2024-05-02T16:12:49.858Z

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– Foto: Beyer

Die DFB-Pokalposse: Wie konnte DAS nur passieren?

Schweinfurt 05 schwer irritiert, der BFV maximal blamiert - und Türkgücü jubiliert?

Als am Freitagnachmittag die Meldung durchsickerte, die Pokalpartie zwischen dem 1. FC Schweinfurt 05 und dem FC Schalke 04 wird abgesetzt, dachte man zunächst, wie in diesen Tagen üblich, an Corona. Aber weit gefehlt! Spätestens als die Rede vom "Landgericht München I" war, fiel es wie Schuppen von den Augen. Die werden doch nicht etwa? Doch haben sie!

Keine 48 Stunden vor der Partie hat eine einstweilige Verfügung für die Absetzung gesorgt. Sauer? Nein, sauer seien sie nicht in Schweinfurt. "Aber klar sind wir enttäuscht", gibt Schweinfurts Geschäftsführer Markus Wolf Einblick ins Gefühlsleben rund ums Willy-Sachs-Stadion. "Jeder hat das Recht zu klagen", meint Wolf lapidar und räumt mit Spekulationen auf, die Pokal-Klage sei eine Retourktusche von Türkgücü gewesen: "Wir haben das Lizenzierungs-Verfahren von Türkgücü bezüglich des Aufstiegs in die 3. Liga hinterfragt. Aber: Wir haben zu keiner Zeit Klage eingereicht!" Wolf sieht die Versetzung der Münchner in die dritthöchste deutsche Spielklasse nach wie vor aber skeptisch: "Meiner Meinung nach ist das nicht berechtigt. Türkgücü verfügt zum Beispiel nicht uneingeschränkt über ein Heimspielstadion. Ich bin überzeugt: Kein anderer Verein in Deutschland hätte so die Lizenz erhalten. Und ich möchte betonen, dass wir die Lizenz auch anzweifeln würden, wenn der Verein Blau-Weiß München heißen würde. Da spielt der Name überhaupt keine Rolle."

Schweinfurts Geschäftsführer Markus Wolf: »Überlegen , mit gleichen Geschossen zurückzuschießen.«

Wie es nur weitergeht, das kann Wolf noch nicht präzise sagen: "Wir sind ja eigentlich nur Drittbetroffener. In erster Linie ist das eine Sache zwischen BFV und DFB. Ich hatte noch keinen Kontakt zum BFV. Die Sache soll nun vors Oberlandesgericht gehen und ich denke, dass es zeitnah eine Entscheidung gibt." Schweinfurts Geschäftsführer lässt sich weitere Schritte offen: "Wir überlegen natürlich nun auch, mit gleichen Geschossen zurückzuschießen." Soll heißen: Es könnte durchaus sein, dass Schweinfurt 05 offiziell gegen die Drittliga-Lizenz von Türkgücü vorgeht - wenige Tage vor dem Saisonstart in der 3. Liga!

Am gestrigen Sonntagabend stellte sich BFV-Präsident Dr. Rainer Koch in der BR-Sendung "Blickpunkt Sport" drängenden Fragen und gab zu, "völlig überrascht" zu sein, dass Türkgücü Klage eingereicht hat. Der Verband wurde also komplett auf dem falschen Fuß erwischt. Derart überrumpelt und sichtlich in Rage keilte Koch gegen den jungen Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny (23) aus: "Herr Kothny wird zwar hier als derjenige präsentiert, der bei Türkgücü die Entscheidungen trifft, aber das ist natürlich überhaupt nicht richtig. Tatsächlich hat bei Türkgücü nur ein Einziger das Sagen und das ist der Präsident Herr Kivran."

Der BFV als Opfer?

Koch will mit Hasan Kivran bei einem Treffen am 31. Juli ein klare Vereinbarung getroffen haben, dass Türkgücü nicht vor Gericht ziehen werde. Koch merkte auch an, dass mit Türkgücü eine Schiedsgerichtsvereinbarung abgeschlossen wurde, die einen Weg zu einem Zivilgericht eigentlich ausschließt. Für Koch ist der "Deal" vom 8. Mai ausschlaggebend, als entschieden wurde: Türkgücü geht hoch in Liga drei, Schweinfurt darf im DFB-Pokal starten. Für den BFV-Boss ist der Verband in dieser Angelegenheit das Opfer: "Hier wird eine massive Auseinandersetzung zwischen Türkgücü und Schweinfurt 05 auf dem Rücken des Bayerischen Fußball-Verbands ausgetragen."

Da stellt sich natürlich die Frage: Warum hat ausgerechnet der erfahrene Jurist Koch sich die Zustimmung von Kivran nicht schriftlich absichern lassen? "Für mich gilt seit 16 Jahren (Koch ist seit 2004 BFV-Präsident, Anm.d.Red), was ich mit den Vereinspräsidenten ausmache, das zählt auch. Offensichtlich ist es jetzt aufgrund der Streitigkeiten zwischen Schweinfurt und Türkgücü nun so, dass sich Herr Kivran nicht mehr an das halten will, was klar vereinbart worden ist."

Bleibt aber auch festzuhalten: Eine rechtsverbindliche Vereinbarung hat es nicht gegeben. Dr. Rainer Koch muss sich den Vorwurf gefallen lassen, diesbezüglich viel zu blauäugig und naiv vorgegangen ist. Einem ausgefuchsten Funktionär, der schließlich nicht erst seit gestern im Amt ist, sollte so ein Fauxpas nicht unterlaufen. Die Rolle des Opfers wirkt gar sehr bemüht, wenn Koch sich auf eine nicht eingehaltene, mündliche Vereinbarung beruft und sagt: "Offensichtlich ist für einige das Fußballbusiness anders zu bewerten." Die Verbände als letzte Instanz der Moral und hehrer Werte, wo noch ein Handschlag unter Männer zählt? Unglaubwürdig. Für Koch ist der große Verlierer aber ohnehin der Fußball. Und: So schnell werde man in der Sache zu keiner Lösung kommen!

Ging nicht eher: Türkgücü wehrt sich.

Türkgücü wiederum hat eines erreicht: Der Neuling im Profizirkus hat maximale, bundesweite Aufmerksamkeit generiert. Jetzt dürften auch die Fans im Ruhrpott oder in Hamburg den aufstrebenden Verein aus der bayerischen Landeshauptstadt zum ersten Mal richtig wahrgenommen haben. Freunde haben sich die Münchner damit sicher nicht gemacht, aber um Sentimentalitäten geht`s im Haifischbecken Profifußball auch eher selten. Und: Türkgücü hatte von Anfang an angekündigt, auch dann nicht einfach generös auf die Teilnahme am DFB-Pokal verzichten zu wollen, wenn der BFV trotz nicht beendeter Saison die Münchner zum Aufsteiger in die 3. Liga erklärt. Schließlich geht`s um 180.000 Euro. Viel Geld, noch dazu in Zeiten, in denen Vereine keine oder nur wenige Zuschauererlöse generieren können.

"Wir haben frühzeitig Einspruch beim Verbandsgericht eingelegt. Das war nicht letzte Woche, sondern weit davor. Woraufhin Herr Baier vom Verband (Vize-Präsident, zuständig für Rechtsfragen; Anm.d.Red.) zurückgeschrieben hat, dass derzeit gar kein Einspruch eingelegt werden kann. Dementsprechend konnten wir erst nach der Entscheidung von letzten Sonntag (06. September: Offizielle Meldung des BFV für den DFB-Pokal, Anm.d.Red.) Einspruch einlegen. Es blieb uns also gar nichts anderes übrig", erklärt Türkgücüs Geschäftsführer Max Kothny ebenfalls gegenüber dem BR. Der 23-Jährige behauptet auch: "Ich weiß, dass Schweinfurt juristische Schritte gegen den DFB bezüglich unserer Lizenzierung eingereicht hat. Als wir das mitbekommen haben, konnte ich nicht anders handeln, als gegen die DFB-Pokal-Entscheidung vorzugehen." Dass die Schnüdel Klage eingereicht haben, das sei so nicht richtig, grätscht auch Dr. Rainer Koch dazwischen. Schweinfurt habe sich über die Lizenzierung beschwert, das sei richtig. Aber: Die 05er haben bisher kein Klageverfahren eingereicht! Koch stützt damit die Version von Schweinfurts Geschäftsführer Markus Wolf.

Wie geht`s jetzt weiter? Die Fronten sind verhärtet. Sowohl Schweinfurt 05 als auch Türkgücü rechnen damit, bald positive Signale zu erhalten und gegen Schalke 04 antreten zu dürfen. Es könnte unschön werden - für alle Beteiligten.

Aufrufe: 014.9.2020, 12:11 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor