2024-05-10T08:19:16.237Z

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Andreas Pummer hat mit dem SV Türkgücü-Ataspor den Bayernliga-Aufstieg gepackt. Anerkennung erhielt er dafür kaum. „Wenn ein Team Erfolg hat, kommen die Neider aus allen Ecken hervorgekrochen“, sagt Pummer.  Foto: Sven Leifer
Andreas Pummer hat mit dem SV Türkgücü-Ataspor den Bayernliga-Aufstieg gepackt. Anerkennung erhielt er dafür kaum. „Wenn ein Team Erfolg hat, kommen die Neider aus allen Ecken hervorgekrochen“, sagt Pummer.  Foto: Sven Leifer

„Fußball-H*ren“ - Andi Pummer wehrt sich gegen Neider

Beleidigungen gegen Aufsteiger Türkgücü-Ataspor München

Der SV Türkgücü-Ataspor München hat es gepackt: Nach dem Sieg gegen Freising feiert das Team von Trainer Andreas Pummer die Meisterschaft. Statt Anerkennung zu erhalten, wird die Mannschaft im Internet massiv beleidigt. Geldgeile Fußball-Huren ist noch eine der netteren Aussagen.

Für Andreas Pummer gibt es wichtigere Dinge im Leben als Fußball. Für ihn ist acht Uhr abends seine heilige Zeit. Dann bringt er seine Kinder ins Bett. Jeden Tag nach dem Aufstehen fragt ihn seine Tochter: „Papa, hast du heute Abend Training?“ Drei Mal die Woche kann der 35-Jährige ihr nicht „Gute Nacht“ sagen. Er nimmt es in Kauf, weil er Ziele hat. Er will mit seinem Hobby so erfolgreich wie möglich sein. Deshalb hat er vor der Saison die Trainerstelle beim SV Türkgücü-Ataspor angenommen.

Am vergangenen Wochenende feierte Andreas Pummer den zweiten großen Erfolg seiner jungen Trainerkarriere. Nach dem Regionalliga-Aufstieg mit dem FC Unterföhring im Vorjahr holte er mit dem SV Türkgücü-Ataspor den Landesliga-Titel. Für ihn war der 3:1-Sieg beim SC Eintracht Freising ein bewegender Moment. Von den 1.200 Zuschauern feierten viele Fans die Mannschaft. Doch auf Facebook brach Hass aus.

Massive Beleidigungen gegen Türkgücü-Ataspor

Unter dem Meisterfoto sammelten sich innerhalb von Sekunden Kommentare, die weit unter jede Gürtellinie gehen. „Söldnertruppe“ und „geldgeile Fußball-Huren“ waren noch die netteren Aussagen. Über 86 Aussagen mussten gelöscht werden. Die Mutter Irma Bornhauser wollte ihrem Sohn Marco unter dem Beitrag zur Meisterschaft gratulieren. Sie wurde massiv angegangen: „Wenn Sie Ihren Sohn richtig erzogen hätten, würde er nicht für diesen Verein spielen“, antwortete ihr ein Nutzer.

Der SV Türkgücü-Ataspor polarisiert seit Saisonbeginn. Manager Kadir Alkan hat einen Kader zusammengestellt, der selbst in der Regionalliga eine gute Rolle spielen würde. Alkan holte Ex-Profis wie Erdal Kilicaslan in die Landesliga. Ehemalige Regionalliga-Spieler wie Dennis Vatany oder Michael Kokocinski saßen oft auf der Bank. Trainer Andreas Pummer war zum Aufstieg verdammt. Er hat versucht in einer Truppe zusammengekaufter Amateurstars ein Feuer zu entfachen. Gleichzeitig stand der Kader mit jeder Aufstellung Woche für Woche vor der Zerreißprobe. Wie erklärt ein Trainer einem ehemaligen Regionalliga-Spieler, dass es für einen Startplatz in der Landesliga nicht reicht? Pummer hat Krisen gemeistert. Und nach einer Aufholjagd den SC Freising überholt.

Pummer: „Dann würde ich meine Freizeit auf dem Polizeirevier verbringen“

Doch statt Glückwünsche schicken ihm selbst seine Freunde die Hass-Kommentare aus dem Internet. Pummer kann und will die Aussagen vieler Leute nicht verstehen: „Klar trifft mich das. Keiner will so etwas über sich im Internet lesen. Aber wenn ein Team Erfolg hat, kommen die Neider aus allen Ecken hervorgekrochen.“

Pummer hat einen Weg gefunden, mit der Situation umzugehen. Er liest nichts mehr, was über seine Mannschaft geschrieben wird. „Aber alles geht auch nicht an mir vorbei. Es ist traurig, dass es solche Menschen gibt. Wenn ich jeden Kommentar zur Anzeige bringen würde, würde ich meine Familie nicht mehr sehen. Dann würde ich meine Freizeit auf dem Polizeirevier verbringen.“ Pummers linkes Auge beginnt zu zucken, als er Kommentare zum ersten Mal hört, die unter dem Meisterbild gelöscht werden mussten. Er schweigt und denkt nach. „Als Trainer bin ich ein Vorbild. Deshalb möchte ich dazu öffentlich nichts sagen. Auch wenn es in mir oft anders aussieht.“

Unterföhring konnte Pummer keine Perspektive bieten

Für Pummer machen es sich viele Funktionäre, Spieler und Fans zu einfach, wenn sie sagen: Mit dieser Truppe kann jeder Trainer aufsteigen. Er wusste, wie viel er zu verlieren hatte, als er den Job annahm: „Der Aufstieg war für mich eine Mammutaufgabe.“

Nach einem Knorpelschaden setzte sich Andi Pummer bereits im besten Fußball-Alter auf die Bank. Neben Trainergrößen wie Dirk Teschke (heute Co-Trainer der U17 des FC Bayern) oder Walter Werner. Immer wieder sprang Co-Trainer Pummer als Feuerwehrmann ein. Bis er schließlich die Chance auf den Cheftrainer-Posten beim FC Unterföhring bekam. Er formte aus dem FCU eine Mannschaft, die in der Bayernliga vorne mitspielte. Doch als es zu Beginn der Saison 16/17 um sportliche Ziele ging, teilte ihm der Verein mit, dass es in Unterföhring niemals Regionalliga-Fußball geben wird. „Das war keine Perspektive für mich. Wenn ich Meister werde, will ich auch aufsteigen“, sagt Pummer.

Braucht ein Amateurverein 22 Top-Spieler?

Am Ende kam alles anders. Der Verein stellte den Antrag und packte den Aufstieg. Pummer ging den Weg nach oben nicht mit. Er hatte bereits dem SV Türkgücü-Ataspor seine Zusage gegeben. Seitdem arbeitet er im Schlaraffenland des Amateurfußballs. Neben elf Spitzenspielern müssen elf weitere Hochkaräter zuschauen. Nach dem Aufstieg hat der Verein erneut sieben neue Spieler verpflichtet. Alle haben bereits in der Regionalliga gespielt. Braucht ein Amateurverein 22 Top-Spieler?

Andreas Pummer schweigt lange. Er hat darüber oft nachgedacht, wenn ihm andere vorgeworfen haben, dass sich sein Verein den Erfolg erkauft. „Es gibt nie genug gute Spieler in einer Mannschaft. Zum Titel hat jeder seinen Teil beigetragen.“ Dann erklärt der 35-Jährige, was ihm als Trainer wichtig ist: „Ich lege sehr viel Wert auf Disziplin. Bei mir herrscht das Leistungsprinzip. Die Besten spielen.“ Mit den Ersatzspielern setzt er sich zusammen. Im Einzelgespräch. Er erklärt jedem, warum er nicht spielt. „Wir haben den Titel nur geholt, weil ich von Anfang an mit jedem Spieler ehrlich umgegangen bin. Nur so habe ich aus Star-Spielern eine Mannschaft formen können.“ Anerkennung erwartet er für diese Leistung nicht.


Dieser Artikel erschien auf der Amateursport-Seite. Diese ist jeden Mittwoch Teil des Münchner Merkur. Autoren sind Christoph Seidl (christoph.seidl@merkur.de) und Reinhard Hübner (komsport@t-online.de).

Aufrufe: 016.5.2018, 12:31 Uhr
Münchner Merkur / Christoph SeidlAutor