2024-04-25T14:35:39.956Z

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Vom Meister- zum Aufstiegslöwen? Jan Mauersberger mit Freundin Janina bei der spontanen Feier in Ohne Daniel Bierofka wäre diese Mannschaft nicht so zustande gekommen. Pipinsried. sampics / Stefan Matzke / Stefan Matzke
Vom Meister- zum Aufstiegslöwen? Jan Mauersberger mit Freundin Janina bei der spontanen Feier in Ohne Daniel Bierofka wäre diese Mannschaft nicht so zustande gekommen. Pipinsried. sampics / Stefan Matzke / Stefan Matzke

Mauersberger im Interview: „Die Fans dürsten nach Erfolg – wir auch“

Löwe über Saison, Relegation und Saarbrücken

Jan Mauersberger spricht im Interview über die Relegation mit dem TSV 1860, die verrückte Regionalliga-Saison und dem „Endgegner“ 1. FC Saarbrücken.

München – Jan Mauersberger ist nicht nur einer der erfahrensten Spieler im Kader des TSV 1860: 32 Jahre alt, bewährt in höheren Ligen – und bei 1860 auch schon als Retter in Erscheinung getreten (Siegtor gegen Paderborn am vorletzten Spieltag der Saison 2015/16). Der gebürtige Münchner blickt auch gerne über den Tellerrand hinaus, nicht nur im Rahmen seines Studiums (Medien und Kommunikation), auch bei Facebook, wo er nachdenkliche Worte fand für den Nervenkitzel namens Relegation – „ein Konstrukt, das geschaffen wurde, um in einer immer langweiligeren 1. Bundesliga noch mal einen künstlichen Höhepunkt vermarkten zu können“. Dass auch die Meister der fünf Regionalligen in Playoff-Duelle gezwungen werden, finden alle Löwen ungerecht. Gespielt werden müssen sie trotzdem. Wir sprachen vor dem ersten K.o.-Duell beim 1. FC Saarbrücken (Donnerstag, 17.30 Uhr, wir berichten Live-Ticker) mit dem Abwehrhünen der Löwen.

-Jan Mauersberger, wieder geht eine Löwen-Saison in die Verlängerung, wieder steht eine Relegation an, diesmal um den Aufstieg in die 3. Liga. Ist die Grundstimmung da positiver, weil man für etwas kämpft und es nicht so ins Existenzielle geht?

Jan Mauersberger: Die Stimmung ist gut. Wir haben eine sehr gute Saison gespielt, mit der nicht zu rechnen war, wenn man an den Scherbenhaufen denkt, den wir nach dem Doppelabstieg erst mal zusammenkehren mussten. Ich denke, wir haben es mit tollen Auftritten geschafft, die Stimmung wieder ins Positive zu drehen, sind mehr als verdient Meister geworden – und können der Saison jetzt noch das i-Tüpfelchen verpassen.

-Sie waren ja einer der ersten gestandenen Profis, der sich nach dem Jahrhundertabsturz zum Bleiben durchgerungen hat. Im Nachhinein der richtige Schritt?

Mauersberger: Absolut. Was ich mir für diese Saison erhofft hatte, ist zu 100 Prozent aufgegangen. Es wäre schön, wenn wir uns mit dem Aufstieg belohnen könnten – gerade für die jungen Spieler würde es mich freuen. Ich finde, die haben es super gemacht, sich auch vom medialen Druck nicht unterkriegen lassen. Zu Beginn waren ja einige Auftritte dabei, wo wir extrem locker aufgespielt haben, mit fast schwereloser Leichtigkeit. Das war wirklich sensationell.

-Sie sagten damals im Interview: „Hier kann wieder etwas entstehen.“ War das Wunschdenken oder innere Überzeugung?

Mauersberger: Letzteres. Von dem Denken rücke ich auch nicht ab. Wie gesagt: Wir haben uns super präsentiert, auch auswärts. Ich denke, wir sind als sympathische, bodenständige Mannschaft rübergekommen. Klar: Die Erfolge haben geholfen. Aber die Demut, die wir an den Tag gelegt haben, steht Sechzig gut. Wir haben positive Schlagzeilen geschrieben und Werbung für den Verein gemacht.

„Chapeau an alle, die uns unterstützt haben“

-Im Sommer-Camp in Obertraun war noch nicht mal klar, ob die Insolvenz vermieden werden kann, neue Spieler trainierten mit, ohne gültige Verträge zu haben. Woher rührte damals Ihr Optimismus?

Mauersberger: Die Strahlkraft von Sechzig war auch damals zu spüren. An die glaube ich ganz fest – egal, was die nächsten zehn Jahre passiert. Der Verein lag am Boden, daher sage ich: Chapeau an alle, die uns unterstützt haben.

-Zweite und dritte Liga kannten Sie, auch die damalige Regionalliga Süd. Nicht gekannt hatten Sie die Regionalliga Bayern. Ihr Fazit nach dieser intensiven Saison?

Mauersberger: Es war schön, spannend, auch spaßig. Viele Plätze hatte ich noch nie gesehen. Pipinsried zum Beispiel, das Paradebeispiel für die Kraftakte, die kleine Vereine stemmen mussten, wenn wir, die Löwen, zu Gast waren. Schalding-Heining war auch so ein Auswärtsspiel mit Volksfestcharakter. Es hat sehr, sehr viel Spaß gemacht, aber so viel auch wieder nicht, dass ich das nächste Saison noch mal brauche.

-Ihre persönlichen Highlights?

Mauersberger: Die ersten beiden Spiele gehören definitiv dazu – sowohl Memmingen (4:1) als auch das Heimspiel gegen Burghausen (3:1), wo wir zur Pause 0:1 hinten lagen. Ein weiteres Highlight war für mich natürlich das Siegtor gegen Buchbach in der 94. Minute. Weil das auch zu einer Phase kam, wo die Sticheleien von der anderen Straßenseite losgegangen waren und im Umfeld die Stimmung schon fast gekippt wäre. Buchbach war der Anfang einer Serie von vier Heimsiegen – danach war dann wieder Ruhe.

„Ohne Daniel Bierofka wäre diese Mannschaft nicht so zustande gekommen“

-Wie groß ist der Anteil des Trainers, dass 1860 praktisch vom Start weg oben dabei war?

Mauersberger: Über Biero brauchen wir nicht zu reden. Ohne Daniel Bierofka wäre diese Mannschaft nicht so zustande gekommen. Viele Spieler sind wegen ihm gekommen – oder geblieben. Es ist ihm nicht hoch genug anzurechnen, was er in einer schwierigen Phase geleistet hat.

-Der Trainer schwärmt immer wieder vom besonderen Geist in dieser Mannschaft. Habe er in dieser Form noch nie erlebt, sagt er. Ist das auch für Sie ein wohltuender Kontrast nach dem Abstiegsdesaster einer teuren Söldnertruppe?

Mauersberger: Das war schon lustig: Spieler wie Sascha Mölders und ich waren letztes Jahr Bestandteile der eigentlichen Löwen – und fanden uns plötzlich in einer ganz anderen Mannschaft wieder, die gewachsen war, jünger, demütiger. Viele der Jungs kennen sich seit der U11. Für uns war das sehr erfrischend, in diese intakte Mannschaft reinzukommen. Die hatten einfach nur Bock zu kicken. Sieht man ja auch daran, dass wir kein einziges Spiel wegen Überheblichkeit verloren haben. Liegt sicher auch an der Liga. Viele der Jungs hatten ja noch keine Berührungspunkte mit dem – in Anführungszeichen – „Drecksgeschäft Profifußball“. Demzufolge hat es einfach nur Spaß gemacht.

-Ein Pfund im Hinblick auf die Relegation?

Mauersberger: Ich hoffe es. Es lief in dieser Hinsicht jedenfalls sehr, sehr richtig in dieser Saison.

„Unterschätzen werden wir Saarbrücken sicherlich nicht“

-Der Optimismus im Umfeld ist ja nicht besonders groß. Saarbrücken wird als sehr stark wahrgenommen, selbst Bierofka spricht davon, dass man den Gegner auf Sechzig-Niveau runterziehen muss. Tiefstapelei? Oder fühlen auch Sie sich als krasser Außenseiter?

Mauersberger: Ich muss zugeben, dass wir uns erst diese Woche richtig mit Saarbrücken beschäftigt haben. Was man bisher gehört hat: Die haben zwei sehr gute Stürmer, den einen oder anderen Namen kennt man ja auch noch aus höheren Ligen. Also unterschätzen werden wir sie sicherlich nicht.

-Ihr früherer Kollege Fanol Perdedaj tönt jedenfalls, dass Saarbrücken brutale Qualität habe – auf allen Positionen . . .

Mauersberger: Wir haben jetzt zwei Duelle, und da werden wir ja sehen, wer welches Niveau hat. Ein Vorteil ist sicherlich, dass wir diesmal nicht als Favoriten gelten. Danke an dieser Stelle auch an alle Medien, dass uns keiner diesmal in diese Rolle reingeschrieben hat (lacht). Und wenn Saarbrücken mit solchen Aussagen die Favoritenrolle haben will, dann können sie die gerne haben.

-Worauf wird’s aus Ihrer Sicht ankommen?

Mauersberger: Du musst an beiden Tagen voll auf der Höhe sein, auch mental. Und natürlich müssen alle 11, 14 oder 18 Spieler auf den Punkt ihre Leistung abrufen.

-Anders als im letzten Derby. Oder war das 1:3 vielleicht der berühmte Schuss vor den Bug?

Mauersberger: Das ist ja schon so lange her . . . Aber klar: Wir haben gegen einen extrem spielstarken, körperlich robusten Gegner verloren, völlig zurecht. Es wäre schön, wenn wir uns irgendwann an dieses Spiel erinnern und sagen: „Ja, das war die letzte Warnung, aber gegen Saarbrücken haben wir dann gewonnen!“

„Die Auswärtstorregelung ist schon tückisch“

-Ist es ein Vorteil, dass das Rückspiel zu Hause ist, in der Giesinger Festung?

Mauersberger: Ob der Heimvorteil im Rückspiel ein Vorteil ist, kann man erst hinterher sagen. Unsere Fans sind natürlich Wahnsinn, die werden uns pushen wie in allen Heimspielen. Aber: Die Auswärtstorregelung ist schon tückisch. Wir konzentrieren uns jetzt erst mal auf das Auswärtsspiel, wo wir uns eine gute Ausgangslage erkämpfen wollen.

-Die spontane Meisterfeier in Pipinsried, als Fans den Rasen fluteten, ist schon jetzt legendär. Ahnen Sie, was im Aufstiegsfall los sein könnte?

Mauersberger: In Pipinsried hast du gesehen, wie sehr die Fans nach Erfolgen dürsten. Hätte ich in dieser Form nicht erwartet. Ich denke, es war ein schöner Vorgeschmack. Was am Sonntag nach dem Rückspiel passieren könnte, steht in den Sternen, aber die Fans haben, glaube ich, richtig Bock zu feiern – und wir auch.

Das Gespräch führte Uli Kellner.

Aufrufe: 023.5.2018, 13:55 Uhr
Münchner Merkur / tz / Uli KellnerAutor