2024-05-17T14:19:24.476Z

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Aufmerksamer Beobachter am Spielfeldrand: Gerhard Güntner
Aufmerksamer Beobachter am Spielfeldrand: Gerhard Güntner – Foto: Archiv/Christian Riedel

SpVgg Kammerberg: Gerhard Güntner spricht über den Amateurfußball

Nach über fünf Jahren sein Funktionärsamt abgegeben

Nach über fünf Jahren hat sich Gerhard Güntner dazu entschieden, sein Amt bei der SpVgg Kammerberg abzugeben. Ein Grund dafür war auch die Pandemie.

Kammerberg Lockdown, vorgezogene Winterpause – man hat es momentan nicht leicht als Fußballer. Die Heimatzeitung nutzt die Gelegenheit, in Zeiten der Corona-Pandemie Amateurkicker und Funktionäre aus dem Dachauer Einzugsgebiet zu befragen. Wie kommen sie mit der Situation zurecht, und was erwarten sie sich von der Zukunft?

Güntner war bereits 1993 Torschützenkönig für die SpVgg Kammerberg

Früher hatte Gerhard Güntner (54) für die SpVgg Kammerberg geknipst. Er gewann 1993 die Torjäger-Kanone der Dachauer Nachrichten. 32 Tore hatte er in der C-Klasse für die SpVgg Kammerberg geschossen. Die Trophäe war damals so begehrt, dass Gerüchten nach einige Spieler bzw. Vereine ihre Torbilanz gefälscht haben.

Bei Güntner stimmten die zahlen. Er wechselte damals in die Bezirksliga nach Jetzendorf. Mit dem TSV stieg er „sang- und klanglos“ ab. Er würde es trotzdem immer wieder so machen. Diese Erfahrung war ein Trumpf, wenn Güntner als technischer Leiter der Spielvereinigung mit potenziellen Neuzugängen am Tisch saß. Im Winter hat er sein Amt nach fünfeinhalb Jahren abgegeben. Auch wegen der Corona-Pandemie.

Herr Güntner, warum wechseln Fußballer im Amateurbereich?

Gerhard Güntner: Weil sie ehrgeizig sind und sich sportlich verbessern möchten.

Und warum nicht?

Ich habe oft gehört, dass Jungs bei ihren Spezln bleiben wollten und ihre Wohlfühl-Blase nicht verlassen wollten.

Waren Letztere hoffnungslose Fälle. Oder konnten Sie einige von ihnen zu einem Wechsel überzeugen?

Ich habe nie einen Spieler überzeugt. Ich habe das Für und Wider erläutert. Ich bin der Meinung, dass man gute Freunde behält, auch wenn man den Verein wechselt. Und dass man bei einem neuen Verein neue Freunde kennenlernt. Das sind die gleichen Menschen, nur spielen sie dann vielleicht besser oder schlechter Fußball.

„Mein Wechsel zu Jetzendorf war eine wichtige Erfahrung, ich konnte mir nichts vorwerfen“

Wie war Ihre Quote?

Bei vielen hat es geholfen. Ich habe ihnen auch gesagt, dass es kein Problem ist, falls es nicht reicht. Dann geht es halt wieder zurück.

Einige fürchten sich möglicherweise davor, zu scheitern. Sie selbst machten so eine Erfahrung. Ein Vorteil bei Spielergesprächen?

Bestimmt. Ich bin nach der Saison, in der ich Torschützenkönig wurde, nach Jetzendorf gewechselt. Das hat sich für viele Kammerberger wie eine Majestätsbeleidigung angefühlt. Aber das muss man aushalten können. Und bei Schadenfreude kann man entgegnen: Schau mal, dich hat keiner gefragt. Mich schon, ich hab’s probiert.

Wie war das zu Ihrer aktiven Zeit? Sprechen Sie aus Erfahrung?

Ich bin damals von Kammerberg nach Jetzendorf gewechselt. Von der C-Klasse in die Bezirksliga. Das war ein Sprung von drei Ligen. In Jetzendorf lief es nicht. Ich bin dann wieder zurückgewechselt. Es war eine wichtige Erfahrung, ich konnte mir nichts vorwerfen. Ich war nicht lang in Jetzendorf, aber wenn ich heute dort hingehe und Fußball, kenne ich immer noch einige. Das ist schön.

„Trainerjob wäre nichts für mich.“

Nach nur einer Saison in Jetzendorf kehrten sie nach Kammerberg zurück. Sie spielten sogar mit dem Gedanken, Trainer zu werden.

Ja, aber der Trainerjob ist nichts für mich. Ich bin zu ehrgeizig und zu impulsiv. Ich hätte Tag und Nacht nur darüber nachgedacht. Da wäre ich krank geworden. Ich musste mich schützen.

In den vergangenen fünfeinhalb Jahren als technischer Leiter für den Kader mitverantwortlich. Hätte Sie den Spieler Gerhard Güntner verpflichtet?

Ich war als Spieler sehr verbissen und habe mich oft aufgeführt. Vielleicht auch, weil ich damals als Stürmer richtig auf die Socken bekommen haben. In den unteren Ligen war es vielleicht noch schlimmer. Da wurde mehr getreten. Heute wird man als Spieler besser geschützt. Ich war aber auch ehrgeizig.

„Entweder du spielst Fußball oder du bist ein Loser.“

Für alle, die den Spieler Gerhard Güntner nicht gesehen haben: Was für ein Typ waren Sie auf dem Platz?

Ich war ein Instinktfußballer, ein Straßenfußballer. Nach der Schule ging es sofort zum Kicken. Drei gegen drei auf ein Tor. Das hat gereicht.

Andere Sportarten kamen nicht in Frage?

Nein, viel mehr Möglichkeiten als Fußball gab es damals in Kammerberg nicht. Die Alternativen waren der Schützenverein oder die Feuerwehr. Ich habe mir gedacht: Entweder du spielst Fußball oder du bist ein Loser.

Wie hat sich das Spiel für Stürmer verändert?

Heute wird man als Spieler besser geschützt. Früher hat es richtig auf die Socken gegeben. In den unteren Ligen war es vielleicht noch schlimmer. Da wurde mehr getreten.

Als technischer Leiter der Kammerberger hatten Sie bei der Verpflichtung von Stürmern einen guten Riecher. Wer war Ihrer Meinung der wichtigste Neuzugang?

Wenn Martin Schön nicht in der Winterpause 2018/2019 aus Freising zu uns zurückgekommen wäre, wären wir abgestiegen.

Sie erwähnten es bereits: Sie mögen es, mit potenziellen Spielern Gespräche zu führen.

Ja, klassisch an einem Tisch, eine halbe Stunde lang. Ich denke, in dieser Zeit bekommt man einen Eindruck, wie die Person tickt.

Gab es Spieler, bei denen Sie sofort ein gutes Gefühl hatten?

Da gab es viele. Die Streit-Brüder Robin und Kevin sind voll in Ordnung. Das hat man sofort gemerkt. Die Jungs haben eine Meinung, sind ehrlich und charakterlich top. Auch mit unserem Kapitän Tim Bürchner hat es sofort gepasst. Das ist ein intelligenter Bursche.

„Ich glaube nicht an Glück, sondern denke, dass man alles beeinflussen kann.“

Gab es auch Gegenbeispiele?

Ja, die gab es. Wir hatten auch eine Zeit, in der viele Spieler aus dem Münchner Norden nach Kammerberg kamen. Das hat nicht so gepasst. Hier ist es wichtig, dass die Jungs auch mal nach einem Heimspiel in der Gaststätte bleiben und mit den ehemaligen Spielern reden.

Das kann nicht jeder...

Bestimmt, aber es kommt gut an. Die Streits machen das. Sie müssen sich nicht verstellen.

Robin Streit führt die Torschützenliste der Liga an. Ein Glücksgriff?

Bei Robin wusste Manu (der damalige Trainer Manuel Haupt; Anm. d. Red.), dass er was kann. Er hat in jungen Jahren Landesliga gespielt, ist dann aber zurück zu seinem Heimatverein Hilgertshausen in die Kreisliga gewechselt. Er hat sich in den letzten Jahren noch einmal verbessert. Ein Glücksgriff war das nicht.

Erklären Sie bitte.

Ich glaube nicht an Glück, sondern denke, dass man alles beeinflussen kann. Manuel Haupt hatte kein Glück, das war alles harte Arbeit. Er hat rund um die Uhr an Fußball gedacht. Auch Trainer Matthias Koston lebt für den Fußball. Mir gefällt das. Ich ticke genauso. Wenn ich etwas anpacke, will ich erfolgreich sein – auch außerhalb des Sports. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Wenn mich etwas interessiert, nehme ich ein Buch in die Hand und lese, bis ich verstanden habe.

Waren Sie schon immer so zielorientiert?

Zu meiner aktiven Zeit habe ich noch nicht so gedacht. Ich habe aus meinen Möglichkeiten und meinem Talent zu wenig gemacht. Aber: So, wie es damals war, hat es mir Spaß gemacht.

Fußball ist und bleibt mein erstes Hobby.

Nach fünfeinhalb Jahren gaben Sie Ihr Amt als technischer Leiter ab. Warum?

Ich wurde nie gewählt, sondern damals aus der Not heraus bestimmt. Ich wollte es nur zwei, drei Jahre machen. Es sind fünfeinhalb geworden. Ich habe ein Haus gebaut und hatte viel zu tun. Die Corona-Pandemie hat auch dazu beigetragen. Spielergespräche am Abend über Zoom sind nicht meine Welt. Für junge Leute ist das normal. Für mich nicht, ich möchte das klassische Gespräch am Tisch. In nächster Zeit wären Gespräche mit Sponsoren dazugekommen. Das wurde zu viel.

Wie geht es bei Ihnen weiter? Können Sie ohne Fußball?

Mir wird es nicht langweilig. Ich schaffe gerne. Und ich habe eine Jahreskarte beim FC Bayern.

Die bringt Ihnen gerade nicht viel?

Das stimmt, aber es wäre schön, wenn ich bald mal wieder ins Stadion könnte. Fußball ist und bleibt mein erstes Hobby.

Aufrufe: 027.1.2021, 10:08 Uhr
Dachauer Nachrichten / Moritz StalterAutor