2024-05-02T16:12:49.858Z

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– Foto: Heiko van der Velden

Als leere Plätze im Stadion normal waren

Corona setzt neue Zuschauermaßstäbe in der Bundesliga. Aber es gab Zeiten, da waren kleine Kulissen für die Profi-Vereine üblich.

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Es sind die ersten Liga-Heimspiele der neuen Saison, und es wird gleich Negativ-Rekorde geben. Maximal 10.800 Menschen werden Augenzeuge des Treffens von Borussia Mönchengladbach mit dem 1. FC Union Berlin sein – so wenige wie noch nie bei einem Bundesliga-Spiel im 2004 bezogenen Borussia-Park, mal abgesehen von den fünf Geisterspielen der Vorsaison.

In der Landeshauptstadt sieht es ebenso aus: Da die Stadien nahezu gleich groß sind, dürfen hier zu Fortunas Zweitligaspiel gegen die Würzburger Kickers ebenfalls 10.800 kommen.

Die Corona-Pandemie sorgt für neue Dimensionen im Profifußball, nicht nur in Mönchengladbach und Düsseldorf. Für die deutsche Bundesliga waren leere Stadien in ihrer jüngeren Geschichte bis Anfang März 2020 eine unbekannte Erfahrung. Doch es gab Zeiten, als die Bundesliga keine Magnetwirkung hatte und Zuschauerzahlen im vierstelligen Bereich auch ohne Corona nicht selten waren.

Für den absoluten Minus-Wert bei Heimspielen jenseits von Corona-Bedingungen sorgte in Gladbach indes ein Europapokal-Spiel. Gegen IB Vestmannaeyjar kamen am 3. Oktober 1973 nur 4000 Zuschauer. Das hätte selbst auf den engen Rängen des Bökelbergs keine Abstands-Probleme im Sinne der Corona-Regeln bedeutet. Und schon gar nicht der Bundesliga-Tiefstwert: 827 Zuschauer verloren sich im Januar 1966 im Berliner Olympiastadion, als Tasmania Berlin Gladbach empfing. Das war rund ein Prozent der möglichen Zuschauerzahl.

In Düsseldorf gehörten weitgehend leere Ränge im Rheinstadion viele Jahre lang zum Alltag. Legendär ist zum Beispiel der Mai 1979: Da hatte Fortuna mittwochs dem großen FC Barcelona im Finales des Europapokals der Pokalsieger einen furiosen Kampf geliefert und erst nach Verlängerung 3:4 verloren – und zum Bundesliga-Heimspiel gegen Arminia Bielefeld drei Tage später kamen gerade einmal 16.000 Besucher. Kaum mehr, als zum Finale nach Basel gefahren waren.

Den geringsten Zuschauerschnitt hatte die Bundesliga in der Saison 1972/73, als durchschnittlich 16.387 Fans pro Spiel gezählt wurden. Das über Jahre geringste Interesse am Bundesliga-Fußball gab es aber in den 80er Jahren, als die Nationalmannschaft zwar Europameister und zweimal Vize-Weltmeister wurde, die Art des Fußballs und die Profis selbst aber keinen guten Ruf genossen. Von der Saison 1983/84 bis zur Spielzeit 1989/90 gab es einen Schnitt von unter 20.000 Fans pro Spiel.

Auch in Mönchengladbach waren die 80er Jahre sportlich eigentlich recht beachtlich, aber zuschauertechnisch schwierig. Gladbach spielte fast immer in Europa, stand 1980 im Uefa-Cup-Finale, 1987 im Halbfinale des Wettbewerbs und 1984 im DFB-Pokal-Endspiel. 1987 bekamen die Fans in Uwe Rahn den Torschützenkönig und Fußballer des Jahres auf dem Bökelberg zu sehen. Dennoch gab es zwischen 1979 und 1989 mehr als 20 Bundesliga-Heimspiele mit unter 10.000 Besuchern. Vorher war das nach dem Aufstieg 1965 nur neunmal passiert. Fast immer lag der Schnitt unter 20.000 Zuschauern. Ausverkauft waren, wenn überhaupt, nur Spiele gegen die Bayern.

Diese wiederum füllten ihr Olympiastadion seinerzeit längst nicht immer: Gerade bei Wochentagsspielen kratzte der FCB oft gerade einmal an der 20.000er-Marke. Kein Wunder also, dass Fortuna Düsseldorf trotz einer Hochphase von Ende der 70er bis Mitte der 80er Jahre keinen Boom auf den Rängen des architektonisch schönen, aber zugigen Rheinstadions auslöste.

Es gab viele dieser Fußball-Schüsseln, neben Düsseldorf in Hamburg, Gelsenkirchen, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München. Die Fans waren wegen der Laufbahnen weit weg, die Stimmung entsprechend distanziert. Zudem gab es Probleme mit Hooligans, Stadien waren in jenen Jahren keine schönen Orte für Familien und Frauen. Seit dem WM-Sieg des DFB-Teams 1990 ging es mit den Besucherzahlen der Bundesliga dann stetig nach oben. Wobei auch da die Ausnahmen die Regel bestätigten: Fortunas Abschied aus der Bundesliga im Jahr 1992 begleiteten am letzten Spieltag heute fast unglaubliche 6500 Besucher; immerhin gegen den Hamburger SV, der damals eine populäre Marke im deutschen Fußball war.

Seit der WM 2006 hat Deutschland die wohl höchste Dichte an regelrechten Fußball-Tempeln weltweit. Und zudem ist da eine vitale Fan-Kultur, die zudem reisefreudig ist wie in kaum einem anderen Land. Allein in der englischen Premier League und vielleicht in der Türkei waren vor der Corona-Situation volle Stadien ebenso häufig wie hierzulande.

Die Zeiten, als ständig viel Platz im Stadion war, sind also vorbei, in Gladbach gab es das letzte Spiel mit einer vierstelligen Kulisse 1989. Doch durch Corona sortiert sich alles nochmal neu. Am 11. März war das Derby zwischen Gladbach und Köln das erste Geisterspiel der Bundesliga, dann fand der Rest der Saison ohne Zuschauer statt. Nun kehren die Fans langsam zurück. Die verwöhnte Liga freut sich nun auch über bescheidene Kulissen. „Es ist sehr, sehr geil, dass wir wieder so viele Fans dabei haben“, sagt Borussias Schwede Oscar Wendt – und Fortunas Kapitän Adam Bodzek stimmt ihm nachdrücklich zu.

Aufrufe: 024.9.2020, 12:00 Uhr
RP / Bernd Jolitz und Karsten KellermannAutor