2024-05-02T16:12:49.858Z

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Zwei-Meter-Schiedsrichterkompetenz: Julian Meckfessel pfeift mittlerweile in der Oberliga.
Zwei-Meter-Schiedsrichterkompetenz: Julian Meckfessel pfeift mittlerweile in der Oberliga. – Foto: Helmut Kemme

"Du siehst das mit deinen 2,50 Meter besser als ich"

Unsere Schiedsrichter, Teil 19: Julian Meckfessel von der TSG Burg Gretesch

Julian Meckfessel ist seit über zehn Jahren Schiedsrichter und pfeift mittlerweile in der Oberliga und der A-Jugend-Bundesliga. Im Interview erzählt er von dramatischen Abstiegsspielen, lustige Anekdoten mit dem jetzigen Hertha-Co-Trainer "Zecke" Neuendorf und lobt explizit einige Vereine und Trainer aus der Region für ihren vorbildlichen Umgang mit Schiedsrichtern.

Wie bist Du Schiedsrichter geworden?

Ganz klassisch - ich habe beim SV 28 Wissingen in der C-Jugend gespielt und mir fehlte die Regelkenntnis, um Schiedsrichterentscheidungen ganz nachvollziehen zu können. Also meldeten meine Eltern mich zum Anwärterlehrgang an und mit 14 war ich fortan als Schiedsrichter im Stadtkreis aktiv.

Was war das beste und größte Spiel, das Du bisher gepfiffen hast?

In meiner knapp zehnjährigen Schiedsrichtertätigkeit waren schon einige klasse Spiele dabei, das Spiel mit der höchsten Dramaturgie war vermutlich das Landesligaspiel zwischen Holthausen-Biene und dem TSV Oldenburg. Die beiden Mannschaften trafen am letzten Spieltag im Sommer 2018 aufeinander und mussten den letzten Abstiegsplatz unter sich ausmachen – bis zur 90. Minute führte der TSV aus Oldenburg, als dann Holthausen-Biene durch einen Doppelschlag in der Nachspielzeit das Spiel für sich entscheiden konnte. Das Spiel war schon sehr besonders, sowohl von den Anforderungen als auch vom Spielverlauf.

Auch im Jugendbereich durfte ich tolle Erfahrungen sammeln – als Assistent im Länderspiel zwischen der deutschen und niederländischen Junioren-Nationalmannschaft oder als Schiedsrichter des U17 – Revierderby zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund. Bei letzterem war das mediale Interesse riesig – der damals 14-jährige Moukoko erzielte zwei Tore.

Wie sieht für dich als Schiedsrichter das perfekte Spiel aus?

Das „perfekte Spiel“ gibt es für mich als Schiedsrichter so nicht. Aber um eine möglichst gute Spielleitung an den Tag zu legen, hilft mir ein Matchplan, d.h. wann nutze ich welche Sanktionsmöglichkeiten und wann ziehe ich die Zügel an, um das Spiel in einem sportlichen fairen Rahmen zu halten. Wenn dies gelingt, die spielentscheidenden Szenen richtig bewertet wurden und es dazu noch zu einer reflektierten Spielanalyse mit meinen Assistenten sowie Coaches führt, ist das Spiel vielleicht doch fast perfekt gewesen…

Was war das lustigste/kurioseste Ereignis, das Dir als Schiedsrichter passiert ist?

Aufgrund meiner Körpergröße habe ich schon die eine oder andere witzige Situation erleben dürfen. Im Gedächtnis geblieben ist mir eine Begegnung mit „Zecke Neuendorf“ – ich entschied nach einem Luftzweikampf direkt vor der Herthaner Trainerbank auf Foulspiel – zum Unmut von Neuendorf. Ich ging auf ihn zu und wollte kurz die Situation aus meiner Sicht schildern. Bevor ich die Chance dazu hatte, sagte Neuendorf „Alles Gut Schiri, Du mit deinen Zwei Meter Fünfzig konntest das besser erkennen als ich – Sorry“. Das war in der Situation absolut ehrlich gemeint und löste die Szene sofort auf - sowohl die Bank als auch ich mussten lachen und wir konnten das Spiel fortsetzen.

Meckfessel beim U17-Spiel zwischen dem FC St. Pauli und dem Hamburger SV
Meckfessel beim U17-Spiel zwischen dem FC St. Pauli und dem Hamburger SV – Foto: Jörg Strauwe

Was sind die drei besten Gründe für Dich, Schiedsrichter zu sein/zu werden?

Viele meiner Vorredner haben schon die tolle Osnabrücker Gemeinschaft herausgestellt. Auch die Persönlichkeitsentwicklung wird gerade als junger Mensch enorm gefördert: Ich musste bereits als 16-jähriger Spielern, die teilweise doppelt so alt waren wie ich, erklären, was sie in meinen Augen falsch gemacht haben – da lernt man in puncto Umgang mit Menschen, Durchsetzungsvermögen und Konfliktmanagement fürs Leben.

Ein weiterer Vorteil ist die gute Vereinbarkeit von der Schiedsrichtertätigkeit mit dem Privatleben: Wenn jemand wie Benny Kraus beispielsweise viel am Wochenende unterwegs ist, weil er selbst spielen und für die NOZ arbeitet, versuchen unsere Ansetzer dafür eine Lösung zu finden. Genauso wie für Max Wawer, der in Hannover studiert und deshalb nicht jedes Wochenende ein Spiel in Osnabrück leiten kann – wo hat man schon die Möglichkeit, so flexibel an Fußballspielen teilzunehmen?

Die Schiedsrichterei ist natürlich auch eine Möglichkeit, den Spitzenfußball hautnah mitzuerleben: Einerseits ermöglicht der Schiedsrichterausweis kostenfreien Eintritt zu allen DFB-Spielen, von der 3. Kreisklasse bis hin zur Bundesliga. So waren wir als Schiedsrichtergemeinschaft bereits bei Bundesligaspielen in Hannover, Kaiserslautern oder Bremen. Andererseits hat man auch die Möglichkeit in Spielklassen aktiv zu sein, in denen man sonst nicht unbedingt auf dem Rasen gestanden hätte – Markus Büsing hat beispielsweise mit über 30 Jahren den Sprung in die Dritte Liga geschafft und ob Frank Willenborg auch als Spieler in der Bundesliga aktiv gewesen wäre?

Lange Winterpause – worauf freuest du dich am meisten, wenn du wieder auf dem Platz stehst?

Im ersten Schritt freue ich mich wieder mit meinem Gespann unterwegs zu sein und im zweiten, wenn die Situation es zulässt, auch wieder Spiele mit Zuschauern leiten zu dürfen.

Einmal Meckern ist ok: Was nervt dich als Schiedsrichter auf oder neben dem Platz?

Viele meiner Schiedsrichterkollegen/innen haben den fehlenden Respekt sowie die mangelnde Unterstützung auf dem Platz zu Recht kritisiert. Mich stört darüber hinaus das zeitweise mangelnde Bewusstsein bei Zuschauern, Trainern, Vereinsverantwortlichen und Funktionären: So erwarte ich als Schiedsrichter, aber auch als Mitglied des Kreisschiedsrichterausschusses, das in Osnabrück gemeinsam eine „klare Kante“ gezeigt wird und wir fortan auch den absoluten Support unseres Kreisvorstandes mit all seinen Mitgliedern und Gremien haben.

Wie Erik Ropken vom VfR Voxtrup im Sommer sagte: „Eine saubere Kabine, ausreichend Getränke und ein bisschen Obst – ist das nicht das Mindeste, um den Schiedsrichtern zu symbolisieren, dass sie bei uns willkommen sind?“ Diese freundliche Art der Unterstützung von Vereinsoffiziellen, die Schiedsrichtern beispielsweise auch beim SC Melle durch Roland Twyrdy oder SV Rasensport von Frank Ulbricht widerfährt, vereinfacht uns Schiedsrichtern den Job und sorgt gleichzeitig dafür, dass wir mit noch mehr Spaß uns auf unsere Kernaufgabe konzentrieren können – Spiele leiten. Wenn sich dieses Denken bei allen Spielern und Trainer, aber auch Zuschauern und Offiziellen noch mehr verankern würde, wäre ein großer Schritt in Richtung sportliches Miteinander gemacht.

Wer ist dein persönliches Vorbild als Schiedsrichter?

Im Amateurbereich gibt es in Osnabrück viele Kollegen/innen, die Woche für Woche einen klasse Job leisten. Besonders schätze ich den Einsatz unserer Ü60 Fraktion, die auf und neben dem Spielfeld weiterhin einen wichtigen Beitrag für unsere Schiedsrichtergemeinschaft leisten. Aber auch über die kurzfristige Bereitschaft vieler Schiedsrichter/Innen, spontane Spiele zu übernehmen, bin ich sehr erfreut: Chico Goncalves, der samstagmorgens kurzfristig aushilft, Arben Arifaj, der bei Not am Mann auch das dritte Spiel am Wochenende leitet oder Uwe Haake, der auch sehr kurzfristig mal den Ausfall eines Kollegen kompensiert – um nur drei von vielen Schiedsrichtern und Schiedsrichterinnen zu nennen, die leidenschaftlich bei der Sache sind.

Im Profibereich hat mich die Laufbahn von Bibiana Steinhaus sehr beeindruckt. Wie sie sich in einer bis dato reinen Männerdomäne behauptet und den Weg für Schiedsrichterinnen bis in die Top-Ligen des europäischen Herrenfußballs geebnet hat, ist sehr bemerkenswert.

Früher war es noch fast unvorstellbar, dass Schiedsrichterinnen beispielsweise Champions-League Spiele der Herren leiten - Stéphanie Frappard hat Anfang Dezember bei Juventus Turin gezeigt, dass auch das möglich ist.

Aufrufe: 02.2.2021, 13:30 Uhr
Lennart AlbersAutor