2024-05-02T16:12:49.858Z

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Stille Freude: Der wiedergewählte Robert Reisinger inmitten des Stimmkarten-Meeres. sampics
Stille Freude: Der wiedergewählte Robert Reisinger inmitten des Stimmkarten-Meeres. sampics

Klarer Heimsieg für Reisinger

Mitglieder stützen Emanzipationskurs

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1860-Basis stimmt für den alten und neuen Präsidenten. Kritiker Schummer flüchtet aus der Halle.

München – Ein Torschrei im Grünwalder Stadion ist nichts dagegen. Der Jubel, der von Teilen der 1860-Fans ausging, dürfte gestern in der Münchner Zenith-Halle Höchstwerte auf der Dezibelskala erreicht haben. Kaum hatte Versammlungsleiter Daniel Bauer gegen 16.10 Uhr angesetzt, um das Ergebnis der Präsidentenwahl zu verkünden („1 . . .“), da wurde er von der johlenden Menge übertönt. Mit 1057 Stimmen bei nur 542 Gegenstimmen wurde Robert Reisinger für die nächsten drei Jahre im Amt bestätigt. Der Umsturz, angestrebt nicht nur von Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik, fiel mal wieder aus. „Präsi, Präsi!“ schallte es aus allen Ecken der Halle. Und: „Reisinger, Reisinger!“ Auch seine Vizepräsidenten Heinz Schmidt und Hans Sitzberger durften sich über breite Zustimmung freuen.

Diese hatte sich früh abgezeichnet. Es war 13.35 Uhr, ein Ende der Versammlung noch lange nicht in Sicht, da durfte Reisinger innerlich bereits einen Haken unter Top 11, den Tagesordnungspunkt „Wahlen“, machen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Veranstaltung im Zenith friedlich verlaufen: Immer noch trudelten Fans mit 1860-Trikots ein: Spätaufsteher, Sonnenanbeter oder Kirchgänger. Mitglieder, die wussten, dass sich die wesentlichen Punkte quälend lange hinziehen würden (ein Erfahrungswert). Wie eindeutig die Kräfteverhältnisse im Saal waren – mehr Reisinger-Befürworter oder mehr Opponenten? – das war jedoch schwer einzuschätzen. Bis ein gewisser Thomas Schummer ans Mikrofon trat.

Der 70 Jahre alte Arzt aus Mainburg hatte bereits im Vorfeld Stimmung gegen Reisinger gemacht – mittels eines Rundbriefs auf eigene Rechnung (4000 Euro). Jetzt, links hinten in der Halle stehend, erneuerte der altgediente Löwe seine Kritikpunkte – gipfelnd in der Aussage: „Sie sind kein Brückenbauer, Sie sind ein Spalter!“ Die erste geharnischte Attacke des Tages – die eine ebenso heftige Gegenreaktion provozierte: Buhrufe, Gejohle, Stinkefinger. Es kam zur Rudelbildung, zwei Ordner stellten sich neben den Redner, der sein Entsetzen noch unterdrückte. Langsam, ganz langsam, setzte sich die aufgebrachte Masse wieder. Schummer durfte noch kurz verbal nachlegen („Ihre Pyromanen genießen Welpenschutz!“), doch jeder im Saal wusste nun: Reisinger konnte sich wie in den Vorjahren auf seine Unterstützer verlassen. Die Gegenseite dagegen – Fans, die Schummers Sehnsucht nach Profifußball teilen und zu diesem Zweck auch Ismaik-Kredite akzeptieren würden – die musste früh einsehen, mal wieder nicht genügend Gleichgesinnte mobilisiert zu haben.

Indirekt Wahlkampfhilfe hatte zuvor Karl-Christian Bay geleistet, der einzige von Ismaik geschätzte e.V.-Funktionär. In Abwesenheit der Geschäftsführer Michael Scharold und Günther Gorenzel erläuterte der Aufsichtsrat vom Bodensee, warum auch der Präsident in seinem Bericht die KGaA als „Problemkind“ des TSV 1860 bezeichnet hatte. „Die Bilanzstruktur ist zusammenfassend schrecklich“, sagte Bay und führte aus: 22 Millionen Euro negatives Eigenkapital, davon 17,5 Mio. Darlehen bei Ismaik, die der Mehrheitsgesellschafter immerhin pünktlich zum Ende des Geschäftsjahres, das auf den Tag der Versammlung fiel, stundete. Bedeutet für den Profikader: Das Budget wird von 3,0 Mio. Euro in der kommenden Saison auf 2,4 Millionen (Spielzeit 2020/21) heruntergefahren. Zum Vergleich: Im Regionalliga-Aufstiegsjahr hatten die Löwen 2,2 Millionen zur Verfügung. 5 Millionen Euro (inkl. Trainerstab), sicher planbar in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, sind nach Einschätzung von Gorenzel nötig, um Aufstiegsvisionen zu rechtfertigen. „Wir brauchen dringend Möglichkeiten der Kapitalzufuhr“, folgerte Bay. Pläne zum Einstieg eines dritten Gesellschafters wurden erörtert, ohne darüber abstimmen zu lassen, als viele Reisinger-Gegner die Halle schon verlassen hatten.

Zu ihnen zählte auch Dr. Thomas Schummer, der via Whatsapp noch Erschütterndes berichtete. „Meine Bodyguards – ja, solche braucht man leider mittlerweile – haben mich heimgebracht“, schrieb er: „Sie sagten, die Eskalation sei nicht zu beherrschen. Ich will am 3. August heiraten. Sanka vor dem Standesamt muss auch nicht sein.“ Immerhin: Er gratulierte Reisinger sportlich fair zur Wiederwahl. „Jetzt braucht keiner aus der schweigenden Mehrheit mehr jammern“, schrieb er den nicht gekommenen Gegnern des aktuellen Kurses ins Stammbuch: „Es geht weiter. Wenigstens hat Ismaik das Insolvenzgespenst verjagt.“ Er selber werde trotz seiner Negativerfahrung Mitglied bleiben: „Das mag für den einen oder anderen Pöbler eine schlechte Nachricht sein.“

Aufrufe: 030.6.2019, 21:20 Uhr
Münchner Merkur / Uli KellnerAutor