2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Timo Ide ist aktiver Schiedsrichter und pfeift seit der Spielserie 2004/2005 in der Hessenliga
Timo Ide ist aktiver Schiedsrichter und pfeift seit der Spielserie 2004/2005 in der Hessenliga

Interview mit Hessenliga Schiedsrichter Timo Ide

Ein interessantes Interview zum Jahresabschluss haben wir heute mit dem aufstrebenden Hessenliga Schiedsrichter Timo Ide von Schwarz-Weiss Welcherod geführt

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Neben dem Fußball interessiert sich der 27 jährige Promotionsstudent für Literatur, Sport im Allgemeinen, Rechtswissenschaften, Freunde
Seit Beginn der Saison 1997/1998 ist Timo Ide aktiver Schiedsrichter und pfeift seit der Spielserie 2004/2005 in der Hessenliga.

FuPa Nordhessen: Unter Fußballern existiert das spaßig gemeinte Vorurteil: "Wer nicht kicken kann, wird eben Schiedsrichter.
" Welches sind Deine Gründe, warum Du eine Schiedsrichterkarriere eingeschlagen haben?
Timo Ide: Früher bin ich immer zusammen mit meinem Vater Klaus Ide zu den Spielen der SG Wernswig/Waßmuthshausen/Lenderscheid gegangen, wo er selbst gespielt als auch als Trainer aktiv war. Dort habe ich irgendwann das Amt des Linienrichters übernommen.
Ab diesem Zeitpunkt war ich fasziniert von den Kollegen, die die Spiele geleitet haben.
Dies war der Hauptgrund für meinen Entschluss, Schiedsrichter zu werden. Außerdem wollte ich schon immer gerne Verantwortung übernehmen – und was kann es dafür besseres geben als das Amt des Schiedsrichters.

FuPa Nordhessen: In welchem Alter hast Du mit dem Pfeifen angefangen?
Timo Ide: Mit 12 Jahren.

FuPa Nordhessen: Hast Du ein Schiedsrichtervorbild?
Timo Ide: Natürlich gibt es in den Bundesligen Schiedsrichter, bei denen man sich gewisse Dinge abschauen kann, um seine eigene Leistung zu optimieren. Allerdings sollte jeder Schiedsrichter seine eigene Persönlichkeit entwickeln und nicht versuchen, andere zu kopieren.
Die eigentlichen Vorbilder sind für mich jedoch die Schiedsrichterkollegen, die jede Woche allein auf den Sportplätzen im Kreis ihre Aufgabe erledigen.
Diese Kameraden haben es nämlich am schwersten von allen, insbesondere da sie allein und nicht im Team unterwegs sind und da der Umgang mit den Schiedsrichtern auf Kreisebene nicht immer der beste ist (um es aufgrund aktueller Vorkommnisse in verschiedenen Kreisligen Deutschlands einmal harmlos auszudrücken).
Diese Kameraden verdienen den allerhöchsten Respekt dafür, dass sie trotz dieser Umstände gerne Schiedsrichter sind und jede Woche ihre Aufgabe gewissenhaft und gut erfüllen.

FuPa Nordhessen: Wie beurteilst Du die Schiedsrichter Aus- und Weiterbildung allgemein in Deutschland und speziell in der Schiedsrichtervereinigung Schwalm-Eder der Du ja angehörst?
Timo Ide: Die Schiedsrichterausbildung in Deutschland könnte bezogen auf die deutschen Toppschiedsrichter nicht besser sein.
Das deutsche Schiedsrichterwesen genießt seit etlichen Jahren einen hervorragenden internationalen Ruf. Zudem werden immer wieder junge, äußerst talentierte Schiedsrichter an den Profibereich herangeführt, so dass einem hier nicht bange sein muss.
Im Bezug auf den Schwalm-Eder-Kreis ist die Ausbildung und die Förderung unserer Schiedsrichter gewiss auch auf hohem Niveau.
Unser Lehrwart Bernhard Röthig leistet hier mit seinem Lehrstab hervorragende Arbeit.
Dennoch fehlen uns (wie jedoch anderen Kreisen auch) einige Nachwuchsschiedsrichter, wobei hiermit nicht nur junge Kameraden gemeint sind.
Besonderen Bedarf haben wir an Schiedsrichtern im Alter zwischen 30 und 50.
Hier gibt es eine gewisse Lücke, was mittelfristig problematisch sein könnte.
Bezogen auf unsere jungen Talentschiedsrichter, welche einmal den Sprung in höhere Ligen schaffen könnten, sind wir momentan recht gut aufgestellt.
Hier gilt es, eine kontinuierliche Förderung zu betreiben, deren Früchte in wenigen Jahren geerntet werden sollten.

FuPa Nordhessen: Wie hältst Du Dich für Deine Arbeit auf dem Feld fit?
Timo Ide: Natürlich müssen auch wir Schiedsrichter regelmäßig trainieren.
Deshalb gehe ich mehrmals in der Woche laufen, um mich dadurch fit zu halten und die körperlichen Anforderungen erfüllen zu können.
Außerdem besuche ich regelmäßig die Trainingsrunde der Schiedsrichter des Schwalm-Eder-Kreises, welche immer donnerstags um 18.30 Uhr in Uttershausen am Sportplatz stattfindet.
Diese ist vor allem für junge ambitionierte Schiedsrichter ein großes Sprungbrett, um evtl. einmal in höhere Klassen gelangen zu können.

FuPa Nordhessen: Wie sieht eine normale Vorbereitung auf ein Meisterschaftsspiel aus?
Timo Ide: Die Vorbereitung besteht zum großen Teil aus körperlichem Training.
Habe ich z.B. samstags ein Spiel, so gehe ich montags und mittwochs eine große Runde laufen. Dienstags steht ein Regenerationstraining auf dem Plan und donnerstags das Schiedsrichter-Training. An dem Freitag vor dem Spiel trainiere ich dann nicht mehr, um für das Spiel optimal vorbereitet zu sein. Zu der körperlichen Vorbereitung auf das Spiel kommt natürlich auch eine gewisse mentale Vorbereitung. Zwar wird ein Schiedsrichter immer unvoreingenommen in ein Spiel gehen, jedoch sollte er sich zumindest einmal über die Paarung, Tabellenstände, mögliche Konfliktsituationen usw. informieren, um sich nicht überraschen zu lassen.

FuPa Nordhessen: Schiedsrichter stehen immer unter Druck: Für die Zuschauer sind sie oftmals ein Ventil, über das Frust abgelassen wird, bei Spielern und Funktionären sieht es nicht anders aus, und auch die Presse erwähnt Schiedsrichter oftmals nur in negativen Zusammenhängen.
Wie gehst Du damit um?
Timo Ide: Dies sehe ich eher entspannt. Das Verhalten von Zuschauern und der Presse interessiert mich nur am Rande, solange es auch nur ansatzweise im hinnehmbaren Rahmen bleibt.
Beleidigungen von Zuschauern gehören leider mittlerweile zum Leben eines Schiedsrichters dazu.
Das ist zwar traurig, aber nicht zu ändern. Ich persönlich lasse mir da sehr viel gefallen. Empfindlich bin ich jedoch, wenn es um rassistische Bemerkungen geht. Solche Verhaltensweisen dürfen auf keinen Fall geduldet werden. Wenn Zuschauer rassistisch werden, gilt es, energisch dagegen vorzugehen.
Bezogen auf die Spieler kann man sich natürlich nicht alles gefallen lassen.
Allerdings verfahre ich hier nach dem Motto: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch zurück!" Wenn also ein Spieler vernünftig mit mir redet, so werde ich das auch tun.
Schreit mich ein Spieler an, so darf er sich nicht wundern, wenn auch ein paar scharfe Worte von mir erwidert werden. Fußball lebt von Emotionen und diese gehören dazu, sollten also auch in gewissem Maße vom Schiedsrichter akzeptiert werden, solange alles in einem gewissen Rahmen bleibt.

FuPa Nordhessen: Seit Jahren wird diskutiert, analog zum Eishockey, den Videobeweis einzuführen? Wie stehst Du dazu?
Timo Ide: Grundsätzlich bin ich technischen Hilfsmitteln gegenüber aufgeschlossen, so wie es auch die DFB-Schiedsrichterkommission ist.
Allerdings bin ich der Ansicht, dass diese Hilfsmittel auf sogenannte Schwarz-Weiß-Entscheidungen begrenzt sein sollten.
Der Klassiker unter diesen Entscheidungen ist natürlich die Frage „Tor oder nicht Tor“. Sollte es hier einwandfrei funktionierende Mittel geben (z.B. Chip im Ball oder Torkamera), so würde ich solche befürworten. Die Genehmigung für solch technische Unterstützung der Schiedsrichter wurde ja auch unlängst von der FIFA erteilt. Für unsere Kreisligen wird sich dies jedoch nicht umsetzen lassen.
Alle anderen Formen des Videobeweises halte ich jedoch für fehl am Platze. Die Argumente gegen eine solche Überprüfung von Schiedsrichterentscheidungen überwiegen zu deutlich. Was passiert z.B., wenn das Spiel unterbrochen wird, um eine Entscheidung zu überprüfen und es stellt sich heraus, dass man zu verschiedenen Auffassungen kommen kann?
Und das ist sehr oft der Fall, da die meisten Entscheidungen eben auslegungsbedürftig sind.
Wie wird das Spiel fortgesetzt, wenn es unterbrochen wurde, um eine Entscheidung zu überprüfen, und direkt im Anschluss ein Tor erzielt worden wäre? Das Tor wird man nicht geben können, auch wenn es eigentlich regulär gewesen wäre, da der Pfiff das Spiel unterbricht.
Schließlich ist zu sagen, dass der Fußball von Emotionen lebt. Würde man jede zweite Entscheidung durch einen Videobeweis überprüfen, würde das Spiel zerstört. Beispielhaft seien hier die Olympischen Spiele 2012 in London genannt, wo es beim Hockey massive Kritik am dort eingesetzten Videobeweis gab.
Zudem sind die Zuschauerzahlen in den Bundesligen konstant ansteigend, wodurch deutlich wird, dass der Fußballsport so beliebt ist wie selten zuvor – trotz der (selten vorkommenden) Fehlentscheidungen.
Und was wäre am Sonntagmorgen ein Doppelpass, bei dem nicht über Schiedsrichterentscheidungen diskutiert werden würde?

FuPa Nordhessen: Welches war bisher Dein schönstes Erlebnis als Schiedsrichter?
Timo Ide: Schöne Erlebnisse gibt es sehr viele. Konkret würde ich mein erstes Spiel in der Regionalliga nennen, 1. FC Kleve gegen Borussia Dortmund II.
Außerdem die vielen Einsätze als Assistent in der Regionalliga vor allem bei Ralf Viktora oder Matthias Kristek und in der 3. Liga bei Dr. Manuel Kunzmann.
Die Erlebnisse, die man in den verschiedenen Teams gemacht hat, sind die schönsten.
Dazu zählen insbesondere auch meine Spiele in den Juniorenbundesligen mit meinen Assistenten Christof Lepper und Steffen Rabe.
Bei all diesen Einsätzen sind Freundschaften entstanden, die auch über den Fußball hinaus Bestand haben.

FuPa Nordhessen: Warum sollen, deiner Meinung nach, junge Leute eine Schiedsrichterkarriere einschlagen?
Timo Ide: Weil es unheimlich zur Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit beiträgt.
Die Tätigkeit als Schiedsrichter hilft insbesondere auch im Privat- oder Berufsleben.
Als Schiedsrichter muss man immer wieder mit 22 (oder auch mehr) ganz unterschiedlichen Charakteren umgehen. Man muss die Spieler und das Spiel leiten und führen, was oft nicht frei von Konflikten ist.
Der Umgang mit Menschen ist auch im Leben außerhalb des Fußballplatzes extrem wichtig. Darüber hinaus erlangt man als Schiedsrichter (im Normalfall) ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein, was auf keinen Fall schaden kann.

Danke Timo für die offenen Antworten und den Einblick in die Welt des Fußballs aus der Sicht eines Schiedsrichters.
Viel Erfolg weiterhin für Dich bei Deiner Tätigkeit als Schiedsrichter auf den Sportplätzen der Region.

Aufrufe: 04.12.2012, 15:56 Uhr
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