2024-05-02T16:12:49.858Z

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Geht es ihm bald an den Kragen? Noch genießt Jogi Löw das Vertrauen der DFB-Verantwortlichen. Im Würmtal ist man kritischer.
Geht es ihm bald an den Kragen? Noch genießt Jogi Löw das Vertrauen der DFB-Verantwortlichen. Im Würmtal ist man kritischer. – Foto: dpa / Patrick Seeger

Kaum Rückhalt für Löw aus Würmtal - Lelleck einziger "Fan"

Kritik am Bundestrainer

Hartes Urteil für Jogi Löw von der Fußball-Basis. Im Würmtal ist die Meinung nach der 0:6-Klatsche der DFB-Elf gegen Spanien fast durchweg dieselbe: Löw muss gehen.

Würmtal – 0:6 gegen Spanien: Die Fußball-Nationalmannschaft hat am Dienstag nicht nur ein Spiel in der Nations League verloren, zugleich war es die zweithöchste Pleite für eine DFB-Elf aller Zeiten und die höchste seit 1931.

Wir haben uns an der Fußball-Basis im Würmtal umgehört, wie die Entwicklung des Nationalteams gesehen wird, ob Joachim Löw noch der richtige Trainer ist und wie die Erwartungshaltung für die Europameisterschaft im kommenden Jahr aussieht. Sechs Gegentore, sechs Fragen, sechs Amateurfußballer (je zwei Spieler, Trainer und Funktionäre):

0:6 – Ausrutscher oder negativer Trend?

Zwiegespaltene Meinung im Würmtal. Die beiden Trainer Davide Taurino (TSV Neuried) und Michael Lelleck (SV Planegg-Krailling) werten das Ergebnis eher als Ausrutscher – zumindest in dieser Höhe. „Dafür ist die Qualität in der Mannschaft eigentlich zu hoch“, sagt Lelleck.

Alexander Wiebke (DJK Würmtal): „Das Spiel der deutschen Elf ist Stückwerk ohne Konzept.“

Härter gehen beispielsweise Robert Frank, Vorstandsvorsitzender des TV Stockdorf, und Christian Stigloher, Fußballabteilungsleiter des TSV Gräfelfing, mit der DFB-Elf ins Gericht. Stigloher: „Der negative Trend hat meiner Meinung nach bereits mit dem Abpfiff im Maracana 2014 begonnen.“ Ähnlich sehen es die zwei befragten Spieler, Alexander Wiebke von der DJK Würmtal und Sebastian Dietzel vom Gautinger SC. „Ich habe schon seit dem Confed Cup 2017 das Gefühl, dass da nullkommanull Spielkonzept drin ist“, so Wiebke.

Interesse an Spielen der DFB-Elf?

Euphorie kommt bei den Befragten keine auf, wenn es um „gewöhnliche“ Länderspiele geht. Dazu zählen für die meisten auch die Partien in der Nations League. „Daran habe ich überhaupt kein Interesse“, sagt etwa Stigloher. Die einhellige Meinung: Wenn es sich ergibt, werden die Spiele geschaut, wenn nicht, ist es auch nicht schlimm.

Robert Frank (TV Stockdorf): „Ein Trainer der Marke Klopp oder Tuchel würde guttun.“

Interessant ist, dass die beiden Trainer keinen Unterschied machen, welches Spiel läuft. Für sie kommt es eher auf den reinen Fußball an als auf den Wettbewerb. Taurino: „Ich schaue mir eigentlich alle Spiele an, die im Fernsehen kommen. Ich bin froh, dass überhaupt noch Fußball gespielt wird.“

Jogi Löw noch der richtige Trainer?

Ein klares „Ja“ oder „Nein“ bleiben zwei Würmtaler schuldig. Stigloher enthält sich, Franks Tendenz geht in Richtung Wechsel des Führungsteams: „Wenn sofort ein neuer Trainer kommt, darf man auch nicht erwarten, dass bei der EM gleich ein tolles Ergebnis rauskommt. Aber ob es schlechter wäre als mit Löw, ist die Frage...“

Michael Lelleck: „Ist Jogi Löw noch der Richtige? Ich sage: Ja.“

Unterstützung erfährt der Bundestrainer nur von Michael Lelleck, Gegenwind von Taurino („Spätestens nach der WM 2018 hätte er aufhören sollen“), Wiebke und Dietzel.

Rückkehr von Boateng, Hummels und Müller?

Einer Rückkehr der drei ausgemusterten Führungsspieler stünden die Befragten allesamt positiv gegenüber. Lelleck etwa fordert von Löw, jetzt Größe zu zeigen: „Er sollte sich hinstellen und zugeben, dass der geplante Weg nicht funktioniert hat.“

Davide Taurino: „Hummels und Müller hätte ich nie rausgenommen.“

Gräfelfings Stigloher sieht in einer Rückholaktion nur kurzfristigen Erfolg: „Dann käme auch die Hierarchie in der Mannschaft wieder durcheinander.“

Erwartungshaltung
für die EM 2021?

Vier der sechs Befragten erwarten von Deutschland bei der EM im kommenden Jahr – sollte sie denn stattfinden – keinen großen Erfolg. „Wir haben immer noch sehr gute Kicker. Nur Löw traue ich es nicht mehr zu“, sagt derweil Dietzel. Auch Taurino ist einigermaßen zuversichtlich: „In der Vergangenheit war Deutschland immer stark bei Turnieren. Die Vorrunde werden sie auf jeden Fall überstehen.“

Christian Stigloher (TSV Gräfelfing): „Alles andere als ein Aus in der EM-Vorrunde wäre ein Erfolg.“

Lelleck rechnet zumindest nicht mit einem Debakel. Frank, Stigloher und Wiebke sind vorsichtiger. Der DJK-Spieler nimmt es mit Galgenhumor: „Das Gute ist, niemand erwartet den EM-Titel.“

Eigene Erfahrungen mit herben Klatschen?

Mit teils deutlichen Niederlagen mussten auch die Fußballer im Würmtal schon umgehen. Lellecks höchste Pleite als Trainer ist gerade mal dreieinhalb Monate her: ein 0:8 gegen Oberföhring. „Damit umzugehen, ist schwierig. Man stellt sich viele Fragen“, sagt der SVP-Coach. Sein Neurieder Kollege Taurino hält es „grundsätzlich nie für gut draufzuhauen“.

Sebastian Dietzel (Gautinger SC): „In der Mannschaft muss wieder ein Teamgeist entstehen.“

Franks höchste Pleite (1:5) stammt aus einem Freundschaftsspiel gegen die U19 der SpVgg Unterhaching zur 100-Jahr-Feier des TV Stockdorf. „Das war aber eine eher schöne Niederlage, und unsere Spieler hatten da am Tag nach der Riesenparty auch mit anderen Problemen zu kämpfen“, erzählt er augenzwinkernd. (Tobias Empl / Michael Grötzinger)

Aufrufe: 019.11.2020, 10:15 Uhr
Münchner Merkur (Würmtal) / Michael Tobias GrözingAutor