Jedem Neuanfang wohnt ein Zauber inne, das dachte sich auch Benedikt Kirsch und schloss sich im Sommer nach elf Jahren beim Kleeblatt in Fürth dem ambitionierten Klub aus der Landeshauptstadt an. Und besser hätte es für Kirsch kaum laufen können. Das ehrgeizige Projekt Türkgücü hat auch in der Regionalliga in Windeseile Fahrt aufgenommen. Der Klub hat klar Kurs Richtung dritte Liga genommen. "Es läuft optimal. Zu Beginn war da natürlich noch Ungewissheit und Skepsis, weil wir ja doch eine komplett neu zusammengestellte Mannschaft waren. Aber sowohl für das Team als auch für mich persönlich läuft es richtig gut. Wir werden von Spiel zu Spiel besser", meint Kirsch - was durchaus eine Drohung an die Konkurrenz ist, der Mittelfeldmann aber nie so aussprechen würde.
Rückblick: Benedikt Kirsch kam im Frühjahr ins Grübeln. Die Sache mit dem Kleeblatt und ihm, das passte nach über einem Jahrzehnt nicht mehr so wirklich. Sein dreijähriger Vertrag lief aus. Und keine der beiden Parteien machte groß Avancen, die Zusammenarbeit fortzuführen. "Zunächst lief es richtig gut für mich und ich kam zu vielen Einsätzen in der zweiten Liga. In den letzten eineinhalb Jahren lief es aber nicht mehr, wie ich es mit vorgestellt hätte und so reifte in mir die Überlegung, etwas Neues in Angriff zu nehmen", erzählt der Oberpfälzer. An dieser Stelle betraten Robert Hettich und Reiner Maurer die Bühne. Der Kaderplaner und der Cheftrainer von Türkgücü meldeten sich bei Kirsch. "Für die beiden war das sicher auch nicht ganz einfach, eine komplett neue Mannschaft zusammenzustellen. Sie sind hochprofessionell aufgetreten und konnten mich schnell von einem Engagement überzeugen", gewährt der 23-Jährige Einblicke in seine Entscheidungsfindung.
Kein Trennungsschmerz? Schließlich verbrachte er sein halbes Leben bei den Grün-Weißen aus Fürth. "Natürlich war das schon emotional, ich habe meine gesamte Jugend bei der Spielvereinigung verbracht. Es war nicht immer einfach, aber ich habe viele unvergessliche Momente erleben dürfen." Im Alter von zwölf Jahren wechselte Benedikt Kirsch vom SSV Jahn Regensburg zur SpVgg Greuther Fürth. "Drei Jahre lang bin ich immer die rund 100 Kilometer mit dem Zug gefahren. Das war schon hart und hat sich auch nicht unbedingt positiv auf meine Schulnoten ausgewirkt." Mit 15 entschied er zusammen mit seinen Eltern, ins Internat zu gehen. Weg von Familie und Freunden, weg von einem Leben als "normaler" Teenager. "Fußball und Schule, recht viel mehr gab`s nicht. Ich habe es dennoch nie bereut oder das Gefühl, in meiner Jugend etwas verpasst zu haben. Ich wollte Fußball zu meinem Beruf machen, da muss man halt auch Opfer bringen. Man kann eben nicht alles haben."
In Fürth hat er sein Abitur gebaut. Auch auf Anraten der Eltern, wie er schmunzelnd zugibt, hat er nebenher ein Studium aufgenommen, um nicht nur auf die Schiene Profifußball zu setzen. Ein zweites Standbein sollte geschaffen werden. "Ich habe nach dem Abitur begonnen, Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Als ich dann den Profivertrag bekommen habe, habe ich das aber wieder auf Eis gelegt", verrät Kirsch. Eine Wiederaufnahme ist eher unwahrscheinlich. Nicht weil der bodenständige Blondschopf vom ganz großen Durchbruch ausgeht, sondern vielmehr aus einem anderen Grund: "Es ist einfach nicht so mein Ding habe ich festgestellt." Weil er aber trotzdem einen Plan B in der Hinterhand haben möchte, hat er die A- und B-Lizenz zum Fitnesstrainer bereits abgelegt und lässt sich nun am BTB (Bildungswerk für therapeutische Berufe) in Remscheid per Fernstudium zum Ernährungsberater und Personaltrainer ausbilden. "Das interessiert mich sehr und ich möchte nebenbei einfach auch etwas für die Birne machen. Die Zeit dazu habe ich ja", sagt Kirsch.
In der Landeshauptstadt hat sich der Hohenschambacher schnell eingelebt. Nicht weit entfernt vom Trainingsgelände hat er in Trudering eine Wohnung gefunden. Dem Jungen vom Dorf gefällt es in der Isarmetropole: "Von der Lebensqualität her ist das hier schon super." Mit den Mannschaftskollegen unternimmt er viel. "Ich verstehe mich wirklich mit allen gut. Am besten mit Thomas Haas, der ist ja aus Niederbayern", muss der Oberpfälzer lachen. Da merke man eben die Handschrift von Hettich und Maurer, die sehr darauf erpicht waren, eine homogene Truppe zusammenzubasteln. Sich selbst bezeichnet Kirsch als "Box to box"-Spieler, einer der zwischen den Strafräumen überall zu finden ist. Als dynamischer, giftiger Zweikämpfer verleiht der Mittelfeldmann dem Spiel von Türkgücü den nötigen Schuss Aggressivität.
Viel abgeschaut hat er sich dabei von einem chilenischen Heißsporn, der auch in Deutschland wahrlich kein Unbekannter ist: "Mein großes Vorbild ist Arturo Vidal, sein Stil gefällt mir einfach. Ich würde mich so charakterisieren: Ich kann kicken und kämpfen." Vier Treffer und sechs Vorlagen hat er bislang dazu beigesteuert, dass Türkgücü mittlerweile unangefochten über dem Rest der Regionalliga Bayern thront. "Wir haben uns Respekt verschafft", erklärt Kirsch. Von Unmutsbekundungen oder gar Beschimpfungen seitens der Gegner oder deren Fans kann der Mittelfeldrenner nicht berichten: "Wir kommen nicht abgehoben daher. Ein tadelloser Auftritt ist uns allen sehr wichtig." Zuletzt in Aschaffenburg vor fast 2.300 Zuschauern, "das war schon richtig geil".