2024-04-30T13:48:59.170Z

Allgemeines
– Foto: Heiko van der Velden

Jugendwahn beim KFC Uerdingen?

Der KFC holt den 20 Jahre alten Verteidiger Leon Schneider vom 1. FC Köln II. Zuvor hatte der Drittligist bereits die jeweils 22 Jahre alten Haktab Omar Traoré von Rödinghausen und Fridolin Wagner von Münster verpflichtet.

Spieler mit klangvollen Namen und großen Erfolgen hat der KFC Uerdingen in der jüngeren Vergangenheit geholt: Kevin Großkreutz, Weltmeister von 2014, Deutscher Meister und Pokalsieger; Jan Kirchhoff, Deutscher Meister und Pokalsieger; Dominic Maroh, slowenischer Nationalspieler und Zweitligameister.
Sie konnte aber nicht verhindern, dass die Ziele deutlich verfehlt wurden: Platz 13 in der Liga, und bei der Auslosung der 1. Runde im DFB-Pokal nicht im Lostopf. Jetzt hat der KFC für die kommende Saison drei junge Spieler verpflichtet, die fast ausschließlich die Scouts kennen: Leon Schneider (20 Jahre) vom 1. FC Kön II, Fridolin Wager (22) von Preußen Münster und Haktab Omar Traoré (22) von Rödinghausen. Herrscht jetzt ein Jugendwahn in Uerdingen?

Die Mannschaft muss verjüngt werden. Gegen den SV Meppen stand eine Elf auf dem Platz mit einem Durchschnittsalter von 30,7 Jahren. So etwas ist im Profifußball eine Ausnahme. Aber auch auf die gesamte Saison betrachtet sah der KFC sportlich wie von den Jahreszahlen her ziemlich alt aus: im Schnitt 28,4 Jahre. Da wundert es nicht, dass die Mannschaft im Spielaufbau oft etwas behäbig wirkte. Es fehlten neben der Frische und Spritzigkeit auch der Hunger, die Lust und eben jene Unbekümmertheit, die von jungen Spielern oft ausgeht. Aber junge Spieler gab es zu wenige im Kader – mit der fatalen Folge: Wer jung war, stand automatisch im Kader. Mehr noch, es saßen sogar Spieler auf der Bank, die nicht drittligareif waren.

Talente bieten keine Erfolgsgarantie. Um im Fußball erfolgreich zu sein, bedarf es aber nicht nur junger Spieler, die über Qualität verfügen. Denn jungen Spielern unterlaufen häufiger Fehler, sie verfügen natürlich nicht über einen großen Erfahrungsschatz, zeigen manchmal Nerven. All das gehört dazu und muss einkalkuliert werden. Entsprechend reicht es nicht, elf möglichst junge, talentierte Burschen auf das Feld zu schicken, sondern es bedarf einer gesunden Mischung. Die ist auch für das Innenleben der Mannschaft notwendig: Einerseits bedarf es einer klaren Hierarchie, andererseits belebender Elemente. Das wiederum ist nicht zwingend eine Frage des Alters, was dem früheren Erfolgstrainer Otto Rehhagel die Erkenntnis vermittelte, die er wie folgt formulierte: „Für mich gibt es nicht alte und junge Spieler, sondern nur gute und schlechte.“

Talente sind Spekulationsobjekte. Allein in Deutschland wechseln jedes Jahr Hunderte hoffnungsvoller Talente in den Seniorenbereich, die eine Profikarriere anstreben. Doch selbst bestens ausgebildeten Jugendlichen gelingt der Sprung selten. Die allermeisten verschwinden im Amateurbereich. Einige wenige erhalten bei den Bundesligisten einen Vertrag, werden dann aber fast immer zunächst einmal an tiefer spielende Vereine ausgeliehen. In der vergangenen Saison hatte der KFC in Jean-Manuel Mbom, Boubacar Barry und Franck Evina drei von ihnen. Mbom kehrt nach Bremen zurück und erhält eine Chance im Kader des Erstligisten. Evina wurde von Bayern München aussortiert und versucht es beim Zweitligisten Hannover 96. Der 20 Jahre alte Kameruner muss jedoch aufpassen, dass ihn nicht ein ähnliches Schicksal ereilt wie Johannes Dörfler, der vom KFC zum SC Paderborn wechselte, jedoch nie den Sprung schaffte und nach Zwickau verliehen wurde. Sowohl Evina als auch Dörfler verfügen über hervorragende Anlagen, die jedoch keine Erfolgsgarantie sind. Nur Einzelfälle sind von Erfolg gekrönt.

Es gibt keinen kompletten Kurswechsel. Der KFC nimmt vor der kommenden Saison die notwendigen Veränderungen vor. Er unterzieht den Kader der dringend notwendigen Verjüngungskur, setzt aber nicht ausschließlich auf Talente. In der kommenden Spielzeit wird also nicht eine Elf auf dem Platz stehen, deren Durchschnittsalter bei 22 Jahren liegt, wohl aber eine von 25 oder 26 Jahren. Schließlich stellen die Blau-Roten keine Ausbildungsmannschaft wie die Zweitvertretungen der Bundesligisten, sondern ein ambitioniertes Team, das die Zielvorgaben nicht noch einmal derart verfehlen darf wie in der vergangenen Saison.

Verstärkungen kommen später. Dass der KFC in Traoré, Wagner und Schneider bislang nur drei talentierte No-Name-Spieler verpflichtet hat, ist nicht beunruhigend, sondern der Strategie in Zeiten der Corona-Pandemie geschuldet. Transfers, mit deren Hilfe die Mannschaften verstärkt werden, erfolgen in diesem Sommer erst gegen Ende der Wechselperiode am 5. Oktober. Das ist für die Spieler schwierig, für die Vereine aus wirtschaftlicher Sicht gut. So erhalten Spieler jetzt Angebote, die zwischen 25 und 40 Prozent niedriger sind als im Vorjahr. Die Spieler zögern noch, was verständlich, aber auch nicht ohne Risiko ist, denn zum Oktober hin könnten die Preise noch einmal fallen, weil es mehr gute Spieler gibt, als es derer bedarf. Bedauernswert sind die Spieler aber nicht, den so funktioniert Wirtschaft im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Davon haben die Spieler jahrelang profitiert.

Aufrufe: 026.7.2020, 23:00 Uhr
RP / Thomas SchulzeAutor