2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Engelbert Kupka warnt den DFB vor einer „Erosion von unten“. Foto: dpa
Engelbert Kupka warnt den DFB vor einer „Erosion von unten“. Foto: dpa

Kupka: "DFB kommt aus Mauschelei nicht mehr raus"

Hachings Ehrenpräsident erhebt schwere Vorwürfe

SpVgg Unterhaching - Ehrenpräsident Engelbert Kupka knöpft sich erneut die DFB-Spitze vor. Er spricht im großen Interview über gravierende Untreue, nichtige Beschlüsse und den Beelzebub – kurz: Ein System aus den Fugen.

Im Januar gründete Engelbert Kupka (78) die Initiative „Rettet die Amateure“. Über 100 Vereine haben sich angeschlossen. Im Interview erörtert der langjährige Unterhachinger Präsident die Entwicklung. Der DFB schweigt zu dem Thema, dabei sind in der Sache neue Unregelmäßigkeiten ans Licht gekommen, wie Kupka erzählt.

Herr Kupka, wie hat der DFB auf Ihre Anstöße reagiert, den Grundlagenvertrag mit der DFL im Sinn der Basis zu überdenken?

Der DFB macht weiter den Fehler, dass er mauert und auf unsere Schreiben nicht eingeht. Wir haben bis heute keine Antwort, obwohl uns Antworten zugesagt wurden. Inzwischen wurde klar, warum: Weil die DFB-Führung keine vernünftige Antwort geben kann. Dafür sind viel zu ungeheuerliche Missstände eingerissen. Unsere Befürchtungen haben sich bewahrheitet – und es kam noch mehr hinzu.

Wovon sprechen Sie?

Es ist jetzt plötzlich eine Zusatzvereinbarung ans Tageslicht gekommen, über die die DFB-Delegierten bei den entscheidenden Abstimmungen nicht Bescheid gewusst haben. Man hat sich hier vertrags- und satzungswidrig verhalten. Mit der Zusatzvereinbarung soll die bisherige Mauschelei geregelt werden, was aber nicht möglich ist, da es sich nicht um eine offizielle Vertragsänderung handelt. So, wie es abgewickelt wurde, ist die Abstimmung auf dem letzten Bundestag zum Grundlagenvertrag zwischen DFB und DFL nichtig. Das ist gar keine Frage. Und dass da im Vorfeld bereits gesagt wurde, die Abstimmung sei nur Formsache, setzt dem Ganzen die Krone auf. Im juristischen Sinn ist der ganze Vorgang unhaltbar. Zudem gab es auch noch andere gravierende Vorkommnisse zulasten der Amateure.

Zum Beispiel?

Etwa, dass die drei Prozent Pachtzins zugunsten der Amateure nicht konkret abgerechnet wurden. Allein bei den Finanzen von 2015 fehlen zehn Millionen Euro. Da wurde getrickst. Noch schlimmer ist, wie man mit der Verteilung der Einnahmen bei der Nationalelf umgegangen ist. Dass ein DFB-Chef und sein Vize der DFL dafür die Hand reichen, halte ich für unverzeihlich. Unglaubliche Vorgänge.

Zunächst ging es Ihnen um die Anpassung des Pachtzins. Mit dem Anliegen scheiterten Sie. Haben Ihre weiteren Anstrengungen ergeben, dass alles sogar noch viel schlimmer ist?

So ist es. Das sind absolute Rechtsverstöße, beispielsweise im Sinne von Paragraf 387 BGB. Es wurden ganz ungeniert unter der Hand Absprachen getroffen. Und es ist ja nicht nur die Abrechnung falsch. Es besteht auch eine Interessenskollision. Reinhard Grindel trat mit der Aussage an, ein DFB-Präsident der Amateure zu sein. Aber er ist auf Druck der Profis umgefallen und hat sich so seine Wahl gesichert. Im Grunde müsste man den Rücktritt der Leute da oben fordern. Sie müssten sich fragen, ob sie die richtigen in ihren Ämtern sind. Sie haben den Boden unter den Füßen verloren – und die Einsicht, dass sie Unrecht tun. Der DFB ist nicht mehr, was er war: Eine große soziale Organisation, in der sich die Gesellschaft spiegelt. Es geht nur noch um Ämter-Sicherung, im Tausch mit Geld. Da ist kein Werte-Kanon mehr.

DFL-Chef Christian Seifert sagte, der DFB hänge am Tropf der Liga ...

Da könnte man genauso sagen: Der Vermieter hängt am Tropf des Mieters. Was ist das für ein Argument? Die Amateure haben der DFL Rechte übertragen, aber das sind keine Geschenke. Das muss man korrekt abrechnen. Selbst Oliver Bierhoff sagt inzwischen, Geld und Gier machen den Fußball kaputt. Da muss man doch die Frage stellen dürfen: Stimmt das System noch? Der Frage gehen die Herrschaften aus dem Weg, um keinen Ärger zu bekommen und ihre Ämter zu sichern. Das ist das Verwerfliche. Es gibt nach Max Weber die Verantwortungs- und die Gesinnungsethik. Gesinnungsethik: „Oh, ist die Welt schlecht, aber ich kann sie nicht ändern.“ Verantwortungsethik: „Ich muss etwas tun.“ Ich bin der Meinung, man muss etwas tun.

Bisher ist es ein Kampf gegen Windmühlen.

Der DFB meint, ich schreibe drei Briefe, das sitzen sie aus: Der alte Ex-Funktionär, der gibt schon Ruh’! Aber da verschätzen sie sich. Mir geht es darum, dass das System aus den Fugen geraten ist. Die Amateure werden abgehängt. Mir hat Herr Grindel wörtlich gesagt, als ich ihn auf das Verhältnis zur DFL angesprochen habe: „Herr Kupka, das gibt bloß Ärger!“ Da sagte ich ihm: „Genau den müssen Sie suchen!“ Aber nichts passiert. Der DFB hat den Weg der Rechtmäßigkeit verlassen und kommt aus dem Gemauschel nicht mehr heraus. Das ist eine Endlosspirale. Man hat den Grundlagenvertrag ausgehöhlt, das ist ein Fall gravierender Untreue. Mir macht dabei am meisten das fehlende Unrechtsbewusstsein der handelnden Personen Sorge.

Wie viel Geld ist dem Amateurbereich bisher versagt geblieben?

Die ominöse Zusatzvereinbarung gibt es seit 2013. 2016 wurde sie bestätigt. Man kann das schwer hochrechnen, es ist ein Betrag zwischen 50 und 100 Millionen. Pro Jahr mindestens fünf Millionen. Und dieses Geld wurde veruntreut, muss ich nochmals betonen.

Nichtige Beschlüsse, juristische Verstöße – was kann man da machen?

Laut Satzung können den Grundlagenvertrag nur die anfechten, die ihn verletzt haben. Das ist alles vom System abgesichert, die Vereine haben kein Klagerecht. Da müsste ein Landesverband klagen, und da kann ich gleich den Beelzebub um was Gutes fürs Seelenheil fragen. Ein BFV-Präsident Rainer Koch, der ja DFB-Vize ist, klagt sich nicht selber an. Ob das die FIFA, die UEFA, das IOC, der DFB ist: Missstände können nur durch äußeres Eindringen der Justiz behoben werden, weil diese Systeme nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu regenerieren. Eine Welt für sich, von der Politik hofiert. Die machen Dinge nicht, weil sie es dürfen – sondern weil sie es können. Das ist das Gefährliche. Wir bewegen uns beim DFB in einem rechtsfreien Raum, weil er es zum rechtsfreien Raum gemacht hat.

Noch einmal: Wo kann man da Hebel ansetzen?

Ein neutrales Wirtschaftsprüfungsinstitut müsste alle Zahlen ansehen. Oder wenn die Staatsanwaltschaft sagt: Da gibt es so viele Anzeichen auf Untreue in einem Maß, dass es ein Offizialdelikt ist, da müssen wir eingreifen. Die Beschlüsse waren nichtig. Die Abrechnungen waren nichtig. Die Zusatzvereinbarung hebelt den ganzen Grundlagenvertrag aus und ist nichtig. Es muss ein Einsehen stattfinden. Sonst kommt die Erosion von unten. Schon jetzt wachsen die „Bunten Ligen“, es wird sich vom DFB abgewandt.

Warum werden „Bunte Ligen“ attraktiver?

Weil das Überleben der Amateure immer teuer wird. Den 36 Profivereinen stehen jährlich zwei Milliarden zur Verfügung – und wir reden über 26 Millionen, die sie an die Amateure abgeben. Angeblich abgeben. Denn selbst das trifft nicht zu, weil man von diesem Betrag unzulässigerweise die der DFL zustehenden Vermarktungserlöse des Nationalteams von 20 Millionen abzieht, obwohl das allein den Etat der DFB-Elf betreffen würde. Der lächerliche Rest, sechs Millionen, wird an die Landes- und Regionalverbände weitergeleitet. Und weil so das Geld nicht reicht, müssen die Amateurvereine ihre Verbände mit 35 Millionen pro Jahr subventionieren. Es ist höchste Zeit, sich aufzulehnen. Wobei es nicht nur ums Geld geht. Es geht auch um den Verlust von Werten.

Aufrufe: 05.5.2017, 12:20 Uhr
Münchner Merkur - Andreas WernerAutor