2024-05-02T16:12:49.858Z

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Entschied sich für das Studium: Thanh Nam Do Le (Mitte) | Foto: Markus Schächtele
Entschied sich für das Studium: Thanh Nam Do Le (Mitte) | Foto: Markus Schächtele

Thanh Nam Do Le: Ein Leben als Lieferant

Der Vietnamese Thanh Nam Do Le spielte bei Dynamo Dresden und Stahl Riesa – heute ist er ein Fixpunkt im Mittelfeld des Landesligisten SV Weil

Thanh Nam Do Le wurde einst in der Kaderschmiede von Dynamo Dresden auf große Aufgaben getrimmt. Der Schritt ins Profitum blieb aber aus und der Vietnamese konzentrierte sich auf sein Studium. Mittlerweile hat er sich zum Mittelfeldfixpunkt beim SV Weil entwickelt. Und hilft im Restaurant der Eltern. Ein Ballkünstler, zwischen Fußballplatz und Mittagstisch.
Viel Zeit hat der Mann mit dem schönen rechten Schlenzer und dem ungewöhnlich langen Namen am Donnerstagnachmittag nicht. Die vollgepackten Tische im elterlichen Restaurants in Haltingen gestatten keine ausgiebige Mittagspause. Der Kicker des Landesligisten SV Weil pendelt drei- bis viermal die Woche zwischen Nonnenholz und Arbeit. In beiden Metiers gibt er den Zulieferer. Als zentraler Mittelfeld-Akteur des Tabellenfünften aus Weil bedient der 29-Jährige die Mitspieler mit butterweichen Pässen, und als Service-Kraft sorgt er für zufriedene und satte Gäste. Quasi ein Leben als Lieferant.

Eltern kommen in den 1980ern in die DDR

„Von nix kommt nix“, sagt der in Großröhrdorf aufgewachsene Vietnamese – eine zu Bautzen gehörende 6000-Seelen-Gemeinde. Noch zu DDR-Zeiten waren seine Eltern in den späten 1980ern aus Südostasien gekommen, um als Fabrikarbeiter ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die DDR hatte eine große vietnamesische Gemeinde, die Do Les sind bis heute in Deutschland geblieben.

Als sich der Sohn bei einem Testspiel seines Heimatvereins gegen Dynamo Dresden in der C-Jugend gut anstellte, klopfte der Traditionsclub an. Internatsplatz und Karriereplanung für den Steppke der Einwandererfamilie. „Meine Eltern wollten aber nicht, dass ich direkt ans Internat gehe“, erklärt er heute. Weil sie dem Sohn aber nicht die Karriere verbauen wollten, zog die Familie kurzerhand nach Dresden und Thanh Nam ging zu Dynamo – eine Legende im Osten. „Da war dann alles dabei“, berichtet der Mittelfeldakteur: Abstieg in die Regionalliga, Aufstieg in die Zweite Bundesliga: Mit den Jugendteams von Dynamo erlebte er ein ständiges Auf und Ab.

Do Le: "Sechsmal Training und Studium sind schwer zu vereinbaren."

Im Abiturjahr bot sich den Eltern aber die Gelegenheit, in Haltingen ein China-Restaurant zu übernehmen. Und der damals 19-Jährige blieb in Dresden. „Danach war dann die Frage, ob ich es in die erste oder zweite Mannschaft von Dynamo schaffe.“ Do Le entschied sich gegen den Fußball – für das Wirtschafts-Jura-Studium. „Sechsmal Training und Studium sind schwer zu vereinbaren“, sagt er.

Do Le wechselte in die Sachsenliga. Als sein erster Verein SV Bannewitz Insolvenz anmeldete, machte er sich auf die Suche. „Ich war angewiesen auf die Aufwandsentschädigung.“ Ein Kumpel und Spielerberater wurde fündig: Der in der DDR populäre Club Stahl Riesa wurde für sechs Jahre seine sportliche Heimstätte. Das mittlerweile geschlossene Ernst-Grube-Stadion ist bis heute legendär. Ebenso wie Stürmergröße Ulf Kirsten, der in Riesa das Kicken lernte. „Die Leute da sind immer noch extrem verrückt.“ Gut 600 Zuschauer im Schnitt besuchen heute die Heimspiele. Zur Spielervorstellung zum Saisonstart gesellten sich mehrere hundert Fans – undenkbar am Hochrhein.

Und dennoch hat es Do Le vor anderthalb Jahren nach Weil verschlagen. Anfangs half er im Restaurant aus und hielt sich im Nonnenholz fit für Riesa. Mit Studienabschluss zog es ihn aber komplett her, und seitdem schnürt er die Schuhe für das Bächle-Team. Im ersten Jahr entwickelte er sich zur Stammkraft. In der jüngsten Hinrunde tat er sich schwerer, eine Knöchelverstauchung ließ ihn vier Wochen pausieren. „Er ist ein echter Teamplayer mit vollem Einsatz“, sagt der sportliche Leiter Perseus Knab über Do Le, den er einen „Superkerl“ nennt.

Auch im Spiel gegen den Vorletzten Kirchzarten hofft Knab auf dessen versiertes Passspiel. Da die Weiler für die Sechs auch gute Optionen haben (Groß, Obradovic), hatte Do Le auch schon öfter das Nachsehen. Zum Rückrundenstart gegen Tiengen (1:1) stand er aber wieder in der Startelf. Zuvor sei das „eine neue Situation“ gewesen, gesteht der Rechtsfuß, versichert aber: „An meinem Einsatz und Engagement ändert das nichts.“ Apropos Einsatz: Die nächsten Tische wollen bedient werden, knurrende Mägen zur Mittagszeit warten ungern. Do Le muss dann mal. Von nix kommt schließlich nix.
Aufrufe: 015.3.2018, 20:00 Uhr
Jakob Schönhagen (BZ)Autor