2024-05-02T16:12:49.858Z

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Jürgen Keilwerth, Trainer des ESV Penzberg, befürchtet, dass seine Spieler bei Fortsetzung der Saison Probleme mit ihrem Arbeitgeber bekommen.
Jürgen Keilwerth, Trainer des ESV Penzberg, befürchtet, dass seine Spieler bei Fortsetzung der Saison Probleme mit ihrem Arbeitgeber bekommen. – Foto: Ruder

Vereine zweifeln an Saisonfortsetzung: "Sind keine Marathonläufer"

Terminlich könnte es eng werden

Die Vereine im Kreis Weilheim-Schongau zweifeln an einer Saisonfortsetzung. Sie vermissen ein klares Konzept vom BFV.

Landkreis Wer Heinz Eckl in diesen Tagen auf die nähere Zukunft des Fußballs in Bayern anspricht, erntet ein gereiztes Knurren. „Das ist irgendwo an den Haaren herbeigezogen“, weist der Spielleiter des Kreises Zugspitze alle Szenarien von sich, die sich mit den Fragen befassen, wie und wann der Bayerische Fußball-Verband die reguläre Saison sowie den Ligapokal fortführen will. Während Eckl den Blick über den Tellerrand hinaus als „Blödsinn“, „Quatsch“ und „Schmarren“ abkanzelt, beschäftigt sich die Basis voller Sorge mit der Frage, wie es angesichts der Corona-Pandemie weitergehen soll.

Arbeit wichtiger als Fußball

Die Bundesregierung hat den Lockdown, der am 2. November begonnen hat, bis 14. Februar verlängert. Die flächendeckende Impfung der Bevölkerung ist ins Stocken geraten, Schulen und Kitas sind geschlossen ebenso wie viele Geschäfte oder Studios. Das ist die Realität, in der Florian Heringer und zahlreiche andere Fußballer leben. „Ich möchte erst wieder auf die Arbeit gehen können, bevor wir mit dem Spielen anfangen“, stellt der Trainer des Kreisligisten TSV Peißenberg klar. Zurzeit gibt es für den Fitness-Trainer beim Weilheimer Guffanti-Team wesentlich Wichtigeres als Fußball.

Die Bayerische Staatsregierung musste vorangehen und blieb auch im Herbst federführend, weil sich der BFV abermals außerstande zeigte, aus eigenem Antrieb den Spielbetrieb trotz rasant steigender Infektionszahlen einzustellen. Verkauft hat dies der Verband seinem Volk aber ganz anders. Laut einer bei den Marktforschern von SLC Management in Auftrag gegebenen Studie unterstützten 93,3 Prozent der Befragten die Entscheidung der Funktionäre, vorzeitig in die Winterpause zu gehen. Doch diese Entscheidung hatte gar nicht der Verband gefällt, die hatte ihm zuvor schon die Politik abgenommen.

Verantwortliche zweifeln an Konzept

Obwohl auf dem Papier der Rückhalt für die Vorgehensweise des BFV groß ist, regt sich an der Basis langsam Unmut. „Ich habe noch einmal auf so eine Zeit als Ehrenamtlicher keine Lust“, sagt etwa Thomas Lang. Als der BFV am 19. September die Saison wieder anpfiff, erlebte der Sportlicher Leiter des TSV Peißenberg, wie groß der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit war. Obwohl vieles bereits auf ein erneutes dramatisches Ansteigen von Corona-Erkrankungen hindeutete, setzte der Verband die Saison fort und schuf mit dem Ligapokal gleich noch einen zweiten Wettbewerb. Dabei war eigentlich keine Zeit zu verlieren, um zunächst die reguläre Saison abzuschließen. Zum einen lagen die Verbandsoberen schon hinter ihrem eigenen Zeitplan zurück, zum anderen war die zweite Pandemie-Welle längst angekündigt und hatte bereits Israel erreicht. Waren für den Profibereich regelmäßige Tests zwingend vorgeschrieben, verlustierten sich die Amateure sechs Wochen lang ohne die nötigen Kontrollen auf der grünen Wiese. Wie viele seiner Kollegen hatte Thomas Lang damit zu kämpfen, dass das ganze System allmählich implodierte. Die Zahl der Verletzten beim TSV stieg rasant an. Außerdem musste er konstatieren, dass es Unternehmen gab, die seinen Kickern das Fußballspielen verboten. Und er hatte auf einmal alle Hände voll damit zu tun, sich um vermeintliche Corona-Fälle und Quarantäne-Fristen zu kümmern. Nicht nur bei ihm ist seitdem der Frust groß. „Bei mir und meinen Kollegen ist jetzt nur noch fünf Prozent Motivation da“, berichtet er.

Zahlen vom BFV passen nicht ins Bild

So eine Zahl passt da nicht in das Bild, das der Verband seinen Mitgliedern vermittelt. Laut der Umfrage von SLC Management befürworteten im vergangenen Dezember 76,8 Prozent der Teilnehmer die Entscheidung des BFV, die Saison 2019/20 zu Ende zu bringen und dabei Aufsteiger und Absteiger zu ermitteln. Das waren sogar fast acht Prozent mehr als noch im Frühjahr. Allerdings wird in der Studie nicht explizit mitgeteilt, dass sich im Frühling von den 4348 bayerischen Vereinen noch 3197 an der Abstimmung beteiligten. Im Winter waren es dann nur noch etwas mehr als die Hälfte (1664). Abgenommen hat nicht allein das Interesse an dieser Frage, sondern auch die Zahl der tatsächlichen Unterstützer. Die belief sich nur noch auf 1278 Vereine, was hochgerechnet auf die Gesamtzahl nicht einmal einem Drittel gleichkommt (29,39 Prozent). Nicht mehr voll und ganz getragen wird die Entscheidung von den Vereinen, die ein klares Contra bezogen (386) oder denjenigen, die sich nicht (mehr) äußern mögen (2684). Das sind zusammen satte 70,61 Prozent.

Vereine vermissen klaren Plan vom BFV

Die Basis vermisst einen klaren Plan. „Es muss eine Entscheidung her, das Hinausgezögere ist nervig“, so Korbinian Steigenberger. Er fordert, dass der Verband sein Spiel auf Zeit aufgibt und klare Perspektiven aufzeigt. Nicht nur der Spielertrainer des A-Klassisten SV Haunshofen ist inzwischen skeptisch, ob der Ligapokal und die Saison wie geplant im Frühjahr fortgesetzt werden und bis zum Juni beendet sind. „Wir spielen erst wieder im Sommer“, malt Alexander Sanktjohanser, Trainer des Kreisklassisten TSV Hohenpeißenberg, sogar den Teufel an die Wand. Von solchen Prophezeihungen zeigt sich der Verband unbeeindruckt. Zurück-genommen wurde bisher nur der Start der ersten K.o.-Runde des Ligapokals am ersten März-Wochenende. Ob es mit dieser Salami-Taktik nun weitergeht und demnächst der Beginn des Wettbewerbs Woche für Woche hinausgezögert wird, können selbst die Experten nicht sagen. „Ich weiß auch nicht, was mit dem Ligapokal passiert“, sagt Kreisspielleiter Eckl.

Ligapokalabsage eigentlich unausweichlich

Die Vereine aus dem Oberland haben im Gegensatz zu ihm konkretere Vorstellungen. „Ich kann mir nicht denken, dass man das noch durchführen kann“, sagt Alexander Sanktjohanser. Für ihn ist der Ligapokal bereits klinisch tot. Seine Kollegen gehen sogar noch weiter und befürchten, dass angesichts der aktuellen Entwicklung sogar die Saison gefährdet ist, die ja unter allen Umständen beendet werden soll. „Ich glaube, dass vor April keine offiziellen Spiele stattfinden werden“, orakelt Robert Kanzler. Die Mutmaßung des Trainers des FC Rottenbuch/Wildsteig, die gleich mit zwei Mannschaften in der A-Klasse spielt, klingt sogar noch optimistisch zu dem, was Thomas Lang sagt: „Ich habe Schwierigkeiten zu glauben, dass überhaupt noch Punktspiele ausgetragen werden.“

Das Dogma des Verbandes, dass die Runde auf alle Fälle zu Ende gebracht wird, gerät allmählich ins Wanken. Die Vertreter der Vereine sorgen sich vor allem darum, wie sie einen Spiel- und Trainingsbetrieb überhaupt in die Wege leiten sollen, so lange die Kontaktbeschränkungen bestehen. „Der Amateursport wird noch ziemlich lange hinten anstehen“, so Sanktjohanser. Hohenpeißenbergs Coach rechnet nicht damit, dass dem Fußball in den unteren Klassen plötzlich Systemrelevanz zugebilligt wird, auch wenn einige Funktionäre sich das wünschen.

Fußballer sind keine Marathonläufer

Individuelles Training stellt zwar eine Alternative dar, um sich langsam für den „Tag X“ in Form zu bringen, wenn alles wieder geöffnet ist, aber es ersetzt nicht eine gezielte Vorbereitung auf eine Saison. „Wir sind keine Marathonläufer, sondern Fußballer“, wirft Haunshofens Steigenberger ein. Der vergangene Sommer habe gezeigt, wie notwendig eine ausgiebige und intensive Vorbereitung ist, um Verletzungen zu vermeiden. „Die Spieler kommen nach eineinhalb Jahren ohne Fußball zurück“, so Thomas Lang. Den Amateurkickern fehle nach der langen Corona-Pause mittlerweile jegliche Wettkampfhärte. Eine Turbovorbereitung, nur um nach dem Ende des Lockdowns möglichst schnell in den Spielbetrieb zu starten, lehnt er kategorisch ab. „Fünf bis sechs Wochen Minimum“, fordert er, Robert Kanzler sogar sechs bis acht. „Das muss der Verband ermöglichen können“, so der Trainer des FC Wildsteig/Rottenbuch. Derartiges erwartet auch Jürgen Keilwerth. „Wenn die Vorbereitung so kurz ist und die Belastung so hoch, steigt die Gefahr, dass es zu vielen Verletzungen kommt“, warnt der Trainer des Kreisklassisten ESV Penzberg.

Verine befürchten Probleme im Spielbetrieb

Das ist aber nur eine von vielen Hürden, die sich vor den Vereinen aufbauen. Robert Kanzler rechnet damit, dass nach einem Jahr Pandemie viele Betriebe nicht begeistert sein werden von der Vorstellung, dass ihre Angestellten wieder auf dem Rasen herumtoben. „Einige Arbeitgeber werden sagen: Mach dir Gedanken, ob du wirklich dabeisein willst.“ Er rechnet mit – seiner Ansicht nach nachvollziehbaren – Repressionen von Unternehmerseite, die es bereits im vergangenen Herbst gab. Auch Jürgen Keilwerth hätte volles Verständnis für ein Nein aus der Wirtschaft. „Es gibt bestimmt einige Firmen, die einen Riegel vorschieben.“ Dabei denkt er ganz besonders an die vielen Kleinbetriebe, die in der Krise jeden gesunden Mitarbeiter benötigen. Denn: „Die Arbeit ist wichtiger als der Amateurfußball“, betont Keilwerth.

Englische Wochen keine Lösung

Während sich die Gedanken der Verantwortlichen der Verbandsspitze momentan nur bis zum ersten März-Wochenende richten, machen sich die Vereinsvertreter Sorgen, wie ein geordneter Spielbetrieb abgewickelt werden soll, wenn der Fußball wider Erwarten im späten Frühjahr doch noch rollen sollte. „Nur englische Wochen wird schwierig“, befürchtet Korbinian Steigenberger. Peißenbergs Sportlicher Leiter Thomas Lang hält es sogar für unmöglich, die ausstehenden acht bis zehn Spiele in vier bis fünf Wochen durchzupeitschen. „Das wird alles verzerren, wenn auf Biegen und Brechen die Saison fertig gespielt werden soll“, mahnt er zur Besonnenheit. „Die Spieler halten das nicht aus“, ist der Hohenpeißenberger Sanktjohanser überzeugt.

Wie seine Kollegen bezweifelt er außerdem, dass er unter der Woche überhaupt genügend Spieler zusammenbekommt, wenn die noch in ihren Vorlesungen an der Uni oder bei der Arbeit sind. Zu solchen Fragen schweigt sich der BFV bisher aus, was bei den Klubs zunehmend Unmut heraufbeschwört. „Wir haben immer noch keine Informationen“, so Thomas Lang. Er kritisiert, dass die Vereine weiter im Unklaren gelassen würden. Und sein Trainer fordert, dass endlich Konsequenzen gezogen werden. „Es wird das Beste sein, wenn man am 1. Juli neu beginnt“, schlägt Florian Heringer vor. Vielleicht darf er bis dahin auch wieder arbeiten.
(Christian Heinrich)

Aufrufe: 026.1.2021, 11:43 Uhr
Weilheimer Tagblatt / Christian HeinrichAutor