2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Paul Schramm bei seiner Vorstandstätigkeit
Paul Schramm bei seiner Vorstandstätigkeit – Foto: Sebi Stoeck

"Es braucht junge, zukunftsorientierte Leute im Ehrenamt"

Paul Schramm engagiert sich seit mehreren Jahren auch abseits des Feldes bei Stern 1900. Zuletzt riefen er und einige Kollegen die Aktion "Sterne für Sterner" ins Leben. Mit dem Hintergrund seines Sportmanagement-Studiums strebt er nach mehr Verantwortung - nicht nur im Vereinsleben.

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Paul Moustafa Schramm

Sterne für Sterner. Ihr habt zum Wochenanfang eine Aktion ins Leben gerufen. Was steckt dahinter?

Da natürlich auch bei uns aktuell der Trainings- und Spielbetrieb ruht, kam bei uns die Frage auf, wie wir unserer sozialen Verantwortung als Verein auch über den "Tellerrand" Fußball hinaus gerecht werden und uns dabei die vorhandene vereinsinterne Infrastruktur zu Nutze machen können. Mehr oder weniger aus dem Nichts entstand bereits in der Nacht zum 19.03. die Idee, die Nachbarschaft in der aktuellen Situation zu unterstützen.

Was soll genau erreicht werden?

Wir sind ein Verein, der inmitten eines großen städtischen Einzugsgebietes liegt. Somit gibt es (neben unseren eigenen Mitgliedern) in unserem Kiez natürlich der Gesamt-Demografie entsprechend einige Leute, die in den "Risikogruppen" liegen und deshalb aus Angst/Respekt das Haus nicht mehr verlassen wollen. Gerade diese Personen, und deren Angehörige, möchten wir gerne bei alltäglichen Dingen im Rahmen unserer Möglichkeiten entlasten.

Wie viele haben sich angeboten zu helfen?

Wir konnten bereits einige Helfer für die Aktion begeistern. Darunter drei Spieler unserer 1. Herren, vier Spielerinnen unserer 2. Frauen, drei Trainer aus unserer Jugendabteilung, sogar zwei Spieler aus der Ü60 haben uns ihre Hilfe angeboten. Bei der Koordination bekomme ich von zwei weiteren sehr engagierten Jugendtrainern aus dem Kleinfeldbereich tatkräftige Unterstützung.

Wie ist die bisherige Resonanz auf euer Engagement?

Die Anfragen laufen zentral über uns. Bisher scheuen sich die Leute noch so ein bisschen sich zu melden, gestern haben wir mit einigen Mitgliedern telefoniert. Generell wird das Angebot super aufgenommen, die Meisten sind nahezu begeistert von der Idee und dem Engagement - noch sahen sich unsere Gesprächspartner aber in der Lage sich selbst zu versorgen. Aber aller Voraussicht nach werden wir das Angebot heute und morgen versuchen dem breiten Publikum zugänglicher zu machen.

Ist es für dich natürlich, dass der Fußball momentan hintenansteht?

Auf der einen Seite fehlt uns der Fußball in gewisser Hinsicht natürlich, das gilt aber vor Allem für den Sport allgemein. Auf der anderen Seite spielen wir Fußball im Verein ja aber nicht nur, aufgrund der vielen im Zusammenhang mit dem Körper stehenden Motive, sondern auch aus sozialen Beweggründen. Für viele ist diese Hilfsbereitschaft auch ein Transfer des Gemeinschaftsgefühls, vom Platz in die sozialen Bereiche, über die Vereinsgrenzen hinaus. Gerade das zeigt aus meiner Sicht, wie viel "die schönste Nebensache der Welt" unserer Gesellschaft in letzter Instanz zurückgeben kann. Abgesehen davon fühlen wir uns in der Gegend auch sehr wohl und möchten den Anwohnern zeigen, dass sich der Verein und seine Mitglieder mit dem Kiez identifizieren.

Wie bist du zu Stern 1900 gekommen?

Stern ist mein Herzens-Verein und meine Heimat. Ich habe erst 2007, nach der WM im eigenen Land, durch Dominik Böttcher in die Kreuznacher Straße gefunden und spiele seitdem auch ununterbrochen hier.

Und irgendwann hat dir das Spielen nicht mehr gereicht und du hast trotz deiner jungen Jahre Verantwortung übernommen?

Nachdem ich Anfang 2016 das erste Mal eine Kleinfeldmannschaft als Trainer übernommen hatte, kam Mitte 2017 auch eine Großfeldmannschaft dazu. Nach und nach kam dann mehr Verantwortung dazu, bis ich von den Jugendtrainern zur Wahl als Jugendleiter vorgeschlagen wurde. In diese Aufgabe bin ich in den letzten drei Jahren gewissermaßen "hereingewachsen" und strebe nun noch mehr Verantwortung an - auch vor dem Hintergrund meines Sportmanagement-Studiums, das den Grundstein für meine berufliche Zukunft legen soll, unabhängig von meinem Engagement hier.

Besonders gerne bearbeite und fördere ich Projekte, auch über meinen Aufgabenbereich in der Jugendleitung hinweg, wie z.B. unsere neue Homepage, den Tag der Amateure vor großer Kulisse (Pokalspiel Stern 1900 - TeBe, ca. 700 Zuschauer, Anm. d. Red.), oder die "StickerStars"-Aktion. Seit Beginn meiner Tätigkeit bin ich mit jetzt 23 Jahren, wenig überraschend, das jüngste Vorstandsmitglied. Es braucht junge, zukunftsorientierte Leute im Ehrenamt, die an der Zukunft des Vereins und Verbands interessiert sind, um diese mitzugestalten.

Wow. Es gibt nicht viele 23-Jährige, die so ein Engagement und auch Verantwortungsbewusstsein haben. Und wie händelt man das eigentlich zeitlich: Studium, Vorstandsarbeit und Fußball spielen?

Mein Studium hat feste Präsenzwochen, in denen ich dann natürlich etwas seltener als sonst sieben Tage die Woche auf dem Sportplatz zu finden bin. (lacht) Aber das semi-virtuelle Studienkonzept bringt für mich natürlich den Vorteil mit sich, dass ich mir die Zeit selber einteilen kann.

Wer sich mein FuPa-Profil anschaut wird sehen, dass das Fußballspielen leider in den letzten Jahren etwas auf der Strecke blieb. Nach einem Kreuzband- und Innenmeniskusriss 2017 im linken, fast auf den Tag genau zwei Jahre später 2019 im rechten Knie wurde ich zweimal weit zurückgeworfen und war gerade erst wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. Mir fehlt aber sowieso das Talent, um in dieser Truppe (dann hoffentlich wieder in der Landesliga) noch einmal richtig anzugreifen - die Kurzeinsätze 2018 werden wahrscheinlich das Hoch meiner fußballerischen Gefühle bleiben.

Wünscht man sich manchmal, dass es für das Ehrenamt mehr Aufmerksamkeit bzw. auch eine Entlohnung gibt?

Wunsch und Realität liegen oft weit auseinander. Auch in der Vorstandsarbeit gibt es Hochs- und Tiefs. Besonders wichtig für mich ist aber, dass es in unserem Verein Menschen gibt, die durch persönliche Anerkennung und Wertschätzung genau diese Enttäuschungen abfangen. Gerade erfahrene Spieler und Trainer haben für einen so jungen Menschen wie mich dann hin und wieder gute Ratschläge und warme Worte übrig, wobei mir die Vernetzung über alle Mannschaften jedes Altersbereichs zugutekommt.

Am Ende des Tages gibt es nur zwei Formen der Anerkennung - Persönliche und Monetäre. Erstere gibt es für uns Jugendleiter meist zur Genüge von verschiedener Seite und genau dafür tun wir das ja auch. Die Monetäre würde ich an dieser Stelle größtenteils ausklammern, denn die Amateurvereine haben (noch) nicht die Möglichkeit z. B. Jugendleitern eine höhere Aufwandsentschädigung zu zahlen. Aber letztlich wird man viele Leute vermutlich auch darüber ansprechen müssen, wenn es um das schrumpfende Engagement im Ehrenamt geht.

Würdest du später gerne hauptamtlich bei einem Fußballverein arbeiten wollen?

Das ist mein Ziel. Ich kann mir aber auch vorstellen im Verband, anderen Vereinen, oder in der Sportartikelindustrie zu arbeiten. In beiden Bereichen konnte ich schon etwas Erfahrung sammeln (Jugendgeschäftsstelle von ALBA Berlin/Intersport) und habe vor mich in Zukunft auch verstärkt im Verband einzubringen.

Beim Berliner Fußball Verband oder generell in einem Verband?

Die Wunschadresse wäre der Berliner Fußball Verband, aber auch andere Sportarten sind für mich interessant. Ich komme ursprünglich aus dem Feldhockey, habe aber auch schon einige Jahre Tennis gespielt. In Deutschland ist ja nahezu jede Sportart groß und die Strukturen professionell.

In Aktion: Paul Schramm hatte sich gerade zurückgekämpft, ehe die Zwangspause angeordnet wurde.
In Aktion: Paul Schramm hatte sich gerade zurückgekämpft, ehe die Zwangspause angeordnet wurde. – Foto: Ralf Seedorff

Wenn du wählen könntest: wäre dir die "Karriere" auf dem Feld oder abseits des Feldes lieber?

Wenn "auf" dem Feld, dann wäre sowieso nur eine Karriere an der Seitenlinie möglich. (lacht) Natürlich war es als Kind ein Traum sich selber mal an der Stelle eines Philipp Lahm oder Patrick Ebert zu sehen - aber auch in dem Alter war ich schon Realist genug, um zu wissen, dass es dafür niemals reichen wird. Schließlich habe ich auch viel zu spät angefangen Fußball zu spielen. Inzwischen interessiert mich eine "Karriere" im organisatorischen/administrativen Bereich am meisten.

Mit Bernd Fiedler als Vorsitzenden hast du bei Stern 1900 auch einen im Fußball Bereich sehr aktiven "Lehrmeister". Kannst du bei ihm und anderen engagierten "Kollegen" noch etwas lernen?

Von Bernd Fiedler und den anderen Vorstandsmitgliedern habe ich in meiner Zeit als 2. Jugendleiter schon sehr viel gelernt und hoffe weiter lernen zu können. Genauso wichtig ist es aber, Dinge kontrovers diskutieren und seine eigene Persönlichkeit weiterentwickeln zu können. Dazu gehört auch, aus Erfahrungswerten zu schöpfen was die Ausbildung eines eigenen Führungsstils angeht, genauso wie seine eigenen Stärken konstruktiv einzubringen. Beides sehe ich im Moment als gegeben an, was elementar wichtig für meine persönliche Entwicklung ist.

Sportlich lief es, wie bereits von dir erwähnt, in den vergangenen Jahren persönlich auch nicht so rund. Seit drei Jahren wirst du durch schwere Verletzungen zurückgeworfen. Woher kam der Wille, sich trotzdem wieder zurückzukommen?

Um es ganz plump zu sagen: der Spaß am Fußball. Dazu gehört natürlich nicht nur die Bewegung an sich und der Ball, sondern vor allem auch die (bereits zuvor erwähnten) Menschen, die einen umgeben. Sicher hat man mal das Gefühl: "Verdammt, das wird nichts mehr". Und genau so die Freundin, oder andere Leute, die sagen: "Junge, lass es einfach. Am Ende landest du im Rollstuhl." Aber gerade dann will man es Denen und sich selber umso mehr beweisen und zeigen: Ich komme zurück. Ich habe es einmal geschafft und ich werde es wieder schaffen. Zu 100 % kehrt man nicht zurück, aber solange es reicht um seine eigenen Ansprüche und denen des Trainers gerecht zu werden, kann man zufrieden sein.

Wie wäre es, bei einer Weiterführung der Saison, die Überschrift „Schramm schießt Stern 1900 II mit Traumtor in die Landesliga“ zu bewerten?

(lacht) Entweder als gelungene Fernhypnose, Postillon-Artikel, oder die Versicherung dafür, dass ich zu Fuß nach Mallorca zur Saisonabschlussfahrt laufe, falls sich die Situation bis Ende Juni noch nicht deutlich entspannt hat. Mir wäre lieber zu lesen "Geschlossene Mannschaftsleistung sichert Stern II die Rückkehr in die Landesliga" - das würde nicht zu einer persönlichen, ollen Kamelle mutieren und unserer geilen Truppe, sowie dem Saisonverlauf gerecht werden.

Aufrufe: 025.3.2020, 09:22 Uhr
Marcel PetersAutor