2024-04-29T14:34:45.518Z

FuPa Portrait
Sein Abteilungsleiter Karl Dirr ist in solchen Dingen konservativ und sagt über die Tattoos von Marvin Länge: „Einen Makel hat selbst er.“ Der Fußballer hofft dagegen, dass ihm sein Schutzengel über die schwere Verletzungszeit hilft.
Sein Abteilungsleiter Karl Dirr ist in solchen Dingen konservativ und sagt über die Tattoos von Marvin Länge: „Einen Makel hat selbst er.“ Der Fußballer hofft dagegen, dass ihm sein Schutzengel über die schwere Verletzungszeit hilft. – Foto: Jan Kubica

Der Schmerz und der Schutzengel

Lange pendelte der Bubesheimer Spielertrainer Marvin Länge zwischen Leidensbereitschaft und Hoffnung +++ Nun muss er mit dem aktiven Sport aufhören – für immer?

Marvin Länge zählt zu jenen Amateurfußballern, an deren Vorbild und Leistungsbereitschaft sich eine ganze Mannschaft aufrichten kann. Gleichzeitig ist er einer, der wichtige Partien zur Not auch mal allein entscheiden kann. Kurz: Er ist ein Unterschied-Spieler. Davon gibt’s nicht allzu viele. Umso schwerer wiegt es, wenn so einer plötzlich fort ist. Genau das geschieht gerade beim Bezirksligisten SC Bubesheim. Der 30-jährige Spielertrainer muss den aktiven Teil seiner Laufbahn beenden. Sofort. Zu groß sind die Schmerzen geworden. Zu mahnend die Expertise seines behandelnden Arztes, der eine fortgeschrittene Arthrose im linken Hüftgelenk des Fußballers festgestellt hat. Mit kummervoller Miene berichtet Länge nach einer von unzähligen Konsultationen, die ihn zuletzt häufig ins Orthopädie Zentrum Augsburg geführt hatten: „Der Arzt meinte, er habe noch nie einen 30-Jährigen mit einem derart eingeschränkten Bewegungsradius in der Hüfte gesehen.“

Die Diagnose wirkte wie ein Knock-out. Ein Leben voller Hingabe an den Sport – urplötzlich zu Ende? Eine Karriere, die mit beinahe sechs Jahren Aufenthalt im Fußball-Internat des VfB Stuttgart begann und Länge in die Regionalliga-Mannschaft des SSV Ulm 1846 und des FC Memmingen führte – Knall auf Fall vorbei? „Das will man im ersten Moment nicht wahrhaben“, erzählt der in Münsingen lebende Familienvater.

Dabei fing seine Leidensgeschichte ganz harmlos an. Irgendwann zwickte es eben irgendwo im Leistenbereich. Normalfall für einen Fußballer. Zähne zusammenbeißen und weiter geht’s, immer weiter. Ursachen für mögliche Überlastungsverletzungen waren ja auch zahlreich vorhanden. Seit er zehn war, spielte der von Natur aus mit O-Beinen versehene Bub und später der Mann drei, viermal wöchentlich Fußball, draußen und drinnen, auf stets wechselnden Untergründen. Und die Schmerzen gingen ja auch wieder, vorübergehend. „Ich dachte vor einem Jahr, ich hätte es im Griff“, bemerkt der Kicker mit spöttischem Unterton. Aber der Schmerz kam zurück. Und blieb. Bis der Arzt ihm dringend nahelegte, seine Fußballer-Laufbahn unverzüglich zu beenden. Bis Länge selbst dämmerte: „Man kann sagen, dass mich der Fußball zum Krüppel gemacht hat.“

Es ist ein äußerst schmerzhafter Einschnitt für den Sportler. Und auch für den SC Bubesheim, dessen Abteilungsleiter Karl Dirr natürlich reagieren musste und in Person von David Bulik auch schon einen Nachfolger eingewechselt hat. Doch das Schicksal von Länge wirkt noch zu frisch, als dass es ein schnelles Zurück in den Alltag geben könnte. Immerhin besteht zwischen dem Spitzenfunktionär und seinem bisherigen Spielertrainer „fast eine Vater-Sohn-Beziehung“, wie Dirr es nennt. Zur Herzensangelegenheit sei die Sache im Lauf der Jahre angewachsen, weil Fußball für beide Sportskameraden viel mehr ist, als ein schnödes 1:0. So zumindest betonen sie es. Dirr spricht von „großem gegenseitigem Vertrauen“, das allein schon daraus abzulesen sei, dass er im Lauf der Zeit immer häufiger darauf verzichtet hat, vor den Begegnungen und in den Pausen Präsenz in der Kabine zu zeigen und motivierende Ansprachen zu halten. Länge beschwört derweil, für ihn spiele im Verein „das Persönliche, das Familiäre eine noch größere Rolle als das Sportliche“. Länge rechnet es seinen Weggefährten in Bubesheim hoch an, dass sie ihn auch in schwierigen Lebenssituationen nie hängen ließen.

Der Spartenchef lobt die Chemie im Kader ebenfalls über den Schellenkönig und legt Wert auf die Feststellung, Länge sei ein „überragender Teamplayer“. Ganz gegen seine Gewohnheit hatte er dem Sportler nun sogar angeboten, als Nur-Trainer weiterzumachen. Das aber wollte Länge nicht. Im Gegensatz zur Außenwelt sieht sich der 30-Jährige selbst nämlich zuerst als Spieler und dann erst als Trainer. Deshalb formuliert er: „Ich habe später noch genug Zeit, um nur Trainer zu sein. Jetzt würde mir nach zwei Wochen etwas anders weh tun als die Hüfte – mein Herz.“

Das blutet ohnehin bereits genug. Denn so hoffnungsfroh sich Länge auch geben mag: ihm ist selbst klar, dass er nie mehr ganz gesund wird. Es wäre viel gewonnen, wenn er seinen Alltag wieder schmerzfrei bewältigen könnte. Momentan fühlt sich jeder Richtungswechsel an, „als würde ich ein Messer in die Hüfte kriegen“. Unterdessen konzentriert er sich auf andere zentrale Punkte seines Lebens. Unlängst hat der selbstständige Immobilienmakler ein Architektur-Studium begonnen. In Sachen Fußball setzt er auf den Schutzengel, den er sich vor einigen Jahren in seine linke Körperseite stechen ließ – auch wenn der in den nächsten Monaten schon viel leisten müsste, um Länge ein Comeback zu ermöglichen. Der Sportler nimmt’s mit einem Achselzucken und einem angedeuteten Lächeln und versichert: „Es ist für mich kein Ende. Eher ein Pausieren. Und ein Hoffen, dass ich irgendwann wieder angreifen kann.“ Seinen Spielerpass hat er beim SC Bubesheim gelassen. Er könnte also sofort wieder aufs Feld. Wenn er es kann.

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Aufrufe: 021.6.2019, 11:51 Uhr
Günzburger Zeitung / Jan KubicaAutor