2024-04-29T14:34:45.518Z

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F: Hendrik Deckers
F: Hendrik Deckers

"Der deut­sche Fuß­ball braucht In­ves­to­ren"

Der rus­si­sche Ge­schäfts­mann, 44, über sein En­ga­ge­ment beim Dritt­li­gis­ten KFC Uer­din­gen.

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Mik­hail Po­no­ma­rev ge­hört zu den um­strit­tens­ten Per­sön­lich­kei­ten im deut­schen Fuß­ball. Er mei­det mög­lichst die Öf­fent­lich­keit. Der 44 Jah­re al­te rus­si­sche Un­ter­neh­mer kommt ein paar Mi­nu­ten ver­spä­tet zum ver­ein­bar­ten Tref­fen in ei­nem Kre­fel­der Ho­tel.
Der Grün­der und Spre­cher des größ­ten rus­si­schen Be­ra­tungs­un­ter­neh­mens in Ma­nage­ment Con­sul­ting und In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gi­en mit rund 900 Mit­ar­bei­tern küm­mert sich seit Ju­ni 2016 nach ei­ge­nem Be­kun­den aus­schließ­lich um den Dritt­li­gis­ten KFC Uer­din­gen – als Prä­si­dent und Ma­na­ger. Fra­gen zu sei­nen Ein­kom­mens­ver­hält­nis­sen und der ge­nau­en Her­kunft sei­nes Ver­mö­gens will er nicht be­ant­wor­ten.

Herr Po­no­ma­rev, sind Sie ei­ne Ge­fahr für den deut­schen Fuß­ball?

Ponomarev Ich den­ke nicht. Ich bin viel­leicht ei­ne Chan­ce. Ich ken­ne die­se Vor­wür­fe. In den ers­ten Jah­ren hat mich das ge­wun­dert, heu­te wun­dert mich nichts mehr.

Weil Sie es nicht än­dern kön­nen?

Ponomarev Weil ich es über­zo­gen fin­de. Es wird mei­ner Ar­beit ein­fach nicht ge­recht.

Sie ha­ben in der Win­ter­pau­se in Uer­din­gen kräf­tig durch­ge­wischt und den Trai­ner so­wie zwei Spie­ler vor die Tür ge­setzt. Nun zu­frie­den?

Ponomarev Das ist jetzt noch zu früh zu sa­gen. Am En­de geht es um den Er­folg auf dem Platz.

Wie tref­fen Sie sol­che Ent­schei­dun­gen? Im Al­lein­gang oder be­ra­ten Sie sich mit Fach­leu­ten?

Ponomarev Das ist mei­ne Ent­schei­dung.

Ent­schei­den Sie mit dem Kopf, mit dem Bauch, mit dem Her­zen?

Ponomarev (lacht) Al­les zu­sam­men. In al­ler­ers­ter Li­nie ver­su­che ich mich an den Fak­ten zu ori­en­tie­ren. Wir ha­ben in der Hin­run­de kei­ne über­zeu­gen­den Spie­le ab­ge­lie­fert. Okay, wir ha­ben vie­le Par­ti­en ge­won­nen, aber das war vor al­lem ein ein­zi­ger Kampf und we­nig Klas­se. Wir ha­ben kein ein­zi­ges Mal über 90 Mi­nu­ten do­mi­niert. Ich möch­te im Sta­di­on sit­zen und auch mal re­la­xen, bis­her saß ich je­des Mal da und ha­be fast ei­nen Herz­in­farkt be­kom­men, weil es bis zur letz­ten Mi­nu­te ge­fähr­lich für uns war.

Wo­von träu­men Sie?

Ponomarev Von spie­le­ri­scher Do­mi­nanz. Nicht nur Krampf. Die­sen Fuß­ball-Stil kön­nen wir nicht ak­zep­tie­ren. Da­zu ka­men beim al­ten Trai­ner vie­le, vie­le Per­so­nal­feh­ler in mei­nen Au­gen – min­des­tens fünf gro­ße Feh­ler. Und das Wich­tigs­te: Ich ha­be kei­ne Ent­wick­lung ge­se­hen. Wir ha­ben viel mit­ein­an­der ge­spro­chen, es hat sich aber ein­fach nichts be­wegt.

Kopf? Herz? Bauch?

Ponomarev Mit dem Kopf – je­den­falls zu 50 Pro­zent. Wenn ich ei­ne Ent­schei­dung tref­fe, dann ma­che ich das im­mer oh­ne Emo­tio­nen.

Vie­le Fans se­hen in Al­lei­n­ent­schei­dern wie Ih­nen ei­ne gro­ße Ge­fahr für den Fuß­ball.

Ponomarev Ich se­he die Pro­tes­te in den Sta­di­en und kann oft nur mit dem Kopf schüt­teln.

War­um?

Ponomarev Weil ich es in ge­wis­ser Wei­se als un­dank­bar emp­fin­de.

Soll­ten die Fans dank­ba­rer sein?

Ponomarev Ja. Min­des­tens ein we­nig. Wo­her kommt die­ser Hass? War­um die­se Wut? Auf wen? Was wä­re die Al­ter­na­ti­ve für vie­le Ver­ei­ne ge­we­sen – In­sol­venz? Und was pas­siert den in ei­ni­gen „Tra­di­ti­ons­ver­ei­nen“? Wo­her be­kom­men die ihr Geld? Se­hen Sie, die­se gan­ze Dis­kus­si­on ist doch in gro­ßen Tei­len ein­fach nur schein­hei­lig. Da wird ver­sucht in „gu­tes“ und „bö­ses“ Geld zu un­ter­tei­len. Aber so funk­tio­niert das Ge­schäft nicht. Wo ist der gro­ße Un­ter­schied?

Und Ihr Ge­schäfts­mo­dell?

Po­no­ma­rev Ich kann vie­le Mo­del­le ak­zep­tie­ren. Aber wir sind hier beim KFC Uer­din­gen und ha­ben un­ser Ge­schäfts­mo­dell. Ich bin nun mal al­lei­ni­ger Ak­tio­när, viel­leicht ha­ben wir in ein paar Jah­ren noch wei­te­re Part­ner, dann wer­den wir zu­sam­men ent­schei­den. Für mich ist das ein ab­so­lut nor­ma­ler Pro­zess.

Was hal­ten Sie vom Deut­schen Fuß­ball-Bund?

Ponomarev Ich kann nichts Schlech­tes über den DFB sa­gen. Sie hel­fen uns, wenn wir ei­ne Fra­ge ha­ben. Es gibt in Deutsch­land die so­ge­nann­te 50+1 Re­gel, die es In­ves­to­ren wie Ih­nen ver­bie­tet, ei­nen Ver­ein kom­plett zu über­neh­men.

Wann wird die­se Be­schrän­kung fal­len?

Ponomarev Das ist kom­pli­ziert. Ich weiß den Zeit­punkt nicht, aber das muss fal­len. Das ist wich­tig für den deut­schen Fuß­ball in Eu­ro­pa. Es gibt doch jetzt schon kaum wirt­schaft­li­che halb­wegs glei­che Rah­men­be­din­gun­gen. Die eng­li­sche Pre­mier Le­ague und die spa­ni­sche La Li­ga sind ent­eilt. Der deut­sche Fuß­ball braucht rich­ti­ge In­ves­to­ren. Die Bun­des­li­ga ist nur noch ei­ne Ent­wick­lungs­li­ga.

War­um en­ga­gie­ren Sie sich denn dann über­haupt bei ei­nem Klub wie dem KFC Uer­din­gen?

Ponomarev Für mich ist das ei­ne sehr kom­for­ta­ble Si­tua­ti­on. Die Fans spü­ren, dass ich mich hier ehr­lich ein­brin­ge. Ich bin je­den Tag vor Ort. Mich in­ter­es­siert nicht, was in der Pres­se steht, für mich ist wich­tig, was die Mit­glie­der über mich den­ken. Und da weiß ich, dass die Un­ter­stüt­zung für mei­nen Weg über­wäl­ti­gend ist. Ich ha­be die größ­te Un­ter­stüt­zung von al­len Klubs in NRW.

Weil es zu Ih­nen kei­ne Al­ter­na­ti­ve mehr gab.

Ponomarev Je­der Ver­ein hat sei­ne Ge­schich­te. Ich ha­be den KFC Uer­din­gen da nicht hin­ge­trie­ben.

Was Sie für vie­le so span­nend macht ist, dass man fast gar nichts über Sie weiß. Wo­her ha­ben Sie Ihr Ver­mö­gen? Sind Sie so reich wie der Olig­arch Ro­man Ab­ra­mo­witsch und ha­ben meh­re­re Yach­ten?

Ponomarev Das ist mei­ne pri­va­te Sa­che.

Sie hat­ten in Deutsch­land ei­ne Be­ra­tungs­agen­tur.

Ponomarev Nein, das war ein re­prä­sen­ta­ti­ves Bü­ro für die rus­si­sche En­er­gie­wirt­schaft. Das Un­ter­neh­men gibt es nicht mehr, ich un­ter­hal­te in Deutsch­land kei­ne wirt­schaft­li­chen Un­ter­neh­mun­gen.

Ken­nen Sie Ab­ra­mo­witsch, den Be­sit­zer von Chel­sea?

Ponomarev Nicht per­sön­lich.

Wie vie­le Yach­ten ha­ben Sie?

Ponomarev Null. Ich ha­be in Deutsch­land zwei Au­tos und ein nor­ma­les Haus. Das ist nicht wich­tig für mich. Ich bin ein sehr ein­fa­cher Mann.

Sie könn­ten Ih­ren Reich­tum ge­nie­ßen. Statt­des­sen ar­bei­ten Sie in Uer­din­gen bei ei­nem Dritt­li­gis­ten. War­um?

Ponomarev Kre­feld bie­tet sehr vie­le Mög­lich­kei­ten, ich se­he hier gi­gan­ti­sches Po­ten­zi­al.

Wä­ren Sie zum Bei­spiel auch ger­ne bei For­tu­na Düs­sel­dorf oder Bo­rus­sia Mön­chen­glad­bach ein­ge­stie­gen?

Ponomarev Die Rea­li­tät ist doch, dass es mir ak­tu­ell über­haupt nicht mög­lich ist, gro­ße An­tei­le sol­cher Klubs zu er­wer­ben und mich zu en­ga­gie­ren. Uer­din­gen war das Bes­te, was ich ge­fun­den ha­be.

Und wenn es mög­lich wä­re?

Ponomarev War­um soll­te ich? Was hät­ten die­se Ver­ei­ne, was der KFC Uer­din­gen nicht zu bie­ten hat? Ich bin mir si­cher, dass wir ei­ni­ges auf­bau­en kön­nen. Und hier gibt es nicht so An­fein­dun­gen wie an an­de­ren Stand­or­ten.

Was ma­chen Sie in Ih­rer Frei­zeit?

Ponomarev Ich ver­brin­ge die Zeit mit mei­ner Fa­mi­lie. Ich ha­be ei­ne Frau, zwei Kin­der.

Was fin­den Sie toll an Deutsch­land?

Ponomarev Deutsch­land gibt mir al­le Mög­lich­kei­ten, es ist ein sehr si­che­res Land. Die Le­bens­qua­li­tät in Mos­kau war auch nicht schlecht, du kannst da al­les ma­chen.

In Mos­kau wür­den Sie ver­mut­lich nicht oh­ne Per­so­nen­schutz aus­kom­men.

Ponomarev Im neu­en Russ­land ist al­les gut. Es ist mei­ne per­sön­li­che Ent­schei­dung ge­we­sen, hier­her zu kom­men. Aus mei­ner Sicht hat­te ich in mei­ner Hei­mat al­les er­reicht.

Was hal­ten Sie von Wla­di­mir Pu­tin, dem rus­si­schen Prä­si­den­ten?

Ponomarev Ich bin zu­frie­den mit der Ent­wick­lung. Wir brau­chen et­was mehr öko­no­mi­sche Ver­bes­se­run­gen, aber die Leu­te sind stolz, in Russ­land zu le­ben. Frü­her woll­ten sie ein­fach nur weg.

Aufrufe: 015.2.2019, 08:02 Uhr
RP / Gianni Costa und Thomas SchulzeAutor