2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Mohamad Awata (li.) und Christian Köppel sind beim TSV 1860 Freunde geworden. Sampics
Mohamad Awata (li.) und Christian Köppel sind beim TSV 1860 Freunde geworden. Sampics

Köppel über Spezl Awata: „Er lebt Fußball wie kein anderer“

Löwen-Verteidiger spricht über tiefe Freundschaft

Enge Freundschaften sind im Profisport eine Seltenheit. Christian Köppel und Ex-Löwe Mohamad Awata sind trotzdem dicke Kumpels. Im Interview spricht Linksverteidiger Köppel über die enge Verbindung zu Awata.

Mohamad Awata kam als Flüchtling aus Syrien und fand eine sportliche Heimat beim TSV 1860. Nach einer Odyssee über die sogenannte Balkanroute landete der 25-Jährige schließlich in München. Vor wenigen Wochen schilderte der Stürmer bei Fussball Vorort ausgiebig seine dramatische Flucht und sprach über seinen Traum vom Profi-Fußball. Inzwischen hat er einen neuen Verein gefunden und geht in Jordanien auf Torejagd.

Bei den Löwen fand der sympatische Kicker schnell Anschluss, auch dank Christian Köppel. Die beiden jungen Burschen verbindet auch nach dem Abgang des Syrers eine innige Freundschaft. Seit Mohamads erstem Tag bei den Löwen stand ihm Christian auch in schwierigen Momenten zur Seite. Obwohl sich die sportlichen Wege der beiden getrennt haben, bleibt die Freundschaft erhalten. Im großen Interview spricht Köppel über seinen Kumpel Mohamad.

Welches Gefühl überwiegt bei dir? Die Freude, dass dein Freund Mohamad einen neuen Vertrag hat oder die Tatsache, dass ihr euch nicht mehr seht?

Gute Frage, da gibt’s natürlich ein lachendes und ein weinendes Auge. Auf der einen Seite bin ich traurig, vor allem der Abschied war schwierig. Auf der anderen Seite freue ich mich riesig, dass so ein gewagter Schritt geklappt hat. Ich hatte ehrlich gesagt richtig Bedenken im Vornherein, ob alles so klappt, wie er sich das vorstellt. Ich bin glücklich, dass er was Gutes gefunden hat. Auch mit der Zuversicht, dass wir uns auf jeden Fall wiedersehen.

Du warst die erste Bezugsperson für Mohamad im Verein und Freund von der ersten Stunde an. Kannst du dich noch an eure erste Begegnung erinnern?

Er war bei uns damals im Probetraining. Er konnte kaum Deutsch und kaum Englisch. Ich habe ihn aber trotzdem versucht zu fragen, wer er ist und woher er kommt, weil er zufällig in der Kabine neben mir saß. Wir haben uns erst mit Händen und Füßen verständigt. Ich habe ihm aufgrund der Sprachbarriere geholfen, zum Beispiel wenn der Trainer eine Übung erklärt hat. Anscheinend habe ich einen positiven Eindruck auf ihn hinterlassen, weshalb er sich auch am zweiten Tag an mich gewendet hat. Ich habe schon am Anfang gemerkt, was für ein herzensnetter und lernwilliger Mensch er ist.

„Wir haben es als Pflicht angesehen, Mohamad aufzunehmen“

Was hat dich bei Mohamad am meisten beeindruckt?

Mich hat einerseits seine Lernwilligkeit beeindruckt und wie er die Situation angenommen hat. Und auf der anderen Seite, dass er den Fußball wie kein anderer lebt. Der rennt um sein Leben, das ist noch mehr als Leidenschaft. Für ihn ist Fußball die Lebensaufgabe und Mohamad hat einen eisernen Willen. Trotz den vielen schlimmen Erlebnissen in seiner Vergangenheit bleibt er positiv und schaut nach vorne. Er ist nicht sauer auf das Leben und versucht das Beste daraus zu machen. Das hat mich sehr inspiriert, ich schätze das an ihm.

Hat Mohamads Geschichte auch innerhalb der Mannschaft etwas ausgelöst?

Als wir erfahren haben, was er mitgemacht hat und wie er damit umgeht, hat jeder zum Grübeln angefangen. Jedem wurde bewusst, was wir – ohne etwas zu tun – in Deutschland für Umstände haben. Das hat in jedem eine gewisse Dankbarkeit hervorgerufen. Wir haben es fast schon als Pflicht angesehen, Mohamad aufzunehmen. Denn er hat es verdient, seine Chance zu kriegen. Er war auch innerhalb der Mannschaft gut integriert und wurde nicht anders behandelt, sondern eingebunden.

Es gab einige bürokratischen Hürden, die der TSV 1860 für Mohamads Spielgenehmigung nehmen musste. Denkst du, dass der Verein mit der Geste eine Art Vorreiter ist?

Ich denke schon. Es war ein gutes Zeichen für den deutschen Fußball, dass das möglich ist. Das ist lange kein Einzelfall mehr. Es gibt einige Vereine, die Flüchtlinge tatkräftig unterstützen. Vor allem, wie der Trainer (Daniel Bierofka, Anm.d.Red.) ihn aufgenommen hat, war entscheidend. Er meinte: „Mir ist egal, wo du herkommst. Wenn du gut Fußball spielst und dich an die Regeln hältst, bist du einer von uns.“ Wir als Mannschaft haben ihn auch gut aufgenommen.

Du selbst bist sehr gläubig. Inwiefern hat deine christliche Überzeugung dazu beigetragen, dass du Mohamad anfangs unter die Arme gegriffen hast?

Für mich ist es egal, ob er Moslem oder Christ ist, ob er aus Syrien oder Amerika kommt. Die Botschaft, die ich leben will, ist Nächstenliebe, also jeden zu respektieren, jedem eine Chance zu geben und loyal zu sein. Und Mohamad hat das gleiche gelebt. Er war so lieb und offen zu mir. Er hat sich Ratschläge nicht nur zu Herzen genommen, sondern sich mehrmals bedankt. Wir hatten dadurch eine zwischenmenschliche Bindung, haben uns viel über Gott und Glauben unterhalten. Diese Liebe ist das Fundament unserer Freundschaft. Ich bin sehr dankbar, dass wir uns kennengelernt haben.

"Ich komme manchmal kurz vor knapp, er hat die deutsche Pünktlichkeit verinnerlicht"

Was konntet ihr voneinander lernen?

Ich bin ein neugieriger Mensch und will immer viel von der Welt sehen und viel erleben. Die arabische Kultur finde ich sehr interessant, ich war auch schon zweimal in Ägypten. Das inspiriert mich sehr, deshalb wollte ich ein bisschen in dieses Leben eintauchen und erfahren, wie dort gesprochen wird und wie Freundschaften gelebt werden. Das Essen gehört da natürlich dazu. Vor Kutaibas Kochkünsten ziehe ich den Hut, er kocht tolle traditionelle einheimische Gerichte aus Syrien. Ich habe es immer genossen, wenn ich eingeladen wurde. Im Gegenzug habe ich dafür versucht, Mohamad die deutsche Lebensweise zu zeigen und zu vermitteln, auf was es bei uns ankommt. Vor allem Werte wie Disziplin und Außendarstellung als Sportler sind hier sehr wichtig. Ich denke, er war über einige Tipps auch erfreut.

Ist Mohamad auch ein Stück weit deutsch geworden?

Auf jeden Fall. Wenn man einen Termin mit Mohamad macht, ist er zehn Minuten davor da. Ich komme manchmal kurz vor knapp, aber er hat die deutsche Pünktlichkeit verinnerlicht. Er schaut auch deutsches Fernsehen. Auch die Offenheit gehört dazu. Wenn ich Mohamad und Kutaiba etwas vorgeschlagen habe, wurde oft zugestimmt, auch wenn sie nicht genau wussten, was auf sie zukommt. Sie haben die deutsche Lebensweise ein Stück weit in ihren Alltag mit aufgenommen.

Hat dich an den Gewohnheiten auch etwas irritiert?

Ich kann mich nicht an Ereignisse erinnern, die ich richtig komisch fand. Aber klar, er lebt manche Lebensbereiche ein bisschen anders aus. Zum Beispiel wird mehr mit den Händen gegessen. Auch die Interessen sind nicht immer dieselben. Aber ich wüsste nichts, was sehr außergewöhnlich wäre.

Eure Freundschaft in drei Worten?

Zusammenhalt – da wir trotzdem noch im engen Kontakt zueinander stehen, obwohl sich unsere Wege getrennt haben. Wir wollen, dass es dem anderen gut geht und informieren uns ständig.

Nächstenliebe – weil wir beide von der Freundschaft profitieren und wir ihm mit unserer Art zu leben viel mitgeben konnten. Natürlich gilt das auch andersrum.

Emotionen – was ich mit ihm erlebt habe und was er alles erzählt hat, hat mich sehr berührt. Ich erinnere mich noch an das erste Trainingslager in Obertraun. Da wurde ein Doppelinterview mit mir und Mohamad geführt. Er erzählte seine Geschichte aus seiner Perspektive und mir und einigen Reportern kamen die Tränen. Unsere Freundschaft ist sehr emotional.


Aufrufe: 019.9.2018, 14:07 Uhr
Antonio RietherAutor