2024-05-10T08:19:16.237Z

Aufreger der Woche
Am kommenden Wochenende ruht der Ball im Saarland. Der Grund: Die Schiedsrichter streiken.
Am kommenden Wochenende ruht der Ball im Saarland. Der Grund: Die Schiedsrichter streiken. – Foto: Thomas Rinke

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Nach Attacken auf Schiedsrichter im Saarland streiken die Regelhüter +++ Mit spielfreiem Wochenende „die Öffentlichkeit wachrütteln“

Saarbrücken. Hinterrücks wurde er niedergestreckt. Im Vereinslokal, wo er eigentlich nur den Schlüssel für seine Kabine holen wollte. Zu Boden geschlagen von einem frustrierten Fußball-Vater, der mit den Entscheidungen des Referees nicht einverstanden gewesen sein soll. Die Attacke auf einen 37-jährigen Schiedsrichter nach einem C-Jugendspiel in Merzig-Brotdorf sorgte für einen Sturm aus Entsetzen und Ratlosigkeit. Nun ruht der Ball. Drei Tage lang. Am Wochenende vom 13. bis 15. September finden im Saarland keine Fußballspiele statt. Dies gilt für alle Meisterschaftsspiele auf Landesebene. Von den E-Junioren bis hoch zu den Erwachsenen. Frauen-, Herren- und Seniorenspiele bis hoch zur Saarlandliga fallen aus, werden verschoben. Die Schiedsrichter streiken, der Spieltag ist für November neu angesetzt.

„Was wir hier machen, ist für uns die Ultima Ratio“, spricht Volkmar Fischer im Gespräch mit dieser Zeitung vom letzten Ausweg. Der saarländische Verbandsschiedsrichterobmann und seine Kollegen wollen ein Zeichen setzen, die „Öffentlichkeit wachrütteln“, wie er selbst sagt. Die Botschaft: Hass und Gewalt sind auf dem Fußballplatz in keiner Form angebracht. „Nach dem erschreckenden Vorfall bei der C-Jugend wurde bereits eine rote Linie überschritten“, sagt Fischer. „Für mich gibt es nicht die richtige oder falsche Lösung“, sagt der Obmann, aber durch zwei weiteren Vorfälle eine Woche später, „war klar, dass wir eine Reaktion zeigen müssen.“ In den vergangenen zwei Jahren habe es mindestens 35 solcher Vorfälle gegeben.


Hoffnung, dass andere Landesverbände nachziehen


Deutschlandweit sei dies ein Thema. Im April 2017 (Weser-Ems) und April 2018 (Frankfurt) wurden Kreise von Schiedsrichtern bestreikt. Auch in Berlin, Niedersachsen und NRW kam es zu weitreichenden Ausfällen. Doch dass sich gleich ein ganzer Verband geschlossen hinter seine Schiedsrichter stellt, passiert erstmalig. „Aus Solidarität mit den betroffenen Schiedsrichterkameraden fühlen wir uns dazu angehalten, ein Zeichen zu setzen, das auch in der Breite wahrgenommen wird“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Verband. Man sehe keinen anderen Weg, sich ausreichend Gehör zu verschaffen.



Auch in den umliegenden Landesverbänden reagierte man schockiert. Erhard Blaesy, Schiri-Obmann im Südwestdeutschen Fußballverband (SWFV), hatte einen solchen Härtefall noch nicht. „Gott sei Dank“, wie er sagt. Gewalt und Hass gegenüber Schiedsrichtern gebe es jedoch an jedem Wochenende. Vor allem im Jugendbereich. Jüngst erst sei ein Schiedsrichter nach einem Kreispokalspiel in der Vorderpfalz von einem Zuschauer mit einem Messer bedroht worden. „Das sind außergewöhnliche und erschreckende Aktivitäten“, sagt Blaesy, der sich mit seinem Kollegen aus dem Saarland zeitnah austauschen will. Noch halte er einen Streik im Südwesten nicht für notwendig, „aber wenn so etwas Grausames hier passieren würde, muss man umdenken“. Die Forderung und der Appell lauten überall gleich: Mehr Respekt und menschliches Miteinander auf dem Fußballplatz. „Ich kann den Schiedsrichter nicht als Außenstehenden oder gar als Asozialen betrachten. Er ist einer von uns. Das muss jeder begreifen“, betont Blaesy. Umgehauen hat den Schiri-Chef eine erste Statistik zur Einführung Gelber und Roter Karten gegen Trainer und Klubverantwortliche. „Da bin ich bald vom Hocker gefallen. Absolut erschreckend“, schüttelt Blaesy den Kopf. Seit Saisonbeginn im August, also in knapp einem Monat, seien 135 persönliche Strafen ausgesprochen worden, darunter 14 oder 15 Rote Karten.

Im Saarland macht man sich, was die Zukunft angeht, nichts vor. „Eines ist klar“, sagt Volkmar Fischer, „es wird weitere Fälle geben“. Deshalb hofft er, dass auch andere Fußballverbände das Thema aufgreifen und bearbeiten. Nur gemeinsam könne man hier etwas bewirken und die Schäden in Grenzen halten.

Aufrufe: 011.9.2019, 13:20 Uhr
Martin ImruckAutor