2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview

„Am Ende des Tages geht es darum, dass wir das Beste draus machen“

Heeslingens Coach Sören Titze im Interview

Sören Titze (35) ist seit Sommer Trainer des Fußball-Oberligisten Heeslinger SC. Nach einem etwas holprigen Saisonstart mit zwei Unentschieden gegen Celle (2:2) sowie Rotenburg (1:1) und einer coronabedingten dreiwöchigen Zwangspause ab dem 22. September hat das Team kein Punktspiel mehr verloren, ist auf festem Kurs in Richtung Regionalliga-Aufstiegsrunde und hätte am Sonntag mit einem Sieg im abgesagten Spiel in Bersenbrück sogar die Tabellenführung übernehmen können. Im Interview mit ZZ-Sportredakteur Oliver Moje spricht der SC-Coach über die Hinrunde, seine Mannschaft, die Corona-Situation und die Ziele für die Rückserie.

Wie haben Sie die Nachricht des erneuten Lockdowns für den Monat November aufgenommen? Das hat ja immer zwei Seiten. Einmal die, bei der ich sehe, wie im Hintergrund Ehrenamtliche – nicht nur bei uns, sondern bei allen Vereinen – über Monate hinweg alles dafür getan haben, dass die Menschen noch Amateursport ausüben können. Andererseits muss man sehen, dass das Coronageschehen nun einmal so ist, wie es ist, und entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssen, unabhängig davon, wie viel wir als Fußballer dazu beigetragen haben. Ich glaube, es ist müßig darüber zu diskutieren. Am Ende des Tages geht es darum, dass wir das Beste draus machen und schnellstmöglich wieder zum Alltag zurückkommen – mit Geschäften, Wirtschaft, Kultur, Sport und allem, was dazu gehört.

Hätten Sie gern noch in Bersenbrück gespielt, oder konnten Sie die Absage – es gab einen Verdachtsfall in deren zweiter Mannschaft – nachvollziehen? Natürlich kann ich die Absage nachvollziehen, aber natürlich hätte ich auch gerne gespielt. Wenn man so einen Lauf hat, wie wir gerade, dann hätte man diesen sicherlich gerne so lange wie möglich weitergeführt. Uns war ja klar, dass es ab Montag sowieso eine Unterbrechung geben wird und sich dann alle individuell mindestens für vier Wochen wieder eigenständig auf einem Level halten müssen.

Was halten Sie davon, dass – bislang zumindest – an dem Terminplan für Dezember festgehalten wird? Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoller gewesen, das Jahr 2020 fußballerisch gleich für beendet zu erklären? Nein, da bin ich der Meinung des Verbandes. Das sind jetzt vier Wochen Pause und wir selbst haben ja gerade bewiesen, dass es durchaus möglich ist, innerhalb von drei, vier Wochen mehrere Spiele nachzuholen. Schon vor der Saison war ja klar, dass es immer mal wieder Unterbrechungen geben könnte. Wir waren davon ja auch schon betroffen und hatten schon mal drei Spiele Rückstand. Wir sollten jetzt hoffen, dass sich das alles möglichst schnell wieder in eine gesunde Richtung entwickelt und man am 1. Dezember auch wieder im Amateurbereich Mannschaftssport treiben kann.

Sportlich kommt die erneute Unterbrechung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Ihre Mannschaft hatte seit der unglücklichen Pokalniederlage in Ahlerstedt trotz drei englischer Wochen hintereinander vier Punktspiele in Folge gewonnen, davon drei gegen Spitzenteams. Glauben Sie, dass Ihre Spieler nach der Pause wieder nahtlos an diese Leistung anknüpfen können? Ich wünsche es mir. Natürlich hoffen wir als Trainerteam, dass sich unsere Mannschaft an diese berauschenden drei Wochen zurückerinnert und sich merkt, was möglich ist, wenn man im Kollektiv in kurzen Abständen hart zusammenarbeitet und alles aus sich herausholt. Das kann uns schon mal keiner mehr nehmen. Das zu einer Saison natürlich auch mal eine Schwächephase dazugehören kann, das ist auch klar, aber ich hoffe, dass wir aus dieser Zeit viel gelernt haben und den Weg, den wir eingeschlagen haben, konsequent weiter gehen.

Geben Sie Ihren Spielern ein Fitnessprogramm mit? Na klar. Es wäre ja fahrlässig, wenn wir diese gute Ausgangsposition jetzt verspielen würden, weil wir jetzt alle denken, wir sind gut, brauchen nicht mehr so viel zu tun – und sind dann, wenn es wieder losgeht, plötzlich die einzige Mannschaft, die noch eine Vorbereitung braucht. Wir hatten schon eine Coronapause und da hat meine Mannschaft gezeigt, dass auch in den eigenen vier Wänden nicht alle Fitnesswerte verloren gehen müssen.

Jetzt kommt ja auch noch das norddeutsche Schmuddelwetter dazu, sodass selbst bei einer Freigabe durch die Behörden viele Spiele im Dezember möglicherweise nicht stattfinden können. Wie sollte die Oberligasaison Ihrer Meinung nach fortgesetzt werden? Das ist zum Glück nicht meine Entscheidung. Auf jeden Fall sollte sie fortgesetzt werden. Da hat man auch eine Verpflichtung den Spielern, Verantwortlichen, Ehrenamtlichen und Sponsoren gegenüber, alles dran zu setzen, die Saison zu Ende zu bringen. Der Verband hat vor dem Start klar gesagt, dass es coronabedingt zu Änderungen im Spielmodus kommen kann. Wenn diese nun eintreten, sind die von allen zu akzeptieren.
Wir waren im Sommer froh, dass wir überhaupt wieder Fußball spielen konnten und jetzt müssen wir das halt so nehmen, wie es kommt. Was da jetzt richtig oder falsch ist, das kann man schlichtweg noch nicht sagen. Das hängt ja auch immer von der Sicht des Betrachters ab. Wer gut dasteht, der sagt, es ist ihm egal, wie entschieden wird, wer vielleicht gerade eine schwache Phase hat und nur mit drei Punkten dasteht, der sagt, das macht alles keinen Sinn mehr. Das ist für mich nicht entscheidend.Letztendlich betreibe ich persönlich Fußball, weil das meine große Leidenschaft ist. Es macht Spaß, Woche für Woche mit ehrgeizigen Jungs zusammenzuarbeiten und diese weiterzuentwickeln. Das ist irgendwo ja auch ein Ausgleich und wir alle sollten alles daran setzen, dass man uns den Sport nicht wegnimmt.

Wie bewerten Sie bisher Ihr erstes halbes Jahr als Trainer des Heeslinger SC?
Es wäre natürlich schlimm, wenn ich jetzt sagen würde, ich bin nicht zufrieden. Wir haben im Sommer einen Umbruch vollzogen, der sicherlich zuerst nicht überall nur auf positive Resonanz gestoßen ist. Das ist ja auch völlig normal, denn wenn man etwas verändert im Leben, wird es immer Leute geben, die das aus ihrer Sicht heraus nicht verstehen. Man muss aber ja auch immer das Große und Ganze im Blick haben und da haben wir uns im Verein nach langen Gesprächen dafür entschieden, dass wir versuchen wollen, die gute Jugendarbeit wieder mehr in den Mittelpunkt zu richten. Ziel ist es, den Jungs zu zeigen, dass man bei den ersten Herren in Heeslingen den Durchbruch schaffen kann und dass man auch an ihnen festhält, wenn sie vielleicht mal eine schwächere Phase haben.

Wie weit sind Sie diesbezüglich schon gekommen?
Es hat sich bereits in der Vorbereitung gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir hatten da mal herausragende, mal solide Ergebnisse und sind mit viel Vorfreude in die Punktserie gestartet. Auch die beiden Unentschieden zu Saisonbeginn waren für uns keine Krise, sondern ein ganz normaler Prozess, zumal die Ergebnisse nur an Nuancen hingen, etwa der Frage, ob wir in der 95. Minute noch ein Tor kriegen oder nicht. Aber genauso hatten wir in den Spielen, die wir danach gewonnen haben, manchmal das Quäntchen Glück, nicht mit 0:1 in Rückstand zu geraten. Gegen Spelle-Venhaus etwa hätten wir in den ersten 20 Minuten durchaus hinten liegen können, haben das dann aber immer besser gemacht und uns am Ende belohnt. Wenn man jetzt nur die Ergebnisse beurteilt, sagt man im Nachhinein natürlich, das war alles top, aber ganz so war es nicht. Andererseits haben wir in Heeslingen vom ersten Spieltag an eine positive Entwicklung gesehen. Ich denke, die Zuschauer spüren, dass da eine Mannschaft auf dem Platz steht, die zusammenhält und sich mit dem Verein identifiziert.

War es dieser Zusammenhalt, der Ihre Mannschaft bisher so stark gemacht hat?
Das war zum einen der Zusammenhalt und zum anderen der Ehrgeiz, den ich in jedem Training sehe. Wir haben eine super Trainingsbeteiligung. Jeder, der nicht gerade verletzt ist, tut alles dafür, dass er beim Training sein kann und gibt da Vollgas. Hinzu kommt, dass die Jungs bereit sind, das anzunehmen, was wir ihnen mit auf den Weg geben. Sie merken zwar auch, dass das manchmal nicht von heute auf morgen klappt, versuchen aber trotzdem, das Woche für Woche umzusetzen.

Wie haben Sie es geschafft, die immerhin neun Neuzugänge so schnell zu integrieren?
Das liegt an der ganzen Mannschaft. Die, die schon lange bei Heeslingen sind, haben den Jungs von Beginn an eine offene Tür geboten. Sie haben ihnen von Anfang an gezeigt, dass wir hier eine Mannschaft sind und nicht nach dem Motto: „Da kommt einer, der mir den Platz wegnehmen will“ gegeneinander arbeiten – was aber natürlich auch irgendwie dazugehört, denn am Ende kann ich natürlich nur elf Leute aufstellen. Daher muss man den alt eingesessenen Spielern erstmal ein großes Kompliment machen, dass sie es den Neuzugängen so einfach gemacht haben und allesamt so positiv und wissbegierig an die neue Situation herangegangen sind. Außerdem gehört natürlich auch das Umfeld dazu: Zuschauer, Sponsoren und unsere Teammanager Carsten (Schult, d. Red.) und Steffen (Lahde, d. Red.), die von Anfang an ja klar gesagt haben, dass sie diesen Weg so gehen wollen. Es ist ganz wichtig, dass man sich als Trainer sicher sein kann, dass der Fahrplan für die nächsten drei Jahre feststeht – auch wenn es zwischendurch vielleicht auch mal nicht so gut laufen sollte.

Mit Ausnahme von Keeper Tom Petter Rode, der zwischendurch aber auch von einer Verletzung ausgebremst wurde, gehören alle Neuverpflichtungen zu den 14 Spielern Ihres 22-er Kaders mit den meisten Spielminuten. Hätten Sie das vor der Saison so erwartet?
Nein, vor allem bei den Spielern, die gerade aus der Jugend kommen, hätte ich nicht erwartet, dass die sich so schnell an den Herrenfußball anpassen würden. Wenn wir zum Beispiel einen Phil Sarrasch nehmen: Was der in seinem ersten Herrenjahr von der Vorbereitung bis jetzt abgeliefert hat, davor kann man nur den Hut ziehen. Ich sage es mal so: Die „jungen Wilden“ sind so gierig im Training, dass die gestandenen Spieler auch noch mal 15 Prozent mehr aus sich herausholen. In der Summe macht das dann irgendwo den Unterschied. Wir haben einen sehr ausgeglichenen Kader und nicht einmal mit der gleichen Startelf begonnen. Wir hatten immer gute Optionen. Dazu kommt uns entgegen, dass wir in dieser Saison viermal auswechseln dürfen. Das haben wir immer genutzt. Dadurch konnten wir – gerade in den englischen Wochen – das Niveau immer hoch halten. Die Wechsel hatten dabei keineswegs immer was damit zu tun, dass ein Spieler schlecht trainiert hat und deswegen auf der Bank saß, sondern damit, dass wir immer auf das große Ganze geguckt haben und das den Jungs auch so erklärt haben.

Malik Gueye und Sven Tomelzick waren die einzigen beiden Feldspieler Ihres Kaders, die bisher nicht zum Zuge kamen. Woran lag das? Bei Malik ist das eine ganz einfache Sache. Er hatte schon in der Vorbereitung große Probleme mit seinem Fuß, hatte immer Schmerzen, konnte in diesem Jahr noch keine vier Wochen trainieren und fehlte daher verletzungsbedingt. Bei Sven Tomelzick ist es einfach so, dass die anderen einen Tick weiter sind als er und wir in der Verteidigung Spieler haben, die ich momentan einfach vor ihm sehe. Das habe ihm auch schon offen und ehrlich kommuniziert. Ich bin kein Freund davon, da groß um den heißen Brei herumzureden.

Wenn es so weiter gehen sollte, könnte aus dem mittelfristigen Ziel Regionalliga-Aufstieg möglicherweise sogar ein kurzfristiges werden. Dürfen sich die heimischen Fans auf einen Durchmarsch freuen?
Freuen dürfen sie sich auf jeden Fall auf jedes Spiel von uns. Träume sind natürlich erlaubt, aber dabei sollte man realistisch bleiben. Die längste Serie, die der Heeslinger SC in den letzten vier Jahren in der Oberliga hatte, waren fünf Spiele ohne Niederlage. Meine Mannschaft hat das jetzt sieben Spiele lang geschafft – und davon sogar fünf in Folge gewonnen. Wir kämpfen mit Spitzenmannschaften wie Spelle-Venhaus, Lohne und Emden um die Tabellenführung. Der VfL Oldenburg hat letztes Jahr noch Regionalliga gespielt.

Zudem ist es uns gelungen, die Fans wieder abzuholen. Ich glaube, derzeit kann sich jeder Zuschauer mit dem identifizieren, was unsere junge, hungrige Mannschaft auf dem Platz zeigt. Wir haben schon einiges richtig gemacht und nun hoffe ich, dass wir im Dezember noch zwei, drei Spiele spielen. Sonst greifen wir halt in der Rückrunde wieder an und versuchen, unsere gute Ausgangslage weiter zu verbessern. Was dabei wichtig ist: Es darf am Ende nicht so kommen, dass man plötzlich sagt, jetzt ist alles schlecht, falls wir in der Rückserie mal in eine Schwächephase geraten sollten. Man muss da realitätsnah bleiben und daran denken, dass der Abstand zu den Top-Mannschaften der Liga in den vergangenen Jahren noch ziemlich deutlich gewesen ist.

FuPa.net - Ein Fußball-Portal, 1000 Möglichkeiten

Wie kann ich mitmachen auf FuPa? (Überblick)
Was bietet FuPa.net für mich & meinen Verein? (Überblick)
FuPa.tv: Filmen mit der YouSport-App
Bildergalerien hochladen
An die Torwand im legendären ZDF-Sportstudio mit FuPa/Hartplatzhelden

Aufrufe: 04.11.2020, 10:25 Uhr
/ Zevener Zeitung/ Oliver MojeAutor