2024-05-02T16:12:49.858Z

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F: Weiderer
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„Es gibt nur ein Ziel: 1860 München“

Vor dem Start in die Regionalliga hofft Coach Bierofka auf ein Ende der Machtkämpfe und leidenschaftliche Spielerrn

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Vor dem Start in die Regionalliga hofft Coach Bierofka auf ein Ende der Machtkämpfe und leidenschaftliche Spieler

München – Daniel Bierofka ist der Mann, der beim tief gespaltenen TSV 1860 alle vereint: Ismaik-Jünger, Ismaik-Gegner, Ultras, Allesfahrer, normale Mitglieder. Selbst die beiden Gesellschafter, die sich spätestens seit dem Doppelabstieg komplett voneinander entfernt haben, waren sich in diesem einen Punkt sofort einig: Bierofka, 38, ist der Trainer, der den sportlichen Totalschaden reparieren soll. Loyal, wie der Ex-Profi ist, ließ er sich auch gar nicht lang bitten. Er schaffte es, das Gros seiner erfolgreichen U 21 zu halten, motivierte drei altgediente Profis (Timo Gebhart, Jan Mauersberger, Sascha Mölders) für den Neuaufbau in der Regionalliga. Ob Bierofkas Löwen ihrer Favoritenrolle gerecht werden, wird erstmals morgen zu sehen sein, beim Ligastart in Memmingen (19 Uhr/live bei Sport 1). Wir sprachen mit dem Mann, der beim nie zur Ruhe kommenden TSV für ein Minimum an Kontinuität steht – und für ein Maximum an Leidenschaft.

-Daniel Bierofka, vier Wochen Vorbereitung sind vorüber, Sie starten am Donnerstag in Ihre vierte Regionalliga-Saison. Fühlt sich das anders an, wenn man plötzlich nicht mehr die U 21, sondern die erste Mannschaft trainiert?

Ja, klar. Schon weil ein ganz anderer Druck da ist. Vorher stand der Ausbildungscharakter im Vordergrund – jetzt werden Ergebnisse erwartet.

-Die Aufmerksamkeit beim Start wird gigantisch sein. Ausverkauftes Stadion, Sport1 überträgt live. Was können Sie tun, damit das junge Team keine weichen Knie bekommt?

Aktionismus bringt nichts. Die Jungs sollen ganz ruhig bleiben. Es ist das erste von 36 Spielen, kein Endspiel, nicht mal ein richtungweisendes Spiel. Selbst wenn wir verlieren, sagt das nichts aus für den Rest der Saison.

-Gebibbert wird auch auf vereinspolitischer Ebene, das Thema Insolvenz schien zuletzt akuter denn je zu sein. Befürchten Sie, dass es vor dem Start noch eine Hiobsbotschaft gibt?

Nein. Ich bleibe optimistisch, dass sich die Gesellschafter einigen werden. Keiner will eine Insolvenz, denke ich.

-Es dürfte aber nicht leicht sein, das Thema von der Mannschaft fernzuhalten. Neun Punkte Abzug wären die Folge – fatal für die Motivation.

Herr Fauser (der Geschäftsführer/Red.) hat am ersten Trainingstag mit der Mannschaft gesprochen, seitdem haben wir das möglichst weit weg von der Mannschaft gehalten. In der Kabine war das bisher kein Thema. Und wenn es doch zum Punktabzug kommen sollte, dann müssen wir es so hinnehmen.

-Wo stehen Sie eigentlich in dem ganzen politischen Theater? Klar auf Vereinsseite? Oder haben Sie auch Verständnis für die Investorenseite?

Ich stehe auf gar keiner Seite, für mich geht es nur um 1860 München. Ich will die bestmögliche Lösung für unseren Verein, und ich würde mir wünschen, dass auch alle anderen ihre Einzelinteressen in den Hintergrund stellen.

-Neue, alte Heimstätte wird wohl das Grünwalder Stadion sein. Was löst das in Ihnen aus? Auch die Stadionfrage birgt ja immenses Spaltpotenzial.

Noch ist ja keine definitive Entscheidung gefallen, deswegen kann ich nur sagen: Wir nehmen es, wie es kommt, aber klar: Mein Vater war Spieler und Trainer im Grünwalder, auch ich hab dort meine ersten Eindrücke gesammelt. Ich verbinde schon was mit dem Stadion. Aber ich hab auch nichts gegen die Arena, hab dort ja noch selber gespielt und mich auch als Trainer wohlgefühlt.

-Sportlich dürfte das Niveau gestiegen sein, nachdem es wenig Abgänge gab und drei Routiniers dazugekommen sind.

Das ist schwer zu sagen, denn die Neuen sind ja erst in der Vorbereitung dazugekommen, die eh schon kurz war. Bisher war es so, dass meine Mannschaften in der Rückrunde immer mehr Punkte geholt haben als in der Hinrunde. Daher gehe ich davon aus, dass wir uns im Laufe der Saison entwickeln werden.

-Nicht jeder Fan ist ja schon mit der neuen Mannschaft vertraut. Kleiner Service für unsere Leser: Welche Startelf ist zu erwarten, welches System?

Die Startelf wird wahrscheinlich ähnlich ausschauen wie gegen Heimstetten (beim 4:0). Offen ist noch, wer im Tor steht – und zwei, drei andere Positionen. Da muss ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen. Was das System angeht, werden wir sehr variabel sein. Wir können 4-3-3 spielen, 5-3-2. Die Gegner sollen uns nicht in die Karten schauen.

-Und auf welche Spieler dürfen sich die Fans besonders freuen?

Sascha (Mölders) und Timo (Gebhart) haben höherklassig gespielt; ich hoffe, dass sie unserem Spiel ihren Stempel aufdrücken können. Was uns darüber hinaus ausmacht, ist hohes Tempo, hohe Aggressivität im Spiel gegen den Ball. Die Spiele werden intensiv sein – und ganz sicher nicht langweilig. Herz, Biss, Leidenschaft – all das dürfen die Zuschauer erwarten.

-Wie sehr schmerzt Sie der Abgang von Sturmtalent Moritz Heinrich?

Moritz kam auf mich zu und fragte, ob er sich verändern darf. Er rechnet sich wahrscheinlich aus, dass er bei Benno Möhlmann in Münster bessere Chancen hat, sich in der Startelf zu etablieren. Bei uns wäre es jede Woche ein Hauen und Stechen gewesen.

-Nach Platz zwei im Vorjahr dürfte ein ehrgeiziger Mensch wie Sie bestrebt sein, das Ergebnis noch mal zu verbessern . . .

Schön wär’s, aber die Ausgangslage ist eine ganz andere. Letztes Jahr waren wir 1860 II, da hat uns keiner so richtig wahrgenommen. Jetzt ist die Aufmerksamkeit viel stärker. Es wird viel mehr auf die Mannschaft einprasseln. Wenn sie lernt, damit umzugehen, ist einiges möglich.

-Pipinsried, Eichstätt, Schalding-Heining. Sie kennen sie ja bereits, die neuen Reiseziele. Gibt es etwas außer dem Spanferkel von Buchbach, auf das Sie sich besonders freuen?

Außergewöhnlich in der Liga sind vor allem die engen Stadien. In Schalding stehen die Zuschauer fast neben einem – die könnten mir problemlos auf die Schulter tippen. Alles ist so eng, so nah, so intensiv. Darauf dürfen sich die Fans freuen – wenn sie denn eine Karte kriegen (lächelt).

-Viele erwarten einen Zweikampf um die Spitze zwischen Ihren Löwen und dem FC Bayern II.

Was andere erzählen, ist nicht so wichtig für mich. Schweinfurt ist sehr erfahren und wird eine gute Rolle spielen. Bei Bayern kommt die erfolgreiche U 19 dazu, Memmingen darf man nie aus den Augen lassen. Es liegt an uns. Wenn wir gut reinkommen, können wir jeden Gegner vor Probleme stellen.

-Saisonziel ist . . .

. . . erst mal die Mannschaft zu stabilisieren. Und dann müssen wir schauen, dass wir in einen Lauf reinkommen.

-Profifußball beim TSV 1860 ... .

. . . wird es wieder geben. Davon bin ich fest überzeugt.

-Ruhe in diesem Verein kehrt ein, wenn . . .

. . . alle endlich an einem Strang ziehen. Es gibt nur ein Ziel, und das heißt 1860 München.

-Daniel Bierofka ist in fünf Jahren Trainer von . . .

Puh, das ist mir zu weit gegriffen. Ich hoffe, dass ich es länger hier aushalte als viele meiner Vorgänger.

-Was muss passieren, dass auch Sie irgendwann sagen: Mir reicht’s mit dem ewigen Theater?

Ich hab hier schon so viel mitgemacht, dass mir nichts mehr so schnell Stress bereitet. Wer meinen Werdegang verfolgt hat, der weiß: Wenn ich eines kann, dann kämpfen für eine Sache. Und genau das versuche ich meiner Mannschaft einzutrichtern.

-Die Mitglieder müssen am 23. Juli einen neuen Präsidenten wählen – es ist viel Gegenwind für Robert Reisinger zu erwarten. Haben Sie eine Idee, wie sich die tiefen Gräben im Klub wieder zuschütten lassen?

Schwierig momentan. Ich würde mir nur wünschen, dass alle meine junge Mannschaft unterstützen, denn das hat sie sich verdient.

-Sie selber hätten nicht zufällig Interesse an einem Nebenjob?

(lacht). Danke, darauf kann ich verzichten. Ich bin viel zu ehrlich, um ein guter Politiker zu sein.

Das Gespräch führte Uli Kellner

Aufrufe: 012.7.2017, 16:06 Uhr
Uli KellnerAutor