2024-05-02T16:12:49.858Z

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Die Stimmung im Grünwalder Stadion ist besser als bei manchen Bundesliga-Spielen. F: Leifer
Die Stimmung im Grünwalder Stadion ist besser als bei manchen Bundesliga-Spielen. F: Leifer

Kolumne zu den Löwen: Muss es immer unbedingt 1. Liga sein?

Hype um den TSV 1860

Obwohl der TSV 1860 München "nur" in der Regionalliga spielt, mobilisiert der Klub die Massen mehr denn je. Reinhard Hübner macht sich in seiner Merkur-Kolumne Gedanken über den Hype um die Blauen.

Wenn man sieht, was da seit letzten Sommer abgeht in Giesing, und nicht nur da, auch auswärts in Buchbach, Seligenporten oder Schalding-Heining, dann fragt man sich schon, ob es überhaupt erstrebenswert ist, unbedingt in den höchstmöglichen Fußballklassen zu spielen. Die einst ziemlich ruhmreichen Münchner Löwen jedenfalls haben jetzt in einem knappen halben Jahr schon viermal öfter gewonnen als in der gesamten letzten Spielzeit, der Fan ist berauscht, kommt kaum heraus aus dem Feiern und tut das sogar, wenn die Burschen hin und wieder verlieren, wie zuletzt in Burghausen. Überall, wo die runderneuerten Löwen auftreten, herrscht Ausnahmezustand, in Rosenheim stellen sie nur für das Gastspiel eine mächtige Zusatztribüne auf, nicht mal die wird reichen.

Verwundern kann ein derartiger Hype um einen Verein, der im Sommer gleich zwei Spielklassen nach unten gerauscht ist, nur den, der keine Ahnung hat vom Fußball und erst recht keine von wahrer Liebe. Blau bleiben ist kein Motto, sondern Manifest, egal, ob die Sechziger, wie in den Achtzigern, in der Bayernliga kicken, in der Bundesliga oder eben jetzt in der Regionalliga. Völlig egal, wer sich in München und Umgebung nicht als roter Erfolgsfan langweilen will, ist blau, in guten wie in schlechten Zeiten, einmal Löwe, immer Löwe, bis in den Tod, mindestens.

Recht viel gute Zeiten hat es zuletzt nicht mehr gegeben für Sechzig, im (finanziellen) Würgegriff seines jordanischen Milliardärs, der, etwas konträr zur sportlichen Entwicklung, von der Champions League schwadronierte und schließlich tatenlos zusah, wie der Verein bis in die Regionalliga abstürzte. Wo die Gegner nun Pipinsried, Unterföhring und Eichstätt heißen. Die aber immerhin den Vorteil haben, dass sie etwas leichter zu schlagen sind als zuvor ein VfB Stuttgart oder Hannover.

Die neue Liga hat aus dem sportlichen Underdog einen Seriensieger gemacht, nicht allzu überraschend, vergleicht man die doch recht unterschiedlichen Möglichkeiten der meisten Konkurrenten. Muss der Löwen-Fan aber nicht tun, er darf sich freuen, soll feiern, er hat das verdient nach den zuletzt wieder richtig harten Jahren. Und wenn nun die Stimmung an der Grünwalder Straße so super ist wie seit den glorreichen Bundesligazeiten nicht mehr, könnte man fast die Frage aufwerfen, warum man nicht schon längst eine tiefere Liga gesucht hat, in der man wieder gewinnt. Mit eigenen jungen Spielern, die sich mit dem Verein identifizieren, die mächtig stolz den Löwen auf der Brust tragen und sich zerreißen für den Klub. Eine Mannschaft, die einfach Spaß macht, dazu ein Trainer, der bayerisch spricht.

Das alles klingt so toll, dass man nur zu gerne etwa dem HSV empfehlen möchte, doch endlich mal wirklich abzusteigen und unten seine leidgeprüften Fans wieder mit Siegen zu verwöhnen. Muss es denn immer die höchstmögliche Spielklasse sein? Und muss sich ein Verein nach einem grandiosen, vom Aufstieg gekrönten Jahr eine Liga höher zur Schießbude machen (so das Geld für Verstärkungen fehlt)? Nicht aufsteigen aber ist auch keine Lösung, zumindest keine, die auf Dauer zufriedenstellt, fragt nach in Pullach. Immer höher, immer weiter, das gehört zu den Prinzipien des Sports. Wer sich dem Wettkampf stellt, will ganz nach vorne, sich mit immer Besseren messen. Und gewinnen, die Tabelle anführen. Wie jetzt die Löwen.

Die aber können nur bedingt Vorbild sein für andere Klubs, die ihren treuen Anhang mit chronischer Erfolglosigkeit quälen. Wer einen doppelten Abstieg als Chance begreift, nun einen Sieg über Unterföhring feiert wie einst die Deutsche Meisterschaft, der muss schon ein ganz besonderer Fan sein. Ein Sechzger halt.

Aufrufe: 018.11.2017, 15:32 Uhr
Reinhard Hübner - Münchner MerkurAutor