2024-05-10T08:19:16.237Z

Pokal
DING-DONG: In der 85. Minute schlug das unglaubliche Geschoss von Robert Andrich im Winkel des Verler Kastens ein. Brüseke war ohne Chance.
DING-DONG: In der 85. Minute schlug das unglaubliche Geschoss von Robert Andrich im Winkel des Verler Kastens ein. Brüseke war ohne Chance. – Foto: Dünhölter

„Andrich-Geschoss“ beendet den Pokal-Traum des SC Verl

Regionalligist scheidet durch eine 0:1-Pleite gegen Union Berlin aus. SC Verl Präsident Raimund Bertels sah den Bundesligist „am Rand einer Niederlage“ und habe „über weite Strecken keinen Unterschied“ gesehen.

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Vierzig Mitglieder des Fan-Clubs „Der Harte Kern“ eröffneten das DFB-Pokalspiel des SC Verl gegen Union Berlin mit einer aufwendigen Choreographie. Mit sechs großen Figuren-Transparenten stellten sie auf der proppevollen Nordtribüne der Sportclub-Arena den „Weg der Verler Bauern nach Berlin“ nach. Auch wenn ihre Idole nicht über das Viertelfinale hinauskamen und deshalb beim traditionell im Berliner Olympiastadion stattfindenden Endspiel doch wieder nur Zuschauer sein werden, weil sie dem Bundesligazwölften durch einen von Robert Andrich abgefeuerten „Sonntagsschuss in der 85. Minute sehr, sehr unglücklich mit 0:1 unterlagen“, wie Martin Brummel vom harten Kern enttäuscht feststellte.

DFB-Pokal 18:30 SC Verl 0:1 1. FC Union Berlin

Seine mit dem tollen Kampfspiel zufriedenen Anhänger verabschiedeten den Regionalligazweiten nach der dritten beeindruckenden Pokalleistung mit den Siegen gegen Augsburg und Kiel als unvergessliche Höhepunkte trotzdem mit Standing Ovations. Als dann auch noch ein fröhliches „Oh wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen“ von der Westtribüne schallte, schaute Raimund Bertels stolz auf die Ränge in der mit über 5.000 Zuschauern erneut ausverkauften Arena. „Diese positive Stimmung für den Sport-Club müssen wir jetzt mit in die Meisterschaftsrunde nehmen.“

Für den Vorsitzenden des SC Verl hatten sich der „riesige organisatorische Aufwand und die Ausgaben von gut 100.000 Euro für die Durchführung dieser Partie“ indes schon vor dem Anpfiff mehr als gelohnt. „Es ist doch unglaublich, was für einen Imagegewinn wir erzielt haben, indem wir im Pokal so weit gekommen sind und weil jetzt auch noch zeigen konnten, dass wir ein Drittrundenspiel im deutschen Pokalwettbewerb in unserem Stadion aufziehen können.“ Dieses Fazit gilt umso mehr, als der Sport-Club die in einer nach dem Kiel-Spiel fälligen Sitzung des DFB-Kontrollausschusses noch einmal verschärften Anforderungen des DFB in Sachen Sicherheit, Medienbetreuung und VIP-Angebot nachgekommen ist.

Unmittelbar nach dem Schlusspfiff überwog bei Bertels zwar noch der Ärger, dass sich die Mannschaft „so ein dummes Gegentor eingefangen“ hätte, als sie „drauf und dran war, verdientermaßen in die Verlängerung einzuziehen, und so „um den Lohn für ihre großartige Leistung gekommen“ sei. Aber je länger die von den Fernsehsendern Sky und ARD direkt auf dem Spielfeld geführten Interviews liefen, setzte sich auch beim Vorsitzenden die Erkenntnis durch, dass der Sport-Club „wieder ein geiles Spiel abgeliefert“ hatte. „Wenn wir morgen aufwachen wird der Stolz überwiegen, dass wir einen Bundesligisten nicht nur herausgefordert, sondern sogar am Rand einer Niederlage hatten. Ich habe jedenfalls über weite Strecken keinen Unterschied gesehen.“ Bertels unterstrich noch einmal dick, dass sich diese tolle Mannschaft ihren Prämienanteil an dem bisher verdienten Fernsehgeld von 300.000 Euro für den Sieg in der 1. Runde und 700.000 Euro für den Erfolg in der 2. Runde verdient hat.

Auf die Choreographie der SCV-Fans antworteten die 1.200 Anhänger von Union Berlin auf der Ost- und Südtribüne mit Pyro-Technik und blinkenden Lichtern. Doch davon, dass der Bundesligist anschließend ein Fußballfeuerwerk abgebrannt hätte konnte keine Rede sein. „Natürlich war das ein glücklicher Erfolg, aber wer spricht da jetzt noch von“, urteilte Marius Bülter. Der eingewechselte Stümer, der sich im Trikot des SV Rödinghausen schon so manches Duell mit dem SC Verl geliefert hatte, stellte deshalb auch heraus: „Die Mannschaft hat sich toll entwickelt und es uns richtig schwer gemacht.“

Sein Trainer Urs Fischer war „deshalb auch nicht nur mit dem Weiterkommen zufrieden, sondern auch mit der Art und Weise“. Wer gegen diesen SC Verl nicht bereit sei, konsequent gegen den Ball zu arbeiten, würde Probleme bekommen. „Aber wir wussten ja, was uns hier erwartet. Ich bin sicher, dass diese Mannschaft noch viel erreicht.“


Stimmen zum Spiel:

Reinhard Schröter (Ex-Coach des SCV, vor dem Anpfiff): „Ich rechne heute mit 120 Minuten.“

Rino Capretti (SCV-Trainer): „Ich bin stolz auf meine Mannschaft. Unser Ziel war es, eine Top-Leistung auf den Rasen zu bringen und Fußball mit Leidenschaft und Herz zu zeigen – das haben wir getan. Teilweise haben wir sogar unseren Fußball durchgesetzt und es dem Bundesligisten sehr schwer gemacht. Vielleicht hätten wir ganz vorne noch etwas zwingender sein können, und ein wenig hat uns auch das Matchglück gefehlt. Wenn man aber in der 85. Minute durch einen Sonntagsschuss verliert, ist das natürlich mega bitter.“

Uli Sude (ehemaliger Gladbacher Bundesligatorhüter): „Man muss den Hut ziehen vor der Verler Leistung. Das war von der Einstellung her und auch fußballerisch ein Duell auf Augenhöhe.“

Oliver Ruhnert (Manager Union Berlin): „Aufgrund des späten Tores war der Sieg über einen sehr guten Gegner glücklich, aber aufgrund der gesamten 90 Minuten und angesichts unserer klaren Torchancen war er verdient. Ein Riesenkompliment an den SC Verl, für das, was er leistet und was er heute auf die Beine gestellt hat.“

Zlatko Janjic (SCV-Stürmer): „Die Enttäuschung ist riesengroß. Wenn man die ganze Zeit mithält und dann so ein dämliches Gegentor kriegt, das wir vorher hätten verhindern können, ist das total ärgerlich.“

Manfred Niehaus (SCV-Urgestein): „Ich habe keinen Unterschied gesehen zwischen Bundesliga und Regionalliga – wir haben uns toll verkauft. Es ist sehr undankbar, dass man so ein Spiel in der 85. Minute durch einen absoluten Sonntagsschuss verliert.“

Ron Schallenberg (SCV-Spieler): „Vor dem Gegentor will ich den Ball klären, aber er springt mir unglücklich gegen den Fuß – das ist bitter. Vom Einsatz her müssen wir uns nichts vorwerfen.“

Hans Katzwinkel (SCV -Vizepräsident): „Es war für alle Beteiligten ein tolles Event. Trotz aller Freude darüber ist es ärgerlich, so auszuscheiden.“

Aygün Yildirim (SCV-Stürmer): „Natürlich war der Gegner stark, aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass wir ein Tor schießen können. Und irgendwann war klar: Die Mannschaft, die ein Tor schießt, gewinnt das Spiel.“

Linda Schnusenberg (Mitglied der Cheerleadergruppe): „Das war unheimlich aufregend, uns haben die Beine gezittert. Schade, dass es nicht gereich hat, wir wären gerne noch einmal bei so einem Pokalspiel aufgetreten. Aber wir wollen ja in den Sport-Club eintreten und ihn auch bei den normalen Spielen unterstützen.“

Robin Brüseke (SCV-Torhüter): „Den Ball hat der Andrich gut getroffen. Das macht die individuelle Qualität aus, das ist halt Bundesliga, da fliegt eben auch mal so ein Ball in den Winkel.“

Andreas Ortkemper (Ex-Torhüter des SC Verl): „Schade, wir waren lange gleichwertig, mussten nicht verlieren. Aber was hier heute und auch schon in den anderen Pokalspielen abging, das ist doch eine Belohnung, für die vielen Menschen, die sich für diesen Verein nun schon seit Jahren den Arsch aufreißen.“

Aufrufe: 05.2.2020, 22:00 Uhr
Uwe Kramme, Wolfgang Temme / FuPaAutor