2024-05-02T16:12:49.858Z

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Scheut keinen Zweikampf: Christian Schraps (li.) im innigen Austausch mit Bayreuths Christopher Kracun.
Scheut keinen Zweikampf: Christian Schraps (li.) im innigen Austausch mit Bayreuths Christopher Kracun. – Foto: Mario Wiedel

Der Pragmatiker aus der Wundertüte

Christian Schraps (32) trägt seit 11 Jahren das Trikot der SpVgg Bayern Hof +++ Ein Porträt über einen besonderen Typen im Amateurfußball

Elf Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Im Sommer 2009 entschloss sich ein junger Kicker aus Thüringen dazu, zukünftig für die SpVgg Bayern Hof aufzulaufen. Sein Name: Christian Schraps. In der Zwischenzeit ist jede Menge Wasser die Saale hinabgeflossen - und der heute 32-Jährige hat viel zu erzählen.

Am 3. März 1988 erblickte Christian Schraps in Zeulenroda das Licht der Welt. Früh deutete sich an, dass er mit dem runden Leder besonders gut umzugehen weiß. 2002 wagte er den Sprung ins Internat des FC Carl-Zeiss Jena. Schraps kratzte ans Tor zum Profifußball. "Ich kann mich noch erinnern, dass Nils Petersen, der heute beim SC Freiburg unter Vertrag steht, und ich damals mit ins Trainingslager der Profis durften. Jena spielte ja zu der Zeit noch in der 2. Liga", kramt Schraps im persönlichen Archiv. Doch es sollte nicht reichen für ihn. "Den Durchbruch habe ich einfach nicht gepackt, das langte nicht", meint er im Nachhinein. Traurig darüber? "Mit 20 oder 21 habe ich mir schon immer wieder die Frage gestellt, warum ich es nicht gepackt habe. Aber mittlerweile bin ich längst mit mir im Reinen. Ich habe ein gutes Leben, vielleicht sogar ein besseres als so mancher Fußballprofi."

Große Freude: Vor fünf Wochen wurde er zum ersten Mal Papa.

Und sein Leben ist trotz Corona-Krise zuletzt noch um ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail reicher geworden. "Ich bin vor fünf Wochen das erste Mal Papa geworden. Wir haben einen wunderbaren kleinen Sohn bekommen." Die Krise hat er gar nicht so sehr als solche empfunden. "Dadurch konnte ich meine Freundin in den letzten Monaten der Schwangerschaft intensiv begleiten, was so in normalen Zeiten sicher nicht in dem Maß der Fall gewesen wäre." Nicht nur zuhause ist er nun der Papa, als Vaterfigur geht er mittlerweile auch locker bei der SpVgg Bayern Hof durch. Ein Großteil seiner Mitspieler ist wesentlich jünger, nur Martin Holek hat auch schon die 30 überschritten.

Sein Wort hat Gewicht in Hof - und das scho seit Jahren: Wenn Christian Schraps (re.) spricht, hört auch Keeper Jonas Lang zu.
Sein Wort hat Gewicht in Hof - und das scho seit Jahren: Wenn Christian Schraps (re.) spricht, hört auch Keeper Jonas Lang zu. – Foto: Heiko Becker

2009 ist Christian Schraps nach Hof gekommen. Elf Jahre bei einem Verein, es muss ihm also definitiv gefallen rund um die Grüne Au. Was hat ihn über all die Jahre bei den Gelb-Schwarzen gehalten? Emotionale Bindung, große Gefühle? "Ja was ist eigentlich das Besondere an Hof, dass ich schon elf Jahre hier bin? Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Um ehrlich zu sein, bin ich da sehr pragmatisch. Der Verein hat mir damals eine Ausbildungsstelle bei einem Sponsor besorgt. Da arbeite ich heute immer noch als Bürokaufmann und habe einen sehr guten Job." Und so summieren sich eben die Jahre. Mittlerweile ist er in Hof auch privat längst heimisch geworden und lebt mit Freundin und Sohn im wenige Kilometer südlich gelegenen Oberkotzau. Sportlich fällt die Bilanz der vergangenen Dekade gemischt aus. "Es ist immer ein Auf und Ab bei uns. Aufstieg, Abstieg, zwischendrin gibt`s eigentlich nichts. Die Konstanz fehlt uns irgendwie schon seit Jahren. Wir sind eine richtige Wundertüte."

Schraps plädiert für ein grundsätzliches Aufbrechen der Ligenstruktur.

Der Erfolg kam und ging, nur Christian Schraps war im defensiven Mittelfeld immer da. Das wird auch nach der Corona-Pause so sein. Mit der Fortsetzung der Saison samt neu eingeführtem Ligapokal kann er wenig anfangen. "Was soll das Ganze? Das ist absolute Wettbewerbsverzerrung. Die Mannschaften werden nicht mehr im Geringsten mit denen etwas zu tun haben werden, die eigentlich im Frühjahr die Saison 2019/20 zu Ende hätten spielen sollen. Und der Ligapokal? Ich weiß auch nicht, da spielen wir wieder gegen die gleichen Teams, gegen die wir schon die letzten zehn Jahre spielen. Da hält sich die Spannung auch in Grenzen." Einmal in Fahrt stellt Schraps die ganze Ligenstruktur in Bayern in Frage: "Warum muss das immer strikt nach Bundesland ablaufen? Wieso muss die SpVgg Bayern Hof in absoluter Randlage in einer Bayernliga spielen? Oder ein Beispiel aus der Regionalliga. Warum spielt Aschaffenburg nicht mit den Klubs aus dem Frankfurter Raum in einer Liga? Nein, die müssen bis nach Burghausen gondeln. Ich plädiere dafür, dass man viel regionaler denken würde. Ich meine, man sollte nicht immer auf Biegen und Brechen irgendwelche Ligen konstruieren."

Karriereende nicht mehr weit weg.

Mit diesen Ideen bestätigt Christian Schraps den Eindruck eines reflektierten Spielers, der gerne auch bestehende Strukturen in Frage stellt und den Blick über den Tellerrand hinauswandern lässt. Bis 2021 hat er jüngst zugesagt, weiter bei der SpVgg Bayern Hof zu kicken. Was dann kommt? "Die Situation hat sich mit der Geburt meines Sohnes schon nochmal geändert. Wir entscheiden von Jahr zu Jahr, ob es noch Sinn macht. Zumal ich nun mit 32 schon in einem Alter angekommen bin, in dem sich das Ende schon abzeichnet." Nächsten Sommer wird er eine Entscheidung fällen müssen, wie es mit ihm weitergeht. Sollte aber keiner verwundert sein, wenn diese sehr pragmatisch ausfallen wird.

Aufrufe: 025.7.2020, 15:25 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor