Pipinsried – Nach dem Schlusspfiff brachen alle Dämme. Zu tausenden stürmten die Fans des TSV 1860 München an diesem denkwürdigen Tag im Mai 2018 nach dem Schlusspfiff von der Naturtribüne auf der Nordseite der Pipinsrieder NAT-Arena aufs Spielfeld, um dort gemeinsam mit ihren Lieblingen den Gewinn des Meistertitels in der Regionalliga zu feiern. Doch als Sieger durften sich auch die Pipinsrieder Spieler, Fans und Offiziellen freuen, sie hatten das „Spiel des Lebens“ zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.
Die einen nannten den Erdhügel in Anlehnung an ein riesiges Rock-Event im Norden der Republik liebevoll „unser Wacken“, die anderen, vor allem jene, die dem Team aus der Landeshauptstadt zugetan sind, sprechen vom „Löwenhügel“ – egal, das Experiment, die sonst mit diversem Saatgut bestückte Nordseite des Pipinsrieder Stadions für ein Spiel in eine Naturtribüne umzuwandeln, war ein Volltreffer.
Noch zwei Stunden vor dem Anpfiff glich das Sportgelände des FC Pipinsried dem, was es eigentlich ist, ein Fußballplatz eines Dorfvereines, doch als der Schiedsrichter das Match zwischen dem FC Pipinsried und dem TSV 1860 München anpfiff, war das saftige Grün des Naturhangs einem satten Löwen-Blau gewichen.
Unter dem gut ausgelasteten Bierausschank und den akkurat aufgestellten 32 Dixi-Klo- Häuschen stimmten die Zuschauer, vornehmlich jene der Löwen-Fraktion, ihre Fangesänge an, und auf dem Spielfeld versuchten die Kicker beider Teams, sich vom ungewohnten Anblick nicht irritieren zu lassen.
Schon zu diesem frühen Zeitpunkt, man wusste ja noch nicht, ob die Löwen den zum Titelgewinn noch benötigten Punkt am Ende tatsächlich auch einfahren würden, hatte die Atmosphäre Festivalcharakter, die Stimmung war erwartungsfroh, aber immer friedlich. Was wunder, schließlich haben die Fans ja schon vor dem Hinspiel im Herbst 2017 mit einigen gemeinsamen Bierchen ihre Freundschaft besiegelt. Bevor es losging gab’s noch freundlichen Applaus für einen Traktorfahrer, der hatte die für den Auftritt der Anheizerband „Shout“ improvisiert installierte Konzertbühne mit seinem robusten Gefährt aus dem Blickfeld der Zuschauer gebracht und korrigierte das dann.
Das Geschehen auf dem Spielfeld konnte angesichts der vielen Kuriositäten abseits der Rasens zunächst nicht so ganz mithalten. Die streckenweise fahrig agierenden Löwen kamen nicht so recht zu Potte, erst als die Kunde vom frühen Führungstreffer des Löwen-Jägers FC Bayern München II in Illertissen bis zur 1860-Trainerbank vorgedrungen war, brachten die Gäste etwas mehr Substanz in ihre Offensivaktionen.
Der Knoten platzte aus Münchner Sicht in der 24. Minute, als Daniel Wein die TSV-Kicker mit einem kompromisslosen Distanzschuss in Führung brachte. Nun wurde es auch auf der Naturtribüne erstmals so richtig laut, das Motto lautete: „Sechzig, fertig machen zum feiern!“ Sekunden vor dem Pausenpfiff stellten die Münchner die Weichen endgültig auf Auswärtssieg, Nico Karger sorgte mit seinem 14. Saisontreffer für das vorentscheidende 2:0. Vorausgegangen war dem Treffer ein abgewehrter Eckball der nie aufgebenden Pipinsrieder. Die Löwen starteten einen Blitzkonter und kamen so noch vor dem Seitenwechsel zum zweiten Treffer.
Die Höhepunkte des zweiten Durchgangs sind schnell erzählt: 64. Minute: Lattenkracher von Sascha Mölders; 77. Minute. Einwechslung der Löwen-Legende Timo Gebhart; 89. Minute: das 3:0 durch Sascha Mölders, sein 19. Saisontor.
Der Rest war: feiern, feiern, feiern – und zwar in beiden Lagern. Die Hausherren freuten sich über den sensationellen Klassenerhalt, die Gäste über den Meistertitel. Passend zur Gesamtatmosphäre bewiesen auch die angesichts der Bedeutung der Partie zahlreich anwesenden Ordnungskräfte der Polizei Fingerspitzengefühl, sie ließen die auf das Spielfeld strömenden Löwen-Fans in Ruhe, zogen sich dezent zurück und verfolgten aus sicherer Entfernung das bunte Treiben auf dem Pipinsrieder Rasen, der einem solchen Belastungstest noch nie ausgesetzt war...
Stenogramm
FC Pipinsried - TSV 1860 München 0:3 (0:2)
FC Pipinsried: Thomas Reichlmayr, Thomas Berger, Denny Herzig, Arbnor Segashi, Philip Grahammer, Kasim Rabihic, Christoph Burkhard, Andreas Schuster, Markus Achatz (79. Dennis Liebsch), Manuel Müller (89. Maximilian Ettner), Atdhedon Lushi (64. Ünal Tosun)
TSV 1860 München: Marco Hiller, Eric Weeger, Jan Mauersberger, Sascha Mölders, Christian Köppel (76. Timo Gebhart), Benjamin Kindsvater, Daniel Wein, Nico Karger (63. Kodjovi Koussou), Aaron Berzel, Michael Görlitz (63. Simon Seferings), Phillipp Steinhart
Schiedsrichter: Johannes Huber
Zuschauer: 7000
Tore: 0:1 (23.) – Daniel Wein trifft aus 18 Metern. 0:2 (45.+1)- Nico Karger schließt einen Konter nach einem abgewehrten Pipinrieder Eckball trocken ab. 0:3 (88.) – Sascha Mölders macht alles klar.
Text: Bruno Haelke