomas Haas macht die rechte Seite bei Türkgücü dicht.
Kein Durchkommen: Thomas Haas macht die rechte Seite bei Türkgücü dicht. – Foto: Sven Leifer



Warum hat es letzten Endes nicht geklappt?
Ganz abgesehen, dass mir einfach mein gewohntes Umfeld gefehlt hat, kam das Verletzungspech dazu. Ich zog mir eine Schambeinentzündung zu, weil ich es einfach nicht gewohnt war, zweimal täglich auf Kunstrasen zu trainieren. Ich war in einem fremden Land zum Nichtstun verdammt und konnte nur rumsitzen, was natürlich enorm aufs Gemüt drückte. Die Sprache war gar nich mal so das Problem, die Finnen sprechen alle einwandfreies Englisch. Ich war aber dann trotzdem froh, dass ich nach einem guten halben Jahr wieder in die Heimat zurückkehren konnte. Mit dem VfB Eichtstätt fand ich dann einen tollen Verein, dem ich heute noch sehr dankbar bin.

Mit deinen 21 Jahren hast du schon einiges gesehen. Kommst du eigentlich noch oft zurück in deinen Heimatort Viechtach im Bayerischen Wald?
Ich muss zugeben, ich liebe München. Schon zu meiner Zeit im Löwen-Internat von 2014 bis 2017 habe ich die Stadt zu schätzen gelernt. Aber ich freue mich auch immer wieder, wenn ich nach Viechtach heim komme. Auch wenn meistens dafür nicht viel Zeit bleibt.

Acht Jahre Skirennen: Da hat`s gefunkt.

Verfolgst du den niederbayerischen Fußball?
Schalding ist ja mit uns in der Liga, die habe ich natürlich auf dem Schirm. Ansonsten muss ich aber zugeben, dass ich da nicht so intensiv drin bin. Außer beim 1. FC Viechtach, meinem Heimatverein, weil da einige Kumpels von mir spielen. Da schaue ich schon, was die so in der Kreisliga treiben. Und den SV Kollnburg habe ich noch auf dem Radar, weil mein Papa aus Kollnburg kommt. (grinst)

Deine Fußballschuhe könntest du eigentlich schon in den Keller räumen. Du hast in Memmingen die fünfte gelbe Karte gesehen und musst zum Kehraus gegen Buchbach passen.
Bissl was haben wir schon noch vor uns. (lacht) Wir trainieren auch nächste Woche noch, also noch haben wir nicht Pause.

Nach einem langen Jahr wirst du bestimmt die Füße erst einmal hochlegen. Was hast du sonst noch so geplant in der fußballfreien Zeit?
Meinen individuellen Trainingsplan abarbeiten. (lacht) Zudem bin ich begeisterter Skifahrer, bin acht Jahre lang Rennen gefahren und habe dadurch auch meine Freundin kennengelernt. Über Silvester würden wir daher sehr gerne ein paar Tage in die Berge nach Saalbach-Hinterglemm fahren, ganz gemütlich. Den großen Urlaub haben wir auf nächsten Sommer verschoben.

Das Interview führte Mathias Willmerdinger.






Aufrufe: 026.11.2019, 18:11 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor