2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
– Foto: Meiki Graff

„Die Hürden für eine fristlose Kündigung sind hoch“

Sportrechtler Dr. Philipp S. Fischinger erklärt, in welchen Fällen eine fristlose Kündigung eines Profifußballers erfolgen kann.

Fußball-Drittligist KFC Uerdingen hat den eigentlich bis zum 30. Juni 2021 laufenden Arbeitsvertrag mit Kevin Großkreutz fristlos gekündigt. Über die Begründung hat der Verein bislang keine offiziellen Angaben gemacht. Der Weltmeister von 2014 hatte vor dem Arbeitsgericht gegen den Verein geklagt, nachdem dieser Teile des Gehalts nicht gezahlt hatte. Wir sprachen mit dem renommierten Arbeits- und Sportrechtler Prof. Dr. Philipp S. Fischinger über den Fall.

Herr Professor Fischinger, kann ein Profifußballverein einem Spieler kündigen?

Fischinger Ausnahmsweise geht das. Allerdings können die Vereine eine ordentliche Kündigung nicht aussprechen, weil die Arbeitsverträge im Profifußball wirksam befristet sind. In Betracht kommt daher von vornherein nur eine außerordentliche, fristlose Kündigung. Für diese sieht der Gesetzgeber aber hohe Hürden vor. Dem Spieler müsste ein schweres Fehlverhalten vorzuwerfen sein.

Reicht ein einmaliges Fehlverhalten für eine fristlose Kündigung?

Fischinger In der Regel nein, vielmehr bedarf es meist einer vorherigen, erfolglosen Abmahnung und eines erneuten, ähnlich gelagerten Fehlverhaltens. Etwas anders gilt nur bei einer Vertragsverletzung, die so besonders schwerwiegend ist, dass der Spieler nicht damit rechnen durfte, dass ihm nur die gelbe Karte der Abmahnung gezeigt wird.

Kevin Großkreutz hat gegen den Verein geklagt. Kann dies oder die Ablehnung des verlangten Gehaltsverzichts als Grund angeführt werden?

Fischinger Zweimal Nein. Wenn ein Spieler einem vom Verein verlangten Gehaltsverzicht nicht zustimmt, so handelt es sich nicht um ein Fehlverhalten, sondern um sein gutes Recht. Der Verein hat auch in Corona-Zeiten keinen Anspruch auf Zustimmung. Der Spieler kann daher frei darüber entscheiden, ob er auf einen Teil seines Gehalts verzichtet. Tut er dies nicht und stellt der Verein daraufhin die Gehaltszahlungen ganz oder zum Teil ein, kann der Spieler natürlich Klage zum Arbeitsgericht erheben. Auch damit verletzt er nicht seine Vertragspflichten. Sanktioniert ihn der Verein für die zulässige Ausübung seiner Rechte, so verstößt der Verein gegen das sog. Maßregelungsverbot aus § 612a BGB, so dass die Kündigung in beiden Fällen unwirksam wäre.

Was wäre denn ein krasses Fehlverhalten?

Fischinger Zum Beispiel beharrliche Arbeitsverweigerung durch unentschuldigtes Fernbleiben von Training oder Wettkampf, grobe Beleidigungen von Vorgesetzten oder Mitspielern oder gar körperliche Angriffe auf sie. Allerdings müssen bei Kündigungen stets im Einzelfall die widerstreitenden Interessen und Rechte abgewogen werden. Zum Beispiel kann ein generell rauerer Ton in einem Fußballverein eine Beleidigung, die in anderen Branchen vollkommen inakzeptabel wäre, als weniger schwerwiegend erscheinen lassen.

Christoph Schickhardt, der Rechtsanwalt des KFC Uerdingen, hat bereits vorgetragen, Großkreutz sei nicht mehr in der Lage, professionell auf hohem Niveau zu spielen. Wäre das ein Grund?

Fischinger Eine Kündigung wegen erheblicher Leistungsdefizite – der Jurist spricht von „low-performer-Kündigung“ – ist zwar nicht per se ausgeschlossen, die Hürden hierfür sind aber sehr, sehr hoch. Das gilt gerade im Mannschaftssport, weil hier aufgrund gruppendynamischer Prozesse im Spiel oft gar nicht nachweisbar ist, dass der Spieler erhebliche Leistungsdefizite aufweist. Umso schwieriger wird es, wenn der Spieler erst vor Kurzem noch regelmäßig spielte. Kevin Großkreutz kam ja im Mai und Juni durchaus noch auf Einsätze in der 3. Liga für den KFC Uerdingen. Ob sich sein Leistungsvermögen in der Zwischenzeit so erheblich geändert hat, wie der Verein offenbar behauptet, kann ich nicht bewerten. Jedenfalls müsste der Verein das beweisen – und das dürfte sehr schwer fallen.

Kennen Sie überhaupt ein Beispiel aus dem Profifußball, wo eine fristlose Kündigung eines Spielers durch einen Verein von Erfolg gekrönt war?

Fischinger Ja, zum Beispiel hat das Arbeitsgericht Bielefeld im Jahr 1997 die Kündigung eines Spielers bestätigt, der Manager und Trainer in der Öffentlichkeit als „Diktatoren“ bezeichnet hat – und das sogar ohne vorherige Abmahnung des Spielers durch den Verein.

Aufrufe: 010.10.2020, 08:00 Uhr
RP / Thomas SchulzeAutor