Am Freitagabend kam keine weitere Minute hinzu, denn Eilers gehörte beim Verfolgerduell in Rostock nicht zum Verler Aufgebot. Das nagt natürlich an der Seele eines Vollprofis, doch der selbstbewusste Braunschweiger („Mein Anspruch ist es, von Anfang an zu spielen“) beschwert sich nicht, sondern verbindet seinen ungebrochenen persönlichen Ehrgeiz mit Teamspirit: „Ich will in dieser Saison noch zum großen Erfolg der Mannschaft beitragen.“
Durchhaltevermögen und Stehaufmännchen-Qualitäten hat Justin Eilers in seiner Karriere zur Genüge beweisen müssen. 2016 zum Drittligaspieler des Jahres gewählt und bei Meister Dynamo Dresden als Aufstiegsheld gefeiert, schien mit einem Dreijahresvertrag bei Werder Bremen die Zukunft rosig. Doch eine Hüftverletzung, eine Leistenoperation und ein Kreuzbandriss verhinderten den Durchbruch. Ohne ein Bundesligaspiel bestritten zu haben, wechselte er im Sommer 2018 zum griechischen Erstligisten Apollon Smyrnis.
Hier reichte es nur zu einem Einsatz, und im Januar 2019 kehrte er nach Deutschland zum Drittligisten Sf Lotte zurück. Auch dies ein verunglücktes Intermezzo: Verletzungsbedingt kam Eilers nur zu zwei Einsätzen, und Lotte stieg in die Regionalliga ab. Das einzig Positive: Endlich wurde die Ursache für die hartnäckigen Beschwerden gefunden und im März 2019 operativ beseitig – ein Überbein am Hüftknochen. Es folgte allerdings nicht nur eine lange Phase der Vereinslosigkeit, sondern auch der finanzielle Kollaps: Im Juli 2019 musste Eilers Privatinsolvenz anmelden.
„Wenn du so viele Rückschläge in kurzer Zeit erleidest, gehen irgendwann der Glaube und die Energie verloren. Ich war verzweifelt und bin fast daran zerbrochen“, sagte der Stürmer im April 2020 in einem Interview mit dem Werder-Magazin „Deichstube“. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Fußballer entschlossen, nach fast vierjähriger Leidenszeit einen letzten Anlauf in Richtung Profifußball zu unternehmen. „Ich hatte den unbedingten Willen, es noch einmal zu schaffen“, sagt Eilers.
Nichts deutete darauf hin, dass er diesen Versuch ausgerechnet beim SC Verl unternehmen würde. Eigentlich passte er als namhafter 32-Jähriger „Ex-Profi“ gar nicht in das „Beuteschema“ des Drittliga-Neulings. Doch es kam anders. „Als sich der Kontakt ergeben hat, ging alles sehr schnell, quasi von einem Tag auf den anderen“, schildert Eilers den Ablauf im Spätsommer 2020.
Der Vorgeschichte geschuldet war die lange Phase des Probetrainings: Statt der üblich drei bis vier Einheiten gastierte Eilers drei Wochen an der Poststraße. Nach Toren in den Testspielen gegen Köln II und Osnabrück erhielt er schließlich am 23. September einen bis zum Saisonende datierten Vertrag. „Ich war dankbar und glücklich, dass mir der SC Verl die Chance gegeben hat“, sagt Eilers rückblickend.
Der Sportclub seinerseits war zum einen überzeugt vom fußballerischen Potenzial des Routiniers. Zum anderen wurde ihm die Verpflichtung durch die Bereitschaft des Spielers erleichtert, „selber das Risiko mitzutragen“, wie Raimund Bertels umschreibt. Die genauen, an Einsätze gebundenen Vertragsmodalitäten verrät der SCV-Präsident natürlich nicht.
Dass es Zeit brauchen würde, bis Justin Eilers seine persönliche Topform erreichen oder gar zu einer Leitfigur im Team werden kann, war allen Beteiligten klar.
„In anderen Berufen kehrt man nach drei Jahren Pause auch nicht gleich als Geschäftsführer zurück“, vergleicht der Spieler. Mit der ersten Einwechslung im vierten Saisonspiel bei der 1:2-Niederlage in Ingolstadt war der erste Schritt allerdings getan. Doch prompt stellten sich muskuläre Probleme ein und setzten ihn für die beiden nächsten Partien auf die Verletztenliste. Eilers kämpfte sich wieder heran, doch weil die eingespielte Mannschaft sehr erfolgreich war, reichte es bis zum Jahresende nur zu vier weiteren Kurzeinsätzen.
Die Pläne, ein Sportmanagement-Studium zu beginnen und den Trainerschein zu erwerben, hat er gleichwohl im Kopf. Was die Chance angeht, erneut einen Zweitligaaufstieg zu feiern, hält er sich aktuell noch bedeckt: „Es sind noch zu viele Spiele.“ Ausschließen tut er das aber nicht: „Wenn wir sechs oder sieben Spieltage vor Saisonende immer noch so gut dastehen wie jetzt, warum sollte man dann nicht vom Größtmöglichen träumen?“ Und vielleicht hat damit Justin Eilers sogar noch einmal die Chance, aus dem Schattendasein heraus ins Rampenlicht zu treten.