Diese Ausgangslage ermöglicht es, dass mancherorts ein bestimmter Typus des Klub-Präsidenten ans Ruder kommt: Ein Präsident wie ein Fürst, wie Richter und Henker, wie Herr und Meister, ein Gottkönig in der Provinz, dem alle ausgeliefert sind. Wenn er eines morgens aufwacht und keinen Bock mehr hat, bricht alles zusammen. Der Krefelder Stadtrat hat nun offenbar keine Lust mehr, sich diesem Modell auzuliefern. Über die Frage der Stadionsanierung stürzte Fußballkrefeld in seine tiefste Krise.
Hintergrund: Das altehrwürdige Grotenburgstadion muss für 17,8 Millionen Euro saniert werden, um drittligatauglich zu werden. Zugleich dümpelt der KFC nach seinem euphorisch gefeierten Aufstieg in der Dritten Liga vor sich hin; vom Aufstieg in die Zweite Liga ist die Mannschaft Lichtjahre entfernt. Jetzt hat Präsident Ponomarev nach vier Jahren an der Spitze des KFC seinen Rücktritt angekündigt. Der Krefelder Rat steht plötzlich vor der Perspektive, 18 Millionen Euro für ein Stadion auszugeben, das, wenn es fertig ist, nicht mehr gebraucht wird. Zu groß ist das Risiko, dass der KFC ohne Präsident wieder dahin abstürzt, wo er lange war: in die sportliche Bedeutungslosigkeit. Dass erst von 10,5 Millionen Euro Sanierungskosten die Rede war, bevor die Stadt die 18-Millionen-Euro-Katze aus dem Sack ließ, macht die Sache nicht einfacher. Die Stadt stand unter Schock. So viel Geld in Zeiten, in denen alle Städte Riesenaufgaben wie Klimaschutz, Verkehrswende, Bildung vor sich haben?
Und so erlebte Krefeld eine packende Ratssitzung, in der erstmals schonungslos die Frage aufgeworfen wurde, ob eine Stadt den Fußball mit Steuergeld stützen muss, stützen darf. Das allein ist eine Zäsur, fast historisch. Der KFC ist im Gefühlshaushalt Krefelds bislang ein wärmendes Feuer gewesen. Große Erinnerungen. Helden. Siege. Das Wunder von der Grotenburg, der 7:3-Sieg gegen Dynamo Dresden 1986 im Europapokal. Im Kommunalwahlkampf waren „die Fans“ immer erste Adresse für Politiker, der (wiedergewählte) Oberbürgermeister Frank Meyer inszenierte sich beständig als Erster Fan der Stadt. Erst vor diesem Hintergrund versteht man die Wucht der Ernüchterung, die sich in dieser Ratssitzung Bahn brach. Am Ende verweigerte der Rat mit knapper Mehrheit die Aufstockung der Mittel; es blieb bei 10,5 Millionen – wobei unklar ist, ob sie ausreichen. Die Zukunft der heiligen Grotenburg steht Spitz auf Knopf.
Ein Grund für den Unmut im Rat ist die schillernde Figur des Präsidenten. Auch wenn der KFC immer darauf hinweist, dass man unter Ponomarev den Aufstieg in die Dritte Liga geschafft habe: Ponomarev ist nie in der Stadt angekommen. Von außen wirkte er sprunghaft, impulsiv, unzuverlässig, schwer durchschaubar, jähzornig. Es gab einen legendären Wutausbruch von ihm in der Kabine, der die Spieler regelrecht geschockt hat. Ponomarev war bekanntlich auch bei den Krefeld Pinguinen aktiv und wurde dort nach zähen Verhandlungen rausgedrückt. Jedes Vertrauen war dahin; auch er selbst warf dem Verein vor, ihn getäuscht zu haben. Wer immer Recht hat: Die Atmosphäre war toxisch; es herrschte lähmender Stillstand, und es ging nur ohne Ponomarev weiter.
Beim KFC war Ponomarev im Alltag hart. Er feuerte Trainer, er prozessierte mit seinen Angestellten, er verprellte andere Vereine in der Stadt, deren Sportplätze er brauchte. Die Stadt hat lange mit ihm über die Gründung einer Stadion-GmbH zur Sanierung der Grotenburg verhandelt – als GmbH wäre die Sanierung ohne öffentliche Ausschreibungen schneller zu schaffen gewesen. Doch Ponomarev stieg aus – überraschend, wie die Stadt behauptet. Vielleicht war sie einfach blauäugig. Ein langfristiges Engagement passt eigentlich nicht zu einer Figur, die das Spielbrett jederzeit verlassen kann. Gottkönige gründen keine GmbH. Sie erscheinen und verschwinden.
Sportlich herrschte Ponomarev zunehmend glücklos. Im Stil blieb er sich treu. Stellte ein, feuerte, stellte ein. Doch die Trainerwechsel brachten keinen durchschlagenden Erfolg, die Einstellung von Weltmeister Kevin Großkreutz war eine Pleite auf dem Platz und finanziell ein Desaster. Auch die Causa Großkreutz passt zum Habitus des Präsidenten: Ponomarev wollte den Aufstieg mit einem Mann erzwingen. Und scheiterte. Jetzt verschwindet er, gottköniggleich.
Info: Der Sanierungsfall Grotenburg
Eigentümer Stadt Krefeld
Eröffnung 18. September 1927
Sanierung 2018 bewilligte die Stadt zehn Millionen Euro. Am 9. Dezember 2020 entschied der Rat, den Konstenrahmen nicht auf 17 Millionen auszuweiten.