2024-04-25T14:35:39.956Z

FuPa Portrait
Die Binde ist kein Zufall: Lukas Aigner ist beim SV Wacker Burghausen in kurzer Zeit zu einer absoluten Führungsfigur herangereift.
Die Binde ist kein Zufall: Lukas Aigner ist beim SV Wacker Burghausen in kurzer Zeit zu einer absoluten Führungsfigur herangereift. – Foto: Brumbauer

Lukas Aigner: Ein Umweg in die Provinz als Karrierekick?

Nach sechs Jahren beim TSV 1860 München kehrte der 23-jährige Oberbayer dem Verein seines Herzens den Rücken und heuerte 2018 bei Wacker an. Es könnte die beste Entscheidung seiner Karriere gewesen sein

Den Löwen trägt er immer noch im Herzen - auch wenn der Abschied schmerzte. Vergangenen Sommer kehrte Lukas Aigner nach sechs Jahren dem TSV 1860 München den Rücken, Der Durchbruch in der ersten Mannschaft der Sechziger blieb dem heute 23-Jährigen verwehrt und so lotete der sympathische Oberbayer aus Bruckmühl im Landkreis Rosenheim aus, wo seine Dienste mehr gefragt waren. Seine Entscheidung fiel auf den SV Wacker Burghausen. Es könnte die beste seiner bisherigen Laufbahn gewesen sein.

Fußballerisch mutet es zunächst wie ein Rückschritt an, von der Isarmetropole ins beschauliche Städtchen an der Salzach. "Es ist schon ein Unterschied wie Tag und Nacht", meint Aigner. Es fiel ihm nicht einfach, dem blauen Kosmos Lebewohl zu sagen: "Schon von klein auf bin ich ein Sechzger-Fan. Ich bin auch jetzt noch ab und zu im Stadion." Bei den Löwen war ständig Alarm an der Grünwalder Straße, in Burghausen ist das Ganze um mindestens zwei Nummern kleiner. Den Gang in die Provinz hat der kantige Defensivmann aber keineswegs bereut. Hier kann er sich auf das Wesentliche konzentrieren: Fußball spielen und seinen Bachelorabschluss in Psychologie an der Fernuni Hagen machen. Anschließend will er noch einen Master in Sportpsychologie draufpacken. Daher überrascht es wenig, wenn er sagt: "Mir gefällt es hier sehr gut."

Zudem hat ein weiterer wichtiger Aspekt den Ausschlag dafür gegeben, warum er andere, vielleicht lukrativere Angebote aus dem Bundesgebiet ausgeschlagen hat - "dahoam is dahoam": "Ich bin ein Familienmensch und heimatverbunden. Meine Familie lebt in Bruckmühl, nach Burghausen ist es nicht weit. Meine Eltern haben so die Möglichkeit, fast alle Heimspiele zu verfolgen. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Freundin und fahre oft nach Hause", gewährt Aigner, der sich in etwas ruhigeren Momenten auch gerne mal an der Gitarre versucht, bodenständige Einblicke in sein Privatleben.

Sie kennen sich aus gemenisamen Löwen-Zeiten: Lukas Aigner und Coach Wolfgang Schellenberg, das passt.

Auch der SV Wacker profitiert davon, dass der 23-Jährige beim Verein seines Herzens nicht auf die erhoffte Gegenliebe stieß. Aigner brauchte in Burghausen keine Anlaufzeit und schwang sich in kurzer Zeit zum Stammspieler, ja zu einem Leader auf, der vorneweg marschiert. Allerdings anders als zunächst geplant. Denn Coach Wolfgang Schellenberg erinnerte sich an gemeinsame Tage im Nachwuchs der Sechziger und beorderte den praktizierenden Innenverteidiger auf die Sechserposition. Als dynamischer und aggressiver Balleroberer hat er einen großen Anteil daran, dass Burghausen in der abgelaufenen Saison als Dritter über die Ziellinie ging. Auf der Position im defensiven Mittelfeld fühlt sich Aigner mittlerweile in seinem Element: "Ich war schon immer laufstark, von daher taugt mir die neue Rolle. Es macht super viel Spaß."

An seiner Torgefährlichkeit will er weiter feilen, die drei Treffer aus der Vorsaison will er in der anstehenden Runde verdoppeln. Mittlerweile ist er in der Mannschaftshierarchie fast ganz oben angekommen und übt den Posten des Vizekapitäns aus. Den Profitraum hat Lukas Aigner noch längst nicht aufgebeben. Legt er ein ähnlich starkes zweites Jahr in Burghausen hin, dürfte es an Angeboten aus dem höherklassigen Bereich nicht mangeln. "Da würde ich auf alle Fälle noch einmal gerne reinschnuppern. Und ich weiß, dass ich die Qualität dafür mitbringe", gibt sich Wackers Nummer vier selbstbewusst. Dass er dann eventuell aus seiner geliebten oberbayerischen Heimat weg müsste, das würde er in Kauf nehmen: "Bis man schaut, ist die Karriere um. Ich bin jetzt 23, wenn das richtige Angebot kommen würde, dann würde ich die Chance ergreifen."

Den Meister geschlagen am letzten Spieltag: Ein Sieg gegen den "Erzrivalen" ist für Lukas Aigner (li.) sichtlich etwas ganz Besonderes.
Den Meister geschlagen am letzten Spieltag: Ein Sieg gegen den "Erzrivalen" ist für Lukas Aigner (li.) sichtlich etwas ganz Besonderes. – Foto: Megapix


Warum es nicht wie erhofft bei den Löwen geklappt hat, dafür hat Lukas Aigner eine Erklärung: "Auf meiner Position waren zwei Spieler vor mir, die schon zweite Liga gespielt hatten. Und natürlich war der Druck nach dem Doppelabstieg riesengroß." Nur zweimal setzte ihn Coach Daniel Bierofka in der Meistermannschaft ein, zumeist musste er sich mit der Rolle als Kapitän der U21 in der Bayernliga zufrieden geben. Aber Aigner wollte mehr. Dass er mit Wolfgang Schellenberg in Burghausen auf seinen alten Mentor aus NLZ-Tagen an der Grünwalder Straße traf, war den starken Leistungen Aigners natürlich auch nicht ganz abträglich: "Ein schöner Zufall. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Wolfgang, er hat mich schließlich auch damals zu Sechzig geholt." Damit Burghausen erneut ganz oben mitmischen kann, hat der Chefcoach die Zügel noch einmal angezogen, wie Aigner berichtet: "Wir trainieren enorm fleißig und haben nochmals eine Schippe draufgelegt. Es ist härter als letztes Jahr."

Aigner zur Transferoffensive von Türkgücü: »Ich dachte, irgendwann hört das schon auf. Aber dann kam noch einer und noch einer und noch einer.«

Einen klaren Titelfavoriten hat Aigner noch nicht auserkoren, auch wenn er zugeben muss, dass auch er erst einmal schlucken musste ob der Transferoffensive von Türkgücü München: "Ich dachte, irgendwann hört das schon auf. Aber dann kam noch einer und noch einer und noch einer", schmunzelt der SVW-Skipper und schränkt gleichzeitig ein: "Von den Spielern her ist da schon große Qualität da, aber sie müssen sich erst als Team finden. Daneben sehe ich noch Schweinfurt und drei andere Teams, die die Qualität haben, um den Aufstieg zu spielen." Am Ende des Tages will auch Aigner mit dem SV Wacker in der Verlosung dabei sein, wenngleich die Vereinsführung noch kein offizielles Saisonziel publik gemacht hat. Inwieweit Burghausen nach der Reamateurisierung schon wieder bereit wäre für ein Abenteuer im Profifußball, muss sich ohnehin erst herausstellen. Sicher ist, für Lukas Aigner soll die Regionalliga noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Bei den Münchner Löwen landete er am Ende in einer Sackgasse. Der Umweg über Burghausen könnte ihn allerdings schnurstracks ans Ziel Profifußball bringen.


Aufrufe: 029.6.2019, 08:00 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor