2024-04-29T14:34:45.518Z

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– Foto: Heiko van der Velden

Un­ter Prä­si­den­ten – ein Sit­ten­ge­mäl­de

Mei­nung: Klub-Prä­si­den­ten sind man­cher­orts die letz­ten ab­so­lu­tis­ti­schen Fürs­ten. In Kre­feld kam es jetzt zum Eklat rund um den KFC Uer­din­gen. Nach der Ära von Prä­si­dent Po­no­ma­rev wei­gert sich der Stadt­rat, Mil­lio­nen für die Sa­nie­rung der Gro­ten­burg aus­zu­ge­ben.

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Die Drit­te Li­ga im Fuß­ball ist die Vor­höl­le für Leu­te, die ger­ne pla­nen. Mit dem Auf­stieg in die Zwei­te Li­ga winkt für ei­nen Ver­ein das gro­ße Geld, der Weg da­hin aber ist teu­er und vol­ler Dor­nen. Ver­ei­ne wie der KFC Uer­din­gen in Kre­feld sind da­von ab­hän­gig, dass sich Geld­ge­ber fin­den, die das Ri­si­ko ein­ge­hen, Mil­lio­nen zu ver­bren­nen.

Die­se Aus­gangs­la­ge er­mög­licht es, dass man­cher­orts ein be­stimm­ter Ty­pus des Klub-Prä­si­den­ten ans Ru­der kommt: Ein Prä­si­dent wie ein Fürst, wie Rich­ter und Hen­ker, wie Herr und Meis­ter, ein Gott­kö­nig in der Pro­vinz, dem al­le aus­ge­lie­fert sind. Wenn er ei­nes mor­gens auf­wacht und kei­nen Bock mehr hat, bricht al­les zu­sam­men. Der Kre­fel­der Stadt­rat hat nun of­fen­bar kei­ne Lust mehr, sich die­sem Mo­dell au­zu­lie­fern. Über die Fra­ge der Sta­di­on­s­a­nie­rung stürz­te Fuß­ballkre­feld in sei­ne tiefs­te Kri­se.

Hin­ter­grund: Das alt­ehr­wür­di­ge Gro­ten­burg­sta­di­on muss für 17,8 Mil­lio­nen Eu­ro sa­niert wer­den, um dritt­li­ga­taug­lich zu wer­den. Zu­gleich düm­pelt der KFC nach sei­nem eu­pho­risch ge­fei­er­ten Auf­stieg in der Drit­ten Li­ga vor sich hin; vom Auf­stieg in die Zwei­te Li­ga ist die Mann­schaft Licht­jah­re ent­fernt. Jetzt hat Prä­si­dent Po­no­ma­rev nach vier Jah­ren an der Spit­ze des KFC sei­nen Rück­tritt an­ge­kün­digt. Der Kre­fel­der Rat steht plötz­lich vor der Per­spek­ti­ve, 18 Mil­lio­nen Eu­ro für ein Sta­di­on aus­zu­ge­ben, das, wenn es fer­tig ist, nicht mehr ge­braucht wird. Zu groß ist das Ri­si­ko, dass der KFC oh­ne Prä­si­dent wie­der da­hin ab­stürzt, wo er lan­ge war: in die sport­li­che Be­deu­tungs­lo­sig­keit. Dass erst von 10,5 Mil­lio­nen Eu­ro Sa­nie­rungs­kos­ten die Re­de war, be­vor die Stadt die 18-Mil­lio­nen-Eu­ro-Kat­ze aus dem Sack ließ, macht die Sa­che nicht ein­fa­cher. Die Stadt stand un­ter Schock. So viel Geld in Zei­ten, in de­nen al­le Städ­te Rie­sen­auf­ga­ben wie Kli­ma­schutz, Ver­kehrs­wen­de, Bil­dung vor sich ha­ben?

Und so er­leb­te Kre­feld ei­ne pa­cken­de Rats­sit­zung, in der erst­mals scho­nungs­los die Fra­ge auf­ge­wor­fen wur­de, ob ei­ne Stadt den Fuß­ball mit Steu­er­geld stüt­zen muss, stüt­zen darf. Das al­lein ist ei­ne Zä­sur, fast his­to­risch. Der KFC ist im Ge­fühls­haus­halt Kre­felds bis­lang ein wär­men­des Feu­er ge­we­sen. Gro­ße Er­in­ne­run­gen. Hel­den. Sie­ge. Das Wun­der von der Gro­ten­burg, der 7:3-Sieg ge­gen Dy­na­mo Dres­den 1986 im Eu­ro­pa­po­kal. Im Kom­mu­nal­wahl­kampf wa­ren „die Fans“ im­mer ers­te Adres­se für Po­li­ti­ker, der (wie­der­ge­wähl­te) Ober­bür­ger­meis­ter Frank Mey­er in­sze­nier­te sich be­stän­dig als Ers­ter Fan der Stadt. Erst vor die­sem Hin­ter­grund ver­steht man die Wucht der Er­nüch­te­rung, die sich in die­ser Rats­sit­zung Bahn brach. Am En­de ver­wei­ger­te der Rat mit knap­per Mehr­heit die Auf­sto­ckung der Mit­tel; es blieb bei 10,5 Mil­lio­nen – wo­bei un­klar ist, ob sie aus­rei­chen. Die Zu­kunft der hei­li­gen Gro­ten­burg steht Spitz auf Knopf.

Ein Grund für den Un­mut im Rat ist die schil­lern­de Fi­gur des Prä­si­den­ten. Auch wenn der KFC im­mer dar­auf hin­weist, dass man un­ter Po­no­ma­rev den Auf­stieg in die Drit­te Li­ga ge­schafft ha­be: Po­no­ma­rev ist nie in der Stadt an­ge­kom­men. Von au­ßen wirk­te er sprung­haft, im­pul­siv, un­zu­ver­läs­sig, schwer durch­schau­bar, jäh­zor­nig. Es gab ei­nen le­gen­dä­ren Wut­aus­bruch von ihm in der Ka­bi­ne, der die Spie­ler re­gel­recht ge­schockt hat. Po­no­ma­rev war be­kannt­lich auch bei den Kre­feld Pin­gui­nen ak­tiv und wur­de dort nach zä­hen Ver­hand­lun­gen raus­ge­drückt. Je­des Ver­trau­en war da­hin; auch er selbst warf dem Ver­ein vor, ihn ge­täuscht zu ha­ben. Wer im­mer Recht hat: Die At­mo­sphä­re war to­xisch; es herrsch­te läh­men­der Still­stand, und es ging nur oh­ne Po­no­ma­rev wei­ter.

Beim KFC war Po­no­ma­rev im All­tag hart. Er feu­er­te Trai­ner, er pro­zes­sier­te mit sei­nen An­ge­stell­ten, er ver­prell­te an­de­re Ver­ei­ne in der Stadt, de­ren Sport­plät­ze er brauch­te. Die Stadt hat lan­ge mit ihm über die Grün­dung ei­ner Sta­di­on-GmbH zur Sa­nie­rung der Gro­ten­burg ver­han­delt – als GmbH wä­re die Sa­nie­rung oh­ne öf­fent­li­che Aus­schrei­bun­gen schnel­ler zu schaf­fen ge­we­sen. Doch Po­no­ma­rev stieg aus – über­ra­schend, wie die Stadt be­haup­tet. Viel­leicht war sie ein­fach blau­äu­gig. Ein lang­fris­ti­ges En­ga­ge­ment passt ei­gent­lich nicht zu ei­ner Fi­gur, die das Spiel­brett je­der­zeit ver­las­sen kann. Gott­kö­ni­ge grün­den kei­ne GmbH. Sie er­schei­nen und ver­schwin­den.

Sport­lich herrsch­te Po­no­ma­rev zu­neh­mend glück­los. Im Stil blieb er sich treu. Stell­te ein, feu­er­te, stell­te ein. Doch die Trai­ner­wech­sel brach­ten kei­nen durch­schla­gen­den Er­folg, die Ein­stel­lung von Welt­meis­ter Ke­vin Groß­kreutz war ei­ne Plei­te auf dem Platz und fi­nan­zi­ell ein De­sas­ter. Auch die Cau­sa Groß­kreutz passt zum Ha­bi­tus des Prä­si­den­ten: Po­no­ma­rev woll­te den Auf­stieg mit ei­nem Mann er­zwin­gen. Und schei­ter­te. Jetzt ver­schwin­det er, gott­kö­nigg­leich.

In­fo: Der Sa­nie­rungs­fall Gro­ten­burg

Ei­gen­tü­mer Stadt Kre­feld

Er­öff­nung 18. Sep­tem­ber 1927

Sa­nie­rung 2018 be­wil­lig­te die Stadt zehn Mil­lio­nen Eu­ro. Am 9. De­zem­ber 2020 ent­schied der Rat, den Konsten­rah­men nicht auf 17 Mil­lio­nen aus­zu­wei­ten.

Aufrufe: 012.12.2020, 21:00 Uhr
RP / Jens VossAutor