2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Paul Schramm engagiert sich seit Jahren bei Stern 1900 in mehreren Funktionen.
Paul Schramm engagiert sich seit Jahren bei Stern 1900 in mehreren Funktionen. – Foto: Ralf Seedorff

„Meine Krankenakte, dicker als mein Bauch, wird mich nicht umstimmen“

Paul Schramm über seine Tätigkeit in der Vorstandsarbeit bei Stern 1900, den damit zusammenhängenden Herausforderungen, seinen Zielen und warum er trotz vieler Schwierigkeiten weiterhin Fußball spielt.

Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/- regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Paul Schramm, #510

Paul, vor rund sechs Wochen ist das Transferfenster geschlossen. Bedeutet das auch für dich als Geschäftsführer beim SFC Stern 1900 etwas mehr Ruhe, oder hat dich der ganze Wahnsinn in deiner Position gar nicht wirklich betroffen?

Hi Marcel! Um ehrlich zu sein habe ich (auch Zeitbedingt) nur einige Sonderfälle (international und Verbandsübergreifend) und kurzfristige/dringende Anträge bearbeitet. Die Belastung der Geschäftsstellen insgesamt war in diesem Jahr aber enorm - gefühlt nochmal deutlich höher als in den vergangenen 5 Jahren, in denen ich selber dabei war.

Welche Aufgaben sind da konkret auf dich zurückgefallen?

Auch wenn manchmal der Weg zum Haus des Fußballs nicht ausbleibt, der für mich zum Glück nicht weit ist, würde ich, ohne zu konkret werden zu wollen, behaupten, dass die größte Aufgabe in der internen Kommunikation liegt. Gerade bei den eben beschriebenen Sonderfällen kennen sich viele Trainer und Spieler nicht gut aus und sind, obwohl sie in Deutschland leben (grinst), überrascht was für ein bürokratischer Aufwand und wie viele Kommunikationswege hinter der Beschaffung eines Spielrechts stehen können und wie lange das dauern kann. Außerdem kommen wöchentlich am Ende der Woche aus verschiedenen Teams An- und Nachfragen, ob man nicht "mal eben schnell noch" einen Spieler fürs Wochenende spielberechtigt bekommt. An dieser Stelle auch mal ein Lob an die Mitarbeiter:innen in der Geschäftsstelle des BFV, die in den zurückliegenden Wochen wieder einmal sehr verlässlich waren! Ansonsten habe ich mich größtenteils mit organisatorischen Dingen beschäftigt, die in der Vorbereitungszeit so anfallen: FuPa, FuWo, Fototermine, Homepage, und noch einige andere Dinge.

Klingt ja beinahe wie ein „Full-Time-Job“ - wie sieht es tatsächlich aus?

Man muss sagen, dass wir im Vorstand an der absoluten Belastungsgrenze arbeiten. Es gibt intern auch mal Kritik, wenn etwas liegen bleibt, aber ohne Priorisierung könnten wir definitiv keinen klaren Kopf bewahren. Wichtig wird es kurz- und mittelfristig bestimmte Aufgabenbereiche auf andere Schultern zu verteilen, um nicht in Arbeit und Aufgaben zu versinken.

Allerdings sind manche Phasen der Saison auch deutlich anstrengender als Andere. Dies gilt natürlich besonders für die von Dir eingangs angesprochenen Wechselperioden.

Fühlt man sich da manchmal auch „veralbert“, wenn sich jemand bei all den Aufgaben beschwert, wenn etwas liegen bleibt?

Nein, denn ich glaube, dass Vielen schlicht und ergreifend nicht bewusst ist, was für ein Workload hinter einem solchen Ehrenamt steckt. Mit der Zeit sind die Aufgaben von Vereinsverantwortlichen sicherlich auch anspruchsvoller geworden, was teilweise nicht in Einklang mit der Entwicklung unserer Gesellschaft allgemein steht. Es herrscht vielerorts ein Überangebot an Beschäftigungsmöglichkeiten, was es schwerer macht andere junge Menschen für das Ehrenamt zu begeistern, andererseits wächst gefühlt die Einstiegshürde aber immer weiter.

Das Einzige was auf Dauer anstrengend wird, ist das einem (oft nur unterschwellig) vermittelte Gefühl, man müsse sich rechtfertigen - und das für etwas das Hobby ist und der Allgemeinheit zu Gute kommt.

Was hat für dich den Ausschlag gegeben, in jungen Jahren in der Vereinsarbeit einzusteigen?

Plump gesagt: Die Liebe zum Verein. Natürlich hat man sich im Vorfeld ein wenig mit den wichtigsten Themen auseinander gesetzt, aber entscheidend waren retrospektiv sicherlich Faktoren, die man nicht direkt beeinflussen kann. Die Identifikation mit dem Club überträgt sich unweigerlich auf das eigene Verhalten. Und von den Mitstreitern, denen man Vertrauen entgegen bringt, bekommt man Solches auch meist zurück. Die damalige Wahl in den Vorstand als Jugendleiter wurde aus der Trainerschaft lanciert. Je länger ich mich mit etwaigen Aufgabenfeldern befasst habe, desto mehr Ideen strömten in meinen Kopf und desto mehr Optimierungspotential sah ich bei Themen, die im Mordernisierungsprozess vieler Vereine (und so auch bei uns) inzwischen zu Recht an Bedeutung gewonnen haben. Der Schritt vom Jugendleiter zum Geschäftsführer war irgendwann quasi notwendig, weil ich mich mehr und mehr mit intern allumfassenden Themen und Konflikten konfrontiert sah. Mit meinen Fähigkeiten und Talenten agierte ich im Laufe der Zeit sowieso Abteilungsübergreifend. Letztendlich zehre ich vom Vertrauen all unserer Mitglieder. Und unsere Mitglieder sind der Verein.

Wie sieht es bei all den Aufgabe mit dem eigenen Drang zum Fußballspielen aus - bleibt dafür noch Zeit?

Das Fußballspielen wird immer ein Teil von mir bleiben, alleine weil ich es als Ausgleich brauche. Abgesehen davon liebe ich meine Mitspieler zu sehr, um mir diese Zeit nehmen zu lassen, in der ich den Kopf frei bekomme. Und auch meine Krankenakte, die inzwischen dicker ist als mein Bauch, wird mich da nicht umstimmen - vorher kippe ich tot um. (lacht)

Kannst du dir vorstellen, auch mal für einen anderen Verein tätig zu sein?

Ich habe mich im vergangenen Jahr recht intensiv mit einem Wechsel auseinander gesetzt. Die Grundvoraussetzung dafür wäre aber ein hauptamtliches Engagement in einem anderen Verein.

Und solang bleibst du eben bei Stern 1900. Was zeichnet den Verein in deinen Augen aus?

Wir haben in allen Bereichen eine sehr hohe Kontinuität. Sei es sportlich, im Vorstand, oder im Bereich der Mitglieder. Ich bin nun immerhin schon über 15 Jahre bei Stern und sehe den Klub inzwischen als mein zweites Zuhause. Sicherlich bin ich eines der intern bestvernetzten Mitglieder, aber es ist einfach schön, dass man sich auf einige Leute seit Jahr und Tag verlassen kann, auf und neben dem Platz - denn das ist die "familiäre Atmosphäre", die beispielsweise auch dafür sorgt, dass im Aktiven-Bereich einige Spieler früher oder später den Weg zurück zum Sterner finden.

Welche Ziele hast du in Zukunft noch in der Vereinsarbeit und mit Stern 1900?

Ich strebe nach wie vor nach mehr Verantwortung und wachse an und mit meinen Erfahrungen. Mein Ziel ist es, wie ich es vielleicht schon habe anklingen lassen, zu einer gewissen Professionalisierung beizutragen und, einhergehend damit, die Vereinsinterne digitale Transformation federführend umzusetzen. Auch in Organisations- und Kommunikationsstruktur gibt es noch Verbesserungspotential, beides ist (trotz) klarer Aufgabenteilung manchmal ein bisschen (und jetzt fällt mir nur ein altersgerechtes Wort ein)… wild. Im Verein sollte nicht jeder „sein eigenes Süppchen kochen“ - denn „Verein“ bedeutet ja dem Wortsinn entsprechend, dass man zu jedem Zeitpunkt in und für eine/r Gemeinschaft agiert.

Mittelfristig wird es gezwungenermaßen zu einem Generationswechsel auf der Führungsebene unserer Vereine und Verbände kommen, vielerorts werden und müssen dann erstmals Digital Natives das Ruder übernehmen. Auf dem Weg dorthin möchte ich so viel Wissen wie möglich aufsaugen und selber durch die verbandsseitigen Qualifizierungs-Angebote mehr Kompetenz erlangen und entwickeln.

Und vielleicht schaffen wir es ja in der Zwischenzeit mit der 1. Herren noch einmal den Aufstieg in die Oberliga zu bewerkstelligen - denn das war eine wirklich tolle Erfahrung, die wir gerne noch einmal erleben würden.

Aufrufe: 07.10.2022, 06:29 Uhr
Marcel PetersAutor