2024-05-14T11:23:26.213Z

Interview

„Ich werde der Mannschaft einiges abverlangen"

Heeslingens neuer Oberliga-Trainer Sören Titze im Interview

Das Wetter ist bestens, als sich am Donnerstagabend – mit gebührendem Abstand, versteht sich – auf dem gepflegten Rasen des Heeslinger Waldstadions einige Männer verschiedener Altersgruppen versammeln. Neben einigen jungen Spielern, die in der kommenden Saison den Kader des Fußball-Oberligisten verstärken, stellt das neue Management-Team des Vereins auch den künftigen SC-Coach vor: Sören Titze hat vor vier Jahren seine Spielerkarriere zugunsten des Trainerstuhls aufgegeben. Im Interview mit ZZ-Sportredakteur Oliver Moje präsentiert sich der 35-jährige angehende A-Lizenzinhaber gleichermaßen redegewandt und sympathisch wie auch ehrgeizig.

Sie haben bis 2015 lange beim TSV Buchholz in der Oberliga Hamburg gespielt, anschließend noch ein Jahr beim MTV Treubund Lüneburg in der Landesliga gekickt und dann im Alter von 31 Jahren Ihre aktive Karriere beendet. Warum so früh?

Eigentlich wollte ich schon mit 30 aufhören. Ich hatte – trotz eines Kreuzbandrisses in jungen Jahren – immer eine super schöne Zeit. Doch ich hatte mir schon immer gesagt, ich möchte auf einem Höhepunkt aufhören. Hinzu kam, dass es damals gerade einen Umbruch in der Mannschaft gab, und da habe ich für mich entschieden, als Spieler aufhören, wenn es am schönsten ist. Für mich war aber klar, dass ich dem Fußball treu bleiben möchte. Ich hatte neben meiner aktiven Laufbahn seit 2008 schon beim HSV als Jugendtrainer gearbeitet. Ich hab damals in Lüneburg gewohnt, dort die B-Junioren-Bundesligamannschaft mit trainiert und mich dann überreden lassen, als erfahrener Spieler doch noch eine Saison in der Landesliga auszuhelfen.

Dann haben Sie 2016 in der Bezirksliga beim TSV Winsen/Luhe als Herrentrainer angefangen. Wie kam das zustande?

Das ist mein Heimatverein, da bin ich aufgewachsen. Außerdem war das ein interessantes Projekt. Die wollten mit Spielern aus der Umgebung wieder an alte Zeiten anknüpfen und versuchen, es wieder zurück in die Landesliga zu schaffen. Das lief dann auch sehr gut, sodass ich im Winter schon diverse Angebote aus höheren Klassen hatte, unter anderem von Teutonia 05. Zum Glück hat mein Bruder dann gesagt, er übernimmt als Spielertrainer, sodass ich im März als neuer Trainer bei Teutonia vorgestellt wurde, die dann noch den Aufstieg in die Oberliga schafften.

Danach haben Sie Ottensen als Aufsteiger zu einem dritten und zweiten Platz geführt und mussten trotzdem im März, unmittelbar vor der Coronaunterbrechung, Ihren Hut nehmen – als Tabellenzweiter. Wie kam es dazu?

Das kam natürlich sehr überraschend – für jeden. Ich hatte da eine tolle Zeit und eine tolle junge Mannschaft. Es war sehr schade, dass das so zu Ende gegangen ist. Viel mehr möchte ich dazu eigentlich nicht sagen.

Wie entstand der Kontakt zum Heeslinger SC?

Carsten Schult hatte mich im Winter schon einmal angerufen, damals hatte ich noch gesagt, dass ich vermutlich bei Ottensen verlängere, doch nachdem die Nachricht von der Trennung raus war, hat er sich gleich bei mir gemeldet. Ich hab mir dann ein paar Wochen Bedenkzeit ausgebeten, um das mit Ottensen zu verarbeiten, dann aber zugesagt.

Was hat Sie am Konzept des Heeslinger SC überzeugt? Für mich ist ganz wichtig, dass ein familiäres Umfeld vorhanden ist, in dem Leute zusammenarbeiten und nicht gegeneinander. Außerdem sollte man den Plan haben, gemeinsam etwas zu schaffen. Ich bin schon ein sehr ehrgeiziger Trainer und werde meiner Mannschaft auch einiges abverlangen. Wenn ich zum Training komme, werde ich immer topvorbereitet sein und alles dafür tun, dass wir jeden Spieler auf seine Art besser machen – ob im individuellen technischen Bereich, in der Passqualität oder was auch immer. Da werden wir als Trainerteam dran arbeiten. Ich werde sicherlich einem 30-jährigen Oberligaspieler nicht mehr die Technik neu beibringen, doch ich bin der Meinung, dass man nie zu alt ist, etwas Neues zu lernen – und sei es, sich vielleicht in bestimmten Situationen taktisch besser zu verhalten.

Wie bewerten Sie die Voraussetzungen in Heeslingen?

Wir haben hier eine junge, hungrige Mannschaft, die mit den Neuzugängen noch einmal weiter verjüngt wird. Trotzdem haben wir auch einige ältere, erfahrene Spieler dabei. Ich glaube, das ist eine gute Mischung, wenn man mittelfristig das Ziel hat, um die Plätze ganz oben mitzuspielen. Ich bin kein Mensch für Stillstand. Ich habe immer das Ziel, das Maximum zu erreichen. Ich will mir nicht am Ende der Saison vorwerfen lassen, dass wir hätten besser abschneiden können, wenn wir an der einen oder anderen Stelle mehr getan hätten. Wenn mal ein Spiel unglücklich verloren geht oder eine andere Mannschaft vielleicht einfach besser ist, dann akzeptiere ich das, solange klar ist, dass wir selbst immer alles rausgehauen haben. Ich kann aber nicht akzeptieren, wenn wir Spiele aus Faulheit, Undiszipliniertheit oder weil wir selbst nicht alles gegeben haben, verlieren.

Stichwort Neuzugänge: Vier der bislang sechs Neuverpflichtungen spielten vorher auch schon in Hamburger Clubs. Wie groß war Ihr Einfluss dabei?

Wir haben das mit den Neuzugängen hier alles im Team besprochen. Ich habe auch für Ottensen immer schon viel gescoutet und habe natürlich viele Kontakte zu guten Spielern. Da muss aber auch der Wohnort immer ein bisschen passen. Das ist bei mir ja ähnlich: Ich war Trainer in Hamburg, wohne aber in Seevetal, von da aus komme ich sogar schneller nach Heeslingen, weil die Autobahn in der Richtung meistens frei ist. Wir haben daher versucht zu gucken, was perspektivisch, wohnorttechnisch und auch von der Position her passt. Der Verein ist ja von der Vergangenheit her eher in Richtung Bremen vernetzt, von daher war mein Einfluss da schon vielleicht etwas größer. Wir haben dabei den Schwerpunkt auf Spieler gesetzt, die noch nicht fertig sind, aber viel Potenzial haben. Wir hoffen, dass diese bei uns in diesem familiären Umfeld und mit mir als Trainer den nächsten Schritt machen.

Haben Sie Ihre neue Mannschaft schon einmal spielen sehen?

Live in dieser Saison nicht, aber in der Oberliga werden ja alle Spiele aufgenommen. Ich habe mir die ganzen Videos nonstop über 90 Minuten reingeknallt. Ich bin da sicherlich etwas perfektionistisch angehaucht, aber die Spieler können davon ausgehen, dass ich schon ein genaues Bild habe, wenn ich mit ihnen spreche. Ich habe mir auch schon andere Spiele aus der Oberliga Niedersachsen angeguckt, sodass mir die Spielklasse nicht alles gänzlich unbekannt ist.

Welchen taktischen Ansatz bevorzugen Sie als Trainer?

Ich möchte in erster Linie, dass Spieler und Zuschauer immer das Gefühl haben, dass da Leute auf dem Platz stehen, die mit Spaß und Leidenschaft zur Sache gehen. Wir wollen versuchen, mit unserem Fußball – und der wird nicht so aussehen, dass man sich hinten reinstellt und vorne auf den lieben Gott hofft – soweit einen Spielstil zu entwickeln, dass wir den Fußballfan abholen. Sprich, möglichst viele Torchancen zu kreieren – allerdings natürlich mit der nötigen Absicherung. Ich bin ein Fan des ballbesitzorientierten Fußballs. Wir wollen auf jeden Fall mehr agieren als reagieren, sodass sich die Gegner nach uns richten müssen. Ich hoffe, dass wie so spielen, dass vielleicht der ein oder andere, der sich bei der Sky-Konferenz langweilt, stattdessen lieber den Weg ins Stadion sucht, um Amateurfußball mit viel Leidenschaft und Engagement zu sehen.



Was halten Sie vom Vorschlag des NFV-Präsidiums, die Saison abzubrechen und ausschließlich Aufsteiger zuzulassen? Ist das aus Ihrer Sicht die beste Option?

Hinter dem Saisonabbruch stehe ich zu 100 Prozent, auch dazu, Aufsteiger zuzulassen. Das Fehlen von Absteigern finde ich schwierig, weil das natürlich langfristige Folgen hat für alle Beteiligten.

Die Oberliga Niedersachsen hat zum Beispiel nächste Saison die stolze Zahl von 20 Mannschaften...

Auch in anderen Ligen sieht das ja ähnlich aus. Und irgendwann müssen diese ganzen Spiele ja gespielt werden. Wir sind immer noch im Amateursport. In der Bundesliga sagen sie immer, wenn man 50 bis 60 Spiele in einer Saison hat, ist das eine Menge Holz, aber wenn man auf uns guckt, sind wir bei 38 Punktspielen, dazu kommen, wenn man im Pokal weit kommt – was ich hoffe – noch einmal sechs, sieben Pokalspiele. Wenn man dann die ganzen Vorbereitungsspiele dazuzählt, dann kommt da eine ganze Menge zusammen – in effektiv gerade einmal acht Monaten. Da habe ich schon meine Zweifel, ob das der Gesundheit so zuträglich ist. Ich möchte aber auch nicht in der Haut der Verantwortlichen im Verband stecken, denn egal, welche Entscheidung man trifft, irgendwem wird man es immer nicht recht machen. Ich persönlich hätte eine Lösung mit Auf- und Absteigern besser gefunden.

Stichwort Corona-Krise: Was glauben Sie, wann können auch Amateure wieder Fußball spielen?

Wenn ich das wüsste... Ich hoffe für die Allgemeinheit, dass alle Sportler möglichst bald wieder ihrer Leidenschaft nachgehen können. Das ist beim Fußball aufgrund der Kontaktsperre derzeit natürlich schwierig. Ich hoffe aber, dass die Entwicklung so positiv wie derzeit weitergeht, sodass wir unter gewissen Maßnahmen spätestens am 1. September in die Saison starten können. Ich drücke da die Daumen. Aber der Gesundheitsaspekt geht natürlich vor.

Aufrufe: 01.6.2020, 12:24 Uhr
Oliver Moje/Zevener ZeitungAutor