2024-04-25T14:35:39.956Z

Relegation

„Das war so nicht geplant“: So erklärt der BR-Kommentator im Interview seine Eskalation bei 1860

Kommentierte er wirklich im Löwen-Trikot?

Einen ungewöhnlich emotionalen Kommentator erlebten die BR-Zuschauer beim 1860-Relegationsspiel. Was war da los? Und hatte er wirklich ein Löwen-Trikot an? Das Interview.

München/Saarbrücken - Wer ist das denn? Und was ist mit dem denn los? Das fragte sich mancher Fan des TSV 1860, der am Donnerstag das Relegationsspiel der Löwen im BR-Fernsehen gesehen hat. Denn der Kommentator eskalierte völlig, brachte etwa nach dem Mölders-3:2 den Satz „Ein Blitzschlag ist sanfte Akupunktur dagegen“. Zudem meinte der TV-Mann nach Abpfiff, er müsse nun erst mal sein Trikot wechseln.

Die erste der beiden obigen Fragen ist schnell geklärt: Am Mikro saß Andre Siems (42), seit Jahren Radiohörern als BR-Sportreporter bekannt. Normalerweise neigt er eher nicht zu unkontrollierten Gefühlsausbrüchen, kommentiert zwar oft emotional, dreht aber nie am Rad. Das war am Donnerstag anders. Um daher die zweite Frage zu klären, haben wir am Freitagmittag mit ihm telefoniert.

Herr Siems, haben Sie sich seit gestern schon wieder beruhigt?

Andre Siems: Ja, wobei ich sagen muss, dass ich seit drei Stunden versuche, alles zu beantworten, was ich auf Facebook, Twitter oder an Mails bekommen habe. Ich hätte nicht gedacht, dass mein Kommentar gestern so ein Echo erzeugt. Ich glaube, ich habe sehr stark polarisiert.

Man kennt Sie als BR-Radiomann, der öfter vom FC Bayern berichtet. Warum waren Sie gestern so anders?

Siems: Ich habe es für mich nicht als so anders wahrgenommen. Wir sind inzwischen eine trimediale Redaktion, da schlüpft jeder auch mal ins andere Medium - ich bin seitdem auch fürs Fernsehen und für Online tätig. Mein Chef hat mich gefragt, ob ich Lust habe, das Hinspiel zu kommentieren. Es war meine zweite Löwen-Partie seit der Zusammenlegung. Da habe ich nicht lange nachgedacht, das ist eine Ehre. Ich habe gleich ja gesagt. Dass so etwas dabei rauskommt, egal wie man es findet, das war ehrlich gesagt so nicht geplant.

Inwiefern?

Siems: Das Spiel ist ganz anders gelaufen, als ich es erwartet hatte oder als ich es im Kopf durchgegangen bin. Da sind dann ein paar Sprüche rausgeplatzt, die im Vorhinein nicht gedacht waren.

War das alles spontan, auch „Ein Blitzschlag ist sanfte Akupunktur dagegen“ beim Mölders-Tor?

Siems: Das war tatsächlich spontan. Ich bin keiner, der sich irgendwas aufschreibt. Irgendwas spukt im Kopf rum, und dann lässt man‘s raus. Wie ich heute gesehen habe, gibt es zu dem Bud-Spencer-Spruch (er bezeichnete Sascha Mölders als „Bud Spencer der Löwen“, d. Red.) in Löwen-Foren schon Montagen. Bud Spencer mit dem Mölders-Kopf drauf. Das ist natürlich schön, darüber freut man sich. Vieles war wirklich ein bisschen wie im Tunnel. Im Vorfeld hörte man eher von Außenseiterchancen für die Löwen. Und dann fallen fünf Tore, und es gibt diese Rote Karte ...

Hand aufs Herz, Sie sind aber schon ein Blauer, oder?

Siems: Nein, ich bin nicht rein blau. Emotionen gehören zum Spiel dazu. Das pflegen wir beim Bayerischen Rundfunk und freuen uns über die Quote gestern. Es war uns wichtig, dass die Leute das annehmen. Wenn der Saarländische Rundfunk anbietet und es dort aus Saarbrücken-Sicht kommentiert wird, dann ist es klar, dass ich es aus Löwen-Sicht kommentiere. Es war uns wichtig, dass die Zuschauer sich in der Übertragung mitgenommen fühlen und ihren Verein gut repräsentiert sehen. Aber ich bin kein Fanreporter und möchte auch nicht so verstanden werden. Einige Emotionen sind vielleicht etwas zu hoch geschlagen. Aber das ist auch ein bisschen meine Art, auch im Radio.

Wie war denn das überwiegende Feedback?

Siems: Die Zuschriften waren überwiegend positiv, es waren auch negative Reaktionen dabei. Jeder bekommt eine persönliche Antwort, außer ich werde ganz unfair persönlich beleidigt, was nur zweimal der Fall war. Ich nehme natürlich auch alles wahr. Bei der Roten Karte bin ich vielleicht etwas rumgeeiert und habe zunächst gemeint, dass man auch eine Gelbe hätte geben können. Das war eine klare Rote Karte. Ansonsten gilt: Als Kommentator des Bayerischen Rundfunks ist man eher auf Seite des bayerischen Vereins. Ohne es nur aus der Brille zu sehen.

Kommentierte Andre Siems wirklich im 1860-Trikot?

Sie haben nach Abpfiff sinngemäß gesagt, dass Sie erst einmal Ihr durchgeschwitztes Trikot wechseln müssen. Haben Sie wirklich in 1860-Kluft kommentiert?

Siems: Nein. Da gab es ein technisches Problem: Ich hatte plötzlich zwei Tonspuren, auch mit dem SR-Kommentator, das hat mich sehr irritiert, dazu gab es noch ein Echo. Wir Männer sind nicht besonders multitaskingfähig. Deswegen habe ich aus Versehen statt „Ich muss erst mal mein T-Shirt wechseln“ gesagt, dass ich mein Trikot wechseln müsse. Das war natürlich Schmarrn. Ich saß hundertprozentig, und das schwöre ich, nicht im Löwen-Trikot auf der Bank. Es war ein normales buntes T-Shirt. Es war ein bisschen grün drin, das ist richtig. Aber da wusste ich auch noch nicht, dass die Löwen in grünen Trikots spielen.

Würden Sie im Nachhinein etwas anders machen?

Siems: Ich würde das Spiel mehr analysieren, das habe ich gestern zu wenig getan. Ich würde mich bei der Roten Karte gleich festlegen, dass es eine ist. Aber was die Emotionen und den Torschrei zum 3:2 angeht, da würde ich nichts anders machen. Was mich von einem Fanreporter unterscheidet, ist, dass ich nicht von „wir“ und „uns“ gesprochen habe. Aber ich habe es aus Sicht des TSV 1860 München kommentiert. Ich würde die Emotionalität nicht anders machen. Das bin ich halt als Reporter.

Dürfen Sie beim Rückspiel am Sonntag auch wieder ran?

Siems: Ja, ich werde aber nicht der Fernsehreporter sein. Sondern ich gehe zurück in mein normales Metier, wo ich schon viele Jahre beim Bayerischen Rundfunk bin. Ich werde bei B5 aktuell in der zweiten Halbzeit und bei unserem digitalen Ereigniskanal B5 plus das komplette Spiel kommentieren, zusammen mit dem Kollegen Mike Küster. Da werde ich genauso emotional sein. Im Fernsehen haben wir einen ganz erfahrenen Mann, auf den alle Löwen-Fans sich sehr freuen dürfen, für mich persönlich unsere Nummer 1: Bernd Schmelzer wird das Spiel und vielleicht auch die Aufstiegsfeier kommentieren.

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Andre Siems in Aktion. Archivfoto: Facebook.
Aufrufe: 025.5.2018, 14:54 Uhr
Münchner Merkur / tz / Armin T. LinderAutor