2024-05-10T08:19:16.237Z

FuPa Portrait
Der Bobinger Matthias Vollmann (vorne) verhindert mit der Hand ein Gegentor – und sagt das dem Schiedsrichter. Schiedsrichterobmann Jürgen Warnck (kleines Bild) kritisiert das Verhalten vieler Fußballer auf dem Platz: Mit Fair Play habe das meistens nichts zu tun.  Fotos: Reinhold Radloff
Der Bobinger Matthias Vollmann (vorne) verhindert mit der Hand ein Gegentor – und sagt das dem Schiedsrichter. Schiedsrichterobmann Jürgen Warnck (kleines Bild) kritisiert das Verhalten vieler Fußballer auf dem Platz: Mit Fair Play habe das meistens nichts zu tun. Fotos: Reinhold Radloff

Eine selten faire Geste

Matthias Vollmann vom TSV Bobingen ist beim Fußball ehrlich und erhält vom DFB eine Anerkennung +++ Schiedsrichterobmann Jürgen Warnck sieht die Entwicklung auf Fußballplätzen aber auch in der Erziehung kritisch

Alles deutete an jenem Nachmittag im August auf ein ganz normales Fußballspiel im Amateurbereich hin. In den Niederungen des Amateurfußballs kam es in der A-Klasse zum Derby zwischen den zweiten Mannschaften des FC Königsbrunn und des TSV Bobingen. Bobingen gewann klar mit 5:0; und doch hatte die Partie ein Nachspiel. Bobingens spielender Co-Trainer Matthias Vollmann wurde Wochen nach dem Spiel für sein außergewöhnlich faires Verhalten vom DFB ausgezeichnet, weil Schiedsrichter Alexander Endreß aus Diedorf einen Sonderbericht schrieb.

Die Szene, die zu der Anerkennung führte, war in der 65. Minute: Königsbrunn hatte die Chance, das 1:5 zu erzielen, doch der 30-jährige Vollmann wehrte den Ball kurz vor der Torlinie ins Aus ab. Die Königsbrunner protestierten: Handspiel, Rote Karte und Elfmeter! Doch Endreß entschied auf Eckstoß; er dachte, dass Vollmann den Ball mit dem Körper abgewehrt hat. Doch der Bobinger zeigte Größe: Er gab zu, den Ball an die Hand bekommen zu haben, als er sich vom Schuss wegdrehte. Dass er wegen des Handspiels eine Rote Karte hätte erhalten können? Das sei ihm zu diesem Zeitpunkt egal gewesen, sagt Vollmann. „Ich bin sehr für Fair Play, deswegen würde ich in solch einer Situation niemals den Schiedsrichter anlügen“, sagt der 30-Jährige.

Für Jürgen Warnck, Schiedsrichterobmann der Gruppe Südschwaben, ist das leider eine Ausnahme. Er kritisiert das Verhalten vieler Fußballer auf dem Platz. Das Thema Fair Play habe sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht positiv entwickelt, sagt Warnck. Er muss es wissen, er ist seit mehr als 20 Jahren Schiedsrichter. Das Gegenteil ist seiner Meinung nach sogar der Fall: Der Fair-Play-Gedanke gegenüber dem Gegner und dem Schiedsrichter habe stark nachgelassen. Das fange im Jugendbereich an und ziehe sich bis zu den Profis durch.

Schlecht zu sprechen ist Vollmann auf unfaire Aktionen im Profibereich. Diese färben seiner Meinung nach auf die Amateure ab: „Dieses ständige Fallenlassen bei kleinsten Berührungen, aber auch Schwalben, sind schlechte Sachen, die sich vor allem jüngere Spieler abschauen.“ Warnck sieht das ähnlich. Die Bundesliga habe keine Vorbildfunktion. „Wenn die sich besser Benehmen würden, hätten wir weniger Probleme“, ist Warnck überzeugt.

Noch größeren Einfluss auf das Fehlverhalten auf Fußballplätzen hat für Warnck eine andere Sache: die gesellschaftliche Entwicklung. Polizisten, Sanitäter, Lehrer, Schiedsrichter – sie alle haben mit mangelndem Respekt zu kämpfen. Warnck glaubt, einen Grund dafür zu kennen: „Vieles kommt vom Elternhaus.“ Es werde nicht mehr so viel Zeit in die Kindererziehung investiert wie früher. Die Jugend werde zu sehr verwöhnt und erfahre im Elternhaus zu selten Konsequenzen für die fehlende Disziplin. Das schlage sich dann auch in der Schule oder im Sport nieder. „Viele Jugendliche glauben, dass sie sich solch ein Verhalten überall erlauben können“, sagt Warnck.

Der Schiedsrichterobmann meint, einen Unterschied beim Respekt und Verhalten zu erkennen – der abhängig von der Spielklasse und der Mannschaft ist. Gerade im Jugendbereich gebe es bei Vereinen in größeren Städten mehr Probleme als bei kleineren Dorfvereinen. Wo jeder jeden kenne, sei die soziale Kontrolle besser, ist Warncks persönliche Wahrnehmung. Zudem gebe es im untersten Amateurbereich mehr Probleme als in höherklassigen Ligen. „In der Landesliga oder Bayernliga wird mehr Leistung und Disziplin verlangt. Wer nicht mitzieht, ist weg vom Fenster“, sagt Warnck.

Gerade als Trainer sollte man immer mit gutem Beispiel vorangehen und gewisse Dinge vorleben – dazu gehört laut Vollmann auch Ehrlichkeit auf dem Platz: „In meiner Mannschaft werden auch keine Schwalben oder andere Unsportlichkeiten geduldet. Wer sich so etwas erlaubt, hat bei mir ganz schlechte Karten.“

Der Deutsche Fußball-Bund zeichnet in Anerkennung des Fair Play zusammen mit seinen Landesverbänden faire Gesten wie die von Vollmann mit der Fair Play-Urkunde aus. Der freut sich über die kleine Aufmerksamkeit und verknüpft mit seinem Verhalten eine Hoffnung: „Vielleicht rege ich ja mit meiner Aktion zu mehr Fair Play an.“

Ein besonders faires Verhalten eines Spielers hat Warnck selbst noch nie erlebt. „Es müssen gar keine spielentscheidenden Szenen sein. Ich würde mich schon freuen, wenn ein Spieler von sich aus sagt, dass er noch am Ball war und es Einwurf für den Gegner geben muss“, sagt er. Die einzige Möglichkeit für die Unparteiischen sei es, den betreffenden Spieler zu fragen. Dabei gibt es laut Warnck aber ein Problem: Der Wahrheitsgehalt der Antwort hängt stark vom Spielstand ab.

Und wie hätte Vollmann bei einem knappen Spielstand reagiert? Er überlegt kurz, sagt dann aber entschieden: „Das ist natürlich die alles entscheidende Frage. Ich bin sehr für Fair Play, deswegen hätte ich es auf jeden Fall zugegeben.“

Aufrufe: 08.11.2017, 18:07 Uhr
Schwabmünchner Zeitung / Michael LindnerAutor