2024-05-02T16:12:49.858Z

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„Wenn ich spiele, will ich etwas erreichen“: Die Gegner werden für Martin Frühholz (im weißen Trikot, hier in der Partie gegen Kinsau) immer jünger, der Ehrgeiz des 39-Jährigen ist aber ungebrochen groß.
„Wenn ich spiele, will ich etwas erreichen“: Die Gegner werden für Martin Frühholz (im weißen Trikot, hier in der Partie gegen Kinsau) immer jünger, der Ehrgeiz des 39-Jährigen ist aber ungebrochen groß. – Foto: Ralf Ruder

Fußball-Nostalgiker Frühholz: „Wenn man Vereinsmeier ist, hilft man“

Raisting-Legende kickt auch mit 39 Toren noch

Mit 39 Jahren und nach einem Kreuzbandriss beenden viele Amateurkicker wohl ihre Karriere. Nicht so Martin Frühholz, dafür lebt er den SV Raisting und den Fußball zu sehr.

Raisting – Vergleichen wir doch für einen Moment Martin Frühholz’ Knie mit einer Holzleiter, bei der eine Sprosse gebrochen ist. Damit jeder nachvollziehen kann, wie es sich nach einem Kreuzbandriss mit so einem Knie lebt. Natürlich kann man die Stufe austauschen, annageln, und die Leiter wieder verwenden. Ihr fehlt nichts, sie sieht aus wie früher. Aber niemand, darauf kann man ruhig wetten, wird mehr mit demselben Gottvertrauen hinaufsteigen und sich sicher fühlen.

Frühholz hat sich an das Sportlerleben nach dem Kreuzbandriss angepasst

Bei Martin Frühholz verhält sich das Knie folgendermaßen: Nach einem Spiel hat er nicht zwangsläufig Schmerzen, aber er spürt, dass sich dieses reparierte Gelenk nicht mehr bewegt wie ein neues. Wenn Trainer Roland Perchtold im Training Hürden aufbaut, springt der Mittelfeldspieler des SV Raisting II nicht drüber. „Tut mir nicht gut“, sagt er. Frühholz hat sich an das Sportlerleben nach dem Kreuzbandriss angepasst. Es ist ja schon außergewöhnlich, dass er überhaupt noch spielt. Martin Frühholz ist 39 Jahre alt.

Frühholz lässt sich immer wieder überreden - „Wenn man Vereinsmeier ist, hilft man“

Im vergangenen Frühjahr hat er gesagt: Im Sommer ist Schluss. Jetzt ist Herbst und Frühholz spielt immer noch. Die Saison kickt er auf alle Fälle zu Ende. Vermutlich werden danach wieder die Kollegen kommen und betteln. Wie sie es oft gemacht haben. Vor zwei Jahren zum ersten Mal. Personalnot in der Ersten, Personalnot in der Zweiten hieß es. Schon hatten sie Frühholz am Hörer. „Wenn man Vereinsmeier ist, hilft man“, sagt der Wessobrunner, der in Haid wohnt. Er lacht dann ganz laut über sich selbst und diesen Satz.

Frühholz erlebt die glorreichen Jahre des SV Raisting in der Landes- und Bezirksliga

Eigentlich war die große Karriere des Martin Frühholz mit 31 Jahren vorbei. In den Jahren zuvor, in den goldenen 2000-ern des SVR, hatte er die Kommandobrücke, das Mittelfeld, beaufsichtigt, in Landes- und Bezirksliga auch Tore in zweistelliger Höhe erzielt. 2012 gegen Gerolfing, an dieses Landesliga-Spiel erinnert er sich, endete die Laufbahn abrupt, als hätte jemand eine Fabrik über Nacht stillgelegt. Danach war nichts mehr wie früher. Das Knie heilte nur langsam, das Team löste sich auf. Irgendwann stellte Frühholz fest: „Alle waren weg. Das war nichts mehr.“ In diesem Moment beschloss er, aufzuhören.

Frühholz: Der Fußball hat sich geändert - „Früher hat es nur Fußball gegeben“

Diese legendäre Raistinger Mannschaft, die es bis in die Bayernliga geschafft hat, ist eine der letzten, die den Fußball gelebt hat. Das soll nicht unhöflich klingen, aber Martin Frühholz gehört einer aussterbenden Art an. Für ihn hat es nur den Fußball gegeben. Wenn er so rekurriert, merkt man erst, wie anders das jetzt alles ist. Immer ist er da gewesen. In jedem Training. Er hat sich keine Ausreden einfallen lassen, warum er keine Zeit hatte. Er hatte Zeit. Die Einstellung habe sich grundlegend geändert. Nicht mehr so zuverlässig sind die Kollegen. „Früher hat es nur Fußball gegeben“, so der 39-Jährige. Da spricht das Herz eines Fußball-Nostalgikers, der aber nicht missverstanden werden will. „Es macht Laune, mit den Jungen zu spielen“ – und fügt hinzu: „meistens“.

Frühholz: „Man muss sich etwas einfallen lassen, sonst sieht man kein Land“

Mit 39 Jahren hat sich seine Beziehung zum Fußball nicht gewandelt. Er sagt und denkt Sachen wie: „Wenn ich spiele, will ich etwas erreichen. Ich spiele nicht nur zu Gaudi.“ Dafür ist alles andere anders geworden. Die Liga: Kreisklasse, nicht schnell, nicht technisch. Der Körper: älter und gebrechlicher. Die Gegner: jünger, schneller. Sein Spiel: mehr mit Auge, mit Tricks. „Man muss sich etwas einfallen lassen, sonst sieht man kein Land.“ Seine Rolle: Trainer Roland Perchtold, der Roli, hat ihn als Co-Trainer auf dem Platz installiert. Er soll viel reden, und er redet viel, weil er immer viel geredet hat. Auf diese Weise möchte Frühholz den Jungen das Spielverständnis vermitteln, das ihn auszeichnet.

Frühholz: Bald wird er das letzte Mal „Nein“ sagen

Mit 39 denkt er an die Zeit nach dem Fußball. Vor zwei Jahren stand er acht, neun Mal pro Woche auf dem Platz, teilweise an drei verschiedenen Plätzen an einem Wochenende. Er trainierte die C-Jugend, lief für Reserve und die Alten Herren auf. Das war selbst ihm zu viel. Bald wird er das letzte Mal „Nein“ sagen. Und dann? Sieht man ihn vielleicht irgendwo als Assistent wieder, wenn die „richtigen Leute zusammen sind“. Einen Trainerposten dürfte er sich nicht anlachen. „Ist nicht so ganz mit meiner Einstellung kompatibel.“

Aufrufe: 08.10.2020, 11:20 Uhr
Weilheimer Tagblatt / Andreas MayrAutor