2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
1860-Cheftrainer Michael Köllner (mi.) nahm sich eine ganze Stunde Zeit, um mit Dieter Rebel (re.) und FuPa-Redakteur Mathias Willmerdinger (li.) über verschiedenste Themen zu plaudern.
1860-Cheftrainer Michael Köllner (mi.) nahm sich eine ganze Stunde Zeit, um mit Dieter Rebel (re.) und FuPa-Redakteur Mathias Willmerdinger (li.) über verschiedenste Themen zu plaudern. – Foto: Privat

»Den nächsten Schritt machen? Ich hasse diese Formulierung«

Das große Interview mit Michael Köllner - Teil 2: Buchautor, die Kehrseite des Profizirkus' und verpasste Grundschul-Klassentreffen

Gute Laune beim TSV 1860. Der Saisonstart ist Löwen-Dompteur Michael Köllner und seiner Mannschaft gelungen. Im zweiten Teil unseres großen Interviews mit dem 50-jährigen Cheftrainer erklärt der Oberpfälzer, warum er mit der Floskel "den nächsten Schritt machen" so gar nichts anfangen kann, warum er unter die Autoren gegangen ist, weshalb ein Job im Profifußball gar nicht so toll ist, und warum ein Grundschul-Klassentreffen wegen ihm partout nicht zustande kommen mag.

Große Vergangenheit, schwierige Gegenwart: Bevor Sie zu Sechzig gekommen sind, waren Sie beim 1. FC Nürnberg aktiv. Rein von der Strahlkraft her gesehen, geht - zumindest in Bayern - nicht recht viel mehr. Sehen wir Michael Köllner eines Tages wieder in der Bundesliga?
Michael Köllner (50): Ja klar ist das irgendwo das große Ziel; natürlich möchte auch ich maximalen Erfolg haben. Aber für mich ist das eigentlich der falsche Ansatz. Ich hatte noch nie den großen Karriereplan. Wohl auch deshalb bin ich mehr als 12 Jahre beim DFB geblieben. Erfolg bemisst sich für mich nicht in Punkten oder Spielklassen. Mir geht es vielmehr um den Sinn in der jeweiligen Aufgabe. Ich war in Nürnberg auch als Nachwuchschef glücklich. Ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass ich unbedingt in die erste Liga muss, damit die Zeit besonders wertvoll ist. Wichtig für mich ist, dass ich meine Spieler, ja vielleicht sogar punktuell den ganzen Verein weiterentwickeln kann. Hätte ich die große Karriere im Visier gehabt, hätte ich nach vier, fünf Jahren beim DFB den Absprung gewagt bzw. zum damaligen Zeitpunkt wagen müssen. Um die blöde Formulierung zu bemühen, um den nächsten Schritt zu machen.

Sie sind also kein Freund dieser intensiv bemühten Floskel?
Ich hasse diese Formulierung. Wenn zu mir ein Spieler kommt und sagt, er möchte den nächsten Schritt machen, da könnte ich wahnsinnig werden. Was ist denn der nächste Schritt? Für mich sind immer die wichtigsten Fragen: Wo fühle ich mich wohl? Wo werde ich nachhaltig besser? Für mich hat sich die Zeit in Nürnberg super angefühlt, und jetzt bei Sechzig fühlt es sich genauso toll an.

Was haben Sechzig und der 1. FCN gemeinsam?

Wo liegen die Gemeinsamkeiten der beiden Traditionsklubs?
Ich tue mich immer schwer, Klubs zu vergleichen. Das wird dem einen, aber auch dem anderen Verein nicht gerecht. Eines kann man aber schon herausstellen: In der Region haben die Vereine eine ganz große Bedeutung. Das erlebe ich hier in München, aber auch ganz egal wo wir hinfahren - nach Niederbayern, nach Oberbayern, nach Schwaben rüber. Sechzig hat einfach Gewicht! Das ist in Nürnberg nicht anders. Im Frankenland, im Altmühltal oder in der benachbarten Oberpfalz ist der Club eine Marke. Viele Menschen haben den Verein im Herzen. Für mich ist es das Schönste, wenn nach Spielen Leute zu mir kommen, sich freuen und stolz auf den Verein sind. Deswegen trainiere ich so gerne bei Vereinen wie Sechzig oder dem Club, weil du einfach so viele Leute erreichst.

Michael Köllner (li.) mit dem ehemaligen Trainer des FC Bayern II, Sebastian Hoeneß.
Michael Köllner (li.) mit dem ehemaligen Trainer des FC Bayern II, Sebastian Hoeneß. – Foto: Sampics

Sie sprechen es an: Die Löwen wie der Club bewegen ungemein viele Menschen, dementsprechend hoch ist das mediale Interesse. Lust oder Last für Sie?
Ich formuliere es mal so: Wenn sich kein Mensch für den Verein interessieren würde, das wäre auch nichts. Wenn keiner wissen würde, dass ich Trainer bin und keiner wissen möchte, warum wir gewonnen oder verloren haben, dann würde ich mir selbst die Frage stellen: Was machst du eigentlich hier? Klar, solche Vereine sind eine Herausforderung. In München ist es vielleicht noch ein wenig krasser. Es gehen schon einige Stunden in der Woche für die Medienarbeit drauf. Aber das ist Teil des Geschäfts. Genauso wie ich mir beispielsweise Aufwärmübungen fürs Training überlege, bereite ich mich auch auf mediale Themen vor.

Aktiv als Autor: Michael Köllner hat schon drei Bücher auf den Markt gebracht.

Neben dem Fußballtrainer treten Sie auch als Autor in Erscheinung. Mittlerweile ist das dritte Buch von Ihnen auf dem Markt. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Das war eher zufällig. Damals, als ich noch Auswahltrainer in Ostbayern war, haben wir mal in der Nähe von Regensburg trainiert. Der Inhaber eines kleinen Verlags kam auf mich zu und meinte, man müsse das Ganze doch in einem Buch festhalten. Die Struktur dieser Fußballmannschaft, die Art und Weise wie sie spielt, systematisches Training, um dies zu entwickeln, spezielle Inhalte für eine Entwicklung von Mannschaften, Methodik - solche Sachen. Das war das erste Buch. Das Zweite, "Dein Weg zum Fußballprofi", ist ein Ratgeber für Spieler und deren Eltern geworden, weil immer viele Menschen auf mich zugekommen sind und Fragen zu vielen unterschiedliche Facetten des Fußballs hatten. Da dachte ich mir, das könnte man doch auch in einem Buch zusammenfassen. Das dritte Buch, "Führen, coachen & managen im Fußball" befasst sich mit dem Thema, an was ein Vereinstrainer und grundsätzlich ein Verantwortlicher in einem Verein alles denken muss. Ein Handbuch für alle Mitarbeiter in einem Fußballclub, wenn man so will.

Ein willkommener Ausgleich neben dem hektischen Profizirkus?
Unter willkommenem Ausgleich stelle ich mir eigentlich etwas anderes vor. (lacht) In erster Linie ist das für mich selbst. Ich reflektiere gerne meine Themen, vor allem wenn ich mit einer Station abgeschlossen habe. Aber auch Winter- oder Sommerpausen nutze ich gerne, um bewusst mal ein, zwei Wochen zu sinnieren: Was habe ich eigentlich das letzte halbe Jahr so gemacht? Da nehme ich mir dann auch jede einzelne Trainingseinheit vor und wühle mich so richtig durch den Laptop. Ich würde behaupten, das betreibe ich fast schon exzessiv. Es hilft mir dabei, auch eigene Fehler zu erkennen, meine Schlüsse daraus zu ziehen und Dinge zu optimieren.

Zeiten ändern sich: Kabinenplakate gibt`s für die Spieler auf WhatsApp.

Welche zum Beispiel?
Ich habe immer gerne Plakate in der Kabine ausgehängt. Das kriegen jetzt meine Spieler schon immer einen Tag im Voraus via WhatsApp. Weil die Spieler gesagt haben, es wäre schön, wenn sie schon am Vortag wüssten, was sie am nächsten Tag in der Trainingseinheit erwartet und sie sich dementsprechend schon darauf vorbereiten könnten. Das ist jetzt nur eine Kleinigkeit. Aber ein gutes Beispiel dafür, dass wir Dinge fortlaufend entwickeln. Heißt im Umkehrschluss aber auch: Viele Sachen, die in den Büchern stehen, mache ich mittlerweile schon wieder anders. (lacht)

Nach der Trainerkarriere werden wird es aber wohl nicht den erfolgreichen Krimiautor Michael Köllner geben?
Ganz ausschließen möchte ich das nicht. (lacht) Ich bin im Krimi-Schreiben nicht so gut. (schmunzelt) Aber es wird schon noch das eine oder andere Buch von mir geben. Mich interessieren viele Sachen. Ein Buch über Führungsverhalten, was jetzt an sich mit Sport nicht viel zu tun hat, könnte ich mir zum Beispiel sehr gut vorstellen. Mentale Arbeit und mentale Entwicklung von Spielern finde ich auch sehr, sehr interessant. Jedes Buch, das ich geschrieben habe, hat mich weitergebracht, mich weiterentwickelt. Von daher muss ich wohl noch einige Bücher schreiben, um selbst besser zu werden. (lacht)

Die Kehrseite der Medaille: Kaum Zeit für Heimatbesuche.

Der Oberpfälzer an sich gilt als sehr geerdet und heimatverbunden. Trifft man Sie ab und zu sonntags beim Heimatverein in Fuchsmühl an?
Nein, eigentlich nicht. Ich bin vielleicht alle drei Monate mal zuhause. Viele meinen ja immer, Profifußball sei so toll. Da sagen dann die Leute: Wow, der Köllner, der hat`s schön, der hat ein super Leben! Ich kann jedem sagen: Man sieht von außen nur einen kleinen Ausschnitt unseres Alltags. Egal was du erlebst oder feierst, du kannst es nicht oder maximal nur sehr, sehr kurz genießen. Nach einem erfolgreichen Auswärtsspiel sitze ich mit meinen Co-Trainer im Bus und analysiere das Spiel. Dann hast du genau einen freien Tag. An dem bist du aber dann damit beschäftigt, die Trainingswoche zu planen. Ich brauche drei bis vier Stunden, um ein normales Training vorzubereiten. Du hast als Trainer extreme Verantwortung und musst immer 100 Prozent da sein, das geht auch körperlich an die Substanz. Wenn wir Mist bauen, verlieren Leute hier im Verein vielleicht ihren Job. Aber trotzdem: Ich bin wahnsinnig gerne Trainer.

Macht auch ein Privatleben nicht immer einfach. Bis zum letzten Spieltag der Saison - geplant am 22. Mai 2021 - werden Sie nicht viel Freizeit haben, zumal es dieses Jahr keine Winterpause geben wir.
Die SG Fuchsmühl möchte mich seit längerer Zeit zum Ehrenmitglied machen. Ich habe aber noch nicht einmal Zeit gehabt, dafür einen Termin zu finden. Ich bin letztes Jahr 50 geworden und meine Grundschulklasse wollte endlich einmal ein Klassentreffen organisieren. Ich glaube, es lag immer ausschließlich an mir, dass wir keinen Termin gefunden haben. (lacht) Weil einfach nur die nächsten sechs, sieben Spieltage vorterminiert werden. Ich weiß es ganz einfach nicht, ob und wann ich zum Beispiel im Dezember mal Zeit haben werde.

Auf dem Präsentierteller: Michael Köllner steht als Löwen-Trainer im Zentrum des medialen Interesses.
Auf dem Präsentierteller: Michael Köllner steht als Löwen-Trainer im Zentrum des medialen Interesses. – Foto: Sven Leifer

Co-Trainer Günter Brandl kommt ebenfalls aus der Oberpfalz. Wie ist die Verbindung zustande gekommen?
Ich kenne den Günter jetzt genau seit 20 Jahren. Wir sind dann zwei Jahre später eher zufällig in den gleichen Fußballlehrer-Lehrgang reingerutscht. Günter musste das machen, weil er damals ja den SSV Jahn in der 2. Liga trainiert hat und die Ausbildung brauchte bzw. vorgeschrieben war. Der DFB hat mir zu der Zeit nahe gelegt, dass es schon günstig wäre, wenn ich mich auch mal für den Lehrgang anmelden und die höchste Lizenz erwerben würde. (lacht) Und so haben wir eine Fahrgemeinschaft nach Köln gebildet. Er kam von Regensburg hoch, ich von Fuchsmühl rüber und ab Hersbruck sind wir dann gemeinsam gefahren. Wir haben später dann in der DFB-Talentförderung in Ostbayern zusammengearbeitet und viele bayerische Auswahlmannschaften zusammen gecoacht. Und so ist eine tiefe Freundschaft entstanden. Hier bei Sechzig hat es sich nun angeboten, dass ich noch zusätzlich einen Co-Trainer mitbringe - und das ist ganz gut so.

Vertragsverlängerung, Sehnsucht nach den Fans, ein neuer Konkurrent ist in der Stadt - hier geht`s zum ersten Teil des Interviews!

Das Interview führte Mathias Willmerdinger.

Aufrufe: 08.10.2020, 15:30 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor