2024-05-02T16:12:49.858Z

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Marathon-Läuferin  Alke Renger-Kaiser.
Marathon-Läuferin  Alke Renger-Kaiser. – Foto: privat

Physiotherapeutin des SV Dornach: "Sag' mal, warst du im Krieg?"

Interview mit  Alke Renger-Kaiser

Die Hörlkofenerin Alke Renger-Kaiser erzählt von ihrer Arbeit in der Fußball-Bezirksliga, ihren Marathonläufe und ihrem Herzensverein Union Berlin.

Hörlkofen/Dornach Alke Renger-Kaiser hätte auch bei einem Erdinger Verein landen können, aber jetzt ist die Hörlkofenerin Physiotherapeutin beim SV Dornach. Und der Fußball-Bezirksligist, Gegner von Schwaig, Moosinning und Finsing, dürfte sich sehr glücklich schätzen über jemanden, der so viel Optimismus verströmt. Denn für die 42-Jährige ist das Glas nach eigenen Angaben „immer halb voll und nie halb leer“. Sogar aus Corona-Zeit hat sie viel Positives mitgenommen.

Und sie muss schmunzeln, weil tatsächlich viele Menschen diesen typischen Versprecher haben, wenn es um ihren Beruf geht. Dann ist schnell mal vom Psychotherapeuten die Rede statt vom Physiotherapeuten. Die gebürtige Berlinerin: „Wir sind schon auch ein bisschen Psycho. Manch eine Verletzung rührt auch daher, dass die Leute im Kopf manchmal nicht so frei sind – von daher passt das ja. In der Corona-Zeit spielte und spielt natürlich vieles um dieses Thema, das ist halt die Blase, die gerade über allem herrscht.“

Dass im Februar oder März 2021 wieder gespielt wird, kann sie sich nicht vorstellen. „Nicht bei den Corona-Zahlen, die wir aktuell haben – und wie soll das denn mit dem Ligapokal gehen zu dieser Jahreszeit? Viele Vereine haben ja nicht einmal einen Kunstrasen.“

Frau Renger-Kaiser, Corona-Krise überall – dann sind doch sicher auch die Spieler des SV Dornach noch ein bisschen sensibler, oder?

Weil eben auch so viel dranhängt. Meine Massagebank stand dann auch sehr schnell nicht mehr unten im Keller in der Kabine, sondern eben oben im Stüberl, damit dann auch wirklich immer nur einer bei mir ist. Und wenn dann einer erzählte, er müsse zum Testen, weil es eben in der Arbeit einen Corona-Fall gegeben hatte, dann kommst du schon ins Grübeln. Aber ich muss sagen, die Jungs waren echt vorbildlich, haben immer ihren Mund-Nasen-Schutz getragen, bis auf den Platz. Ich hatte nie das Gefühl, dass da jemand dabei ist, der querschießt.

Wir wissen alle, dass es zu dem Thema viele – auch extreme – Meinungen gibt...

Mag sein. Aber auch bei mir in der Praxis hatte ich noch nicht einen Patienten, der diskutiert hat. Es kam noch nicht einer ohne Maske, es kam noch nicht einer mit einem Attest.

Wie ist 2020 beruflich bei Ihnen gelaufen? Ihre Physio-Praxis musste vermutlich nicht schließen, oder?

Nein, wir hatten und haben weiter geöffnet. Gerade in der Anfangszeit, so zwischen April und Juni, gab es allerdings viele Patienten, die lieber nicht gekommen sind, weil sie einfach Angst hatten. Es wusste ja anfangs keiner so recht, um was es geht, was da auf uns zukommt. Die Praxis musste aber auch offen sein, weil viele Reha-Kliniken geschlossen waren. Es gab weiterhin viele frisch operierte Menschen, die eigentlich in die Reha gegangen wären und dann eben unter anderem zu uns kamen. Es war auch der Politik wichtig, dass wir weitermachen.

Hat Corona auch irgendwelche positiven Auswirkungen? Zum Beispiel das gesteigerte Bewusstsein der Leute für den Bewegungsapparat.

Ja, das gibt es durchaus, denn es sind seit der Pandemie deutlich mehr Leute beim Laufen und mit dem Rad unterwegs. Das ist natürlich gut. Andererseits sitzen jetzt viele Menschen im Homeoffice. Im Büro haben sie einen perfekten Bürostuhl, zuhause hocken sie acht Stunden auf dem harten Küchenstuhl. Klar, dass man davon Kreuzschmerzen bekommt.

Also fällt auch diese Corona-Bilanz klar negativ aus.

Ja. Und man darf nicht vergessen, dass wegen der Pandemie die Fitnessstudios geschlossen sind. Gerade das Training an den Geräten fehlt den Menschen total. Die Übungen holen sie dann bei mir nach.

Was die Corona-Maßnahmen angeht – wie lief es in Ihrer Praxis?

Wir haben schnell die Hygiene noch mehr hochgefahren, das ging alles sehr gut. Wir haben ein bisschen die Abläufe umstrukturiert, wir haben versucht, das Ganze so zu entzerren, dass es tatsächlich nur noch Einzelbehandlungen gibt und sich die Patienten möglichst nicht begegnen müssen. Bis heute hatten wir keinen einzigen Corona-Fall in der Praxis, sodass die Gefahr der Schließung bestanden hätte.

In einer Mannschaft treffen viele verschiedene Charaktere aufeinander. Gibt es Typen, die in jedem Kader zu finden sind?

Ganz grob ticken sie immer ähnlich. Es gibt zum Beispiel immer diejenigen in einer Mannschaft, die denken, sie könnten locker auch ein paar Ligen höher kicken. Und in jeder Mannschaft gibt es ein, zwei Spieler, die braucht das Team als Typus, aber sie sind eben nicht die besten Kicker.

Eine ganz andere Frage. Sie haben Ihre Praxis in Hörlkofen – warum betreuen Sie denn nicht einen Erdinger Verein?

Als ich bei Falke Markt Schwaben aufgehört habe, hatte ich drei, vier verschiedene Angebote.

Auch aus dem Landkreis Erding?

Ja.

Von welchem?

Das will ich eigentlich nicht verraten. Es sind damals einige Spieler von Falke nach Dornach gewechselt. So war da auch schon eine gewisse Verbindung da.

Schade, wir hätten Sie gern hier gesehen.

Wir sind ja mit dem SV Dornach immer wieder im Landkreis. Die Spiele gegen den FC Moosinning – da ist zuschauermäßig immer ganz schön was los. Der FC Schwaig hat inzwischen eine richtig tolle Sportanlage. Die Spieler kennen sich ja auch alle untereinander. Die Spiele im Landkreis machen schon Spaß.

Sie sind unter der Woche einmal beim Training mit dabei und am Wochenende beim Spiel. Gab es Situationen und Verletzungen, die selbst Ihnen unter die Haut gingen?

Ich bin auch Ersthelferin und habe damals bei Klaus Eder in Donaustauf meinen großen Sportphysio gemacht, da ist ja auch viel Erste Hilfe dabei. Für mich ist das einfach Arbeit, da bin ich wie in einem Tunnel, und dann ist gut. Vor zwei Jahren war ich beim Spiel Hohenlinden gegen Markt Schwaben als Zuschauerin dabei – da sind zwei Spieler mit den Köpfen zusammengerasselt, blutend, Platzwunde, es war kein Betreuer da, gar nichts. Ich habe aber die Tasche immer im Auto, bin dann hin. Hinterher schaut mich mein Mann daheim an und fragt „Sag‘ mal, warst du im Krieg?“ Weil ich völlig blutverschmiert war…

Kommen in Ihre Praxis eigentlich viele Fußballer?

Das ist nicht mein Hauptgeschäft, aber natürlich habe ich schon so ein bisschen einen Ruf. Nach all den Jahren kennt man mich hier im Landkreis eben doch. Alexander Schmidbauer schickt die halbe Mannschaft vom SC Kirchasch her, und neulich hat erst Anton Bobenstetter gefragt, ob ich nicht aushelfen kann, weil die beiden Buchbacher Teamphysios ausgefallen waren.

Betreuen Sie neben den Fußballern noch andere Sportler?

Ich bin jetzt keine Spezialistin für Leistungssport, wenngleich ich zugeben muss, dass ich immer verfolge, wenn zum Beispiel Mona Mayer aus Hörlkofen oder Marina Rappold aus Unterschwillach laufen. Da bin ich Lokalpatriotin. Aber meine Hauptaufgabe ist, allen zu helfen – von 0 bis 90. Und natürlich sind da auch Sportler darunter – zum Beispiel Triathleten oder Handballer in der Praxis. Bei den Triathleten ist etwa spannend: Wie viel Muskelaufbau macht Sinn fürs Laufen, ohne dabei beim Schwimmen oder Radfahren hinderlich zu sein? Wichtig ist aber bei allen: Die Statik muss stimmen.

Ihr Tag hat vermutlich auch nur 24 Stunden – sehen Sie dann Ihren Mann überhaupt noch?

Grundsätzlich ist bei uns zuhause verkehrte Welt: Mein Mann kann mit Fußball überhaupt nichts anfangen, das ist allein meins. Er akzeptiert das – er fährt zwar nicht mit zu den Spielen, aber er unterstützt mich und versteht es, wenn ich dann mal wieder weg bin.

Es war und ist schwierig mit Corona. Haben Sie auch für sich etwas mitgenommen aus dieser Ausnahmesituation?

Viel! Ich bin ohnehin ein sehr optimistischer Mensch, versuche das Positive in den Dingen zu sehen. Und als im März alles runtergefahren wurde, da habe ich mich selbst auch mal runtergefahren – wir haben so ein bisschen reflektieren können, was man in der Praxis an den Abläufen ändern kann. Zuhause hat sich jetzt nicht so viel getan: Mein Mann hat auch komplett durchgearbeitet – er ist in einem Autohaus beschäftigt. Wir können also beide sagen, wir haben was Richtiges gelernt und sind systemrelevant (lacht). Und das Schöne hier draußen auf dem Dorf ist ja, wenn ich Sport machen will, mache ich einen Schritt aus der Haustür, bin schnell im Garten, auf dem Feld, im Wald. Dann gehe ich halt laufen und fertig. Wenn du mitten in München lebst, zwei Kinder zuhause hast, Homeschooling, Eltern im Homeoffice, Spielplätze gesperrt, du kannst nicht raus – das ist schon hart. Dagegen ist das hier schon richtig Luxus.

Zeit zum Laufen haben Sie auch noch?

Das mache ich morgens, so gegen 4.30 Uhr. In Zeiten der Marathon-Vorbereitung drei-, viermal die Woche, am Wochenende dann auch mal später. Aber wegen der positiven Dinge in Zeiten von Corona: Früher sind die Leute mit Schniefnase, mit Erkältung in die Praxis gekommen – und ich habe mich oft gefragt, warum sie nicht zu Hause geblieben sind. Die kommen jetzt nicht mehr, heute rufen sie an und sagen den Termin ab. Und tatsächlich sind jetzt auch die Therapeuten gesünder, weil eben nicht jeder etwas reinschleppt.

Wie ist das daheim: Wie hat Corona Ihr Privatleben verändert?

Mein Mann und ich sind im Sommer ganz viel Radeln gewesen, haben München kennengelernt. Wir wollten im Mai nach Indien fliegen, das ist halt flöten gegangen. Ansonsten sind wir auch nicht so die Fortgeher – auch am Wochenende nicht. Für uns hat sich nicht wirklich viel verändert – weil wir eben beide weiterarbeiten durften.

Läuft Ihr Mann auch Marathon?

Nein, aber er unterstützt mich. Wir haben ein tolles T-Shirt, da steht drauf „Emotional supported husband“. Er fährt mich überall hin, er stand beim Berlin-Marathon wieder gemeinsam mit meinem Papa an der Strecke. Das ist mir ganz, ganz viel Wert. Und er sagt eben auch nichts, wenn ich so früh aufstehe. Letztes Jahr im Juni habe ich mir beim Laufen die Bänder gerissen – da hat er mich dann im Wald abgeholt mit dem Auto.

Welche Zeiten laufen Sie denn bei den Marathons?

Zeiten sind für mich völlig unwichtig. Ich laufe nicht, um irgendeine Marke zu durchbrechen.

Aber den „Hammermann“, nach so circa 37 Kilometern, denn kennen Sie schon, oder?

Bei mir ist auch das anders. Ich falle so nach etwa 22 Kilometer in ein Loch. Da wird mir bewusst, wie weit ich noch zu laufen habe. Ab Kilometer 32 wird’s für mich eher leichter, weil ich dann die letzten zehn Kilometer runterzählen kann. Und wenn mich dann auf den letzten Kilometern meine Familie und Freunde anfeuern – das ist einfach super. Ich bin überhaupt sehr gern bei Veranstaltungen, bei denen sich was rührt. Für heuer habe ich mich schon für den Berliner Halbmarathon angemeldet. Ich bin auch gern beim Forstlauf in Anzing oder beim Münchner Silvesterlauf....

...der diesmal ja nicht stattfinden konnte. Wie haben Sie Weihnachten verbracht?

In Berlin, in Köpenick – wir waren, wie so oft, zu fünft: meine Eltern, meine kleine Schwester und wir. Das war kein Problem, also ohne Cousins und Cousinen oder so.

Wie viel bekommen Sie denn noch von Ihrem Herzensklub Union Berlin live mit?

Mein Vater hat eine Dauerkarte, und ich bin immer wieder mal dort, wenn Union spielt, oder ich fahre zu den Auswärtsspielen, fast immer mit meinem Papa. Das letzte Spiel, was wir gemeinsam gesehen haben, war am 1. Februar in Dortmund. Leider mit einer Niederlage. In der 2. Liga habe ich fast jedes Spiel von Union gegen die Löwen gesehen. Daheim geht es mit dem Radl oder zu Fuß in die Alte Försterei. Und sollten wir mal nicht im Stadion sein, kriegen wir auch alles mit, wenn wir uns im Garten auf die Liege legen.

Und in München? TSV 1860 oder FC Bayern?

Einmal rot immer rot.

Beim SV Dornach sind die meisten Bayern-Fans, oder?

Ja, und wenn Union gewinnt, kriege ich immer WhatsApp-Nachrichten: „Alke, super!“ Und als Union vor einiger Zeit mal Dritter war, da haben die Jungs Screenshots von der Tabelle gemacht und in Trump-Manier „Stop the Count“ dazugeschrieben…

Das Gespräch führten Guido Verstegen und Dieter Priglmeir.

Aufrufe: 028.1.2021, 09:17 Uhr
Erdinger Anzeiger / Guido Dieter Verstegen PriglmeAutor