2024-05-02T16:12:49.858Z

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Daniel Hansmeier schreibt in mehreren Kolumnen über die Weltmeisterschaft.
Daniel Hansmeier schreibt in mehreren Kolumnen über die Weltmeisterschaft.

Hansis WM-Kolumne: Gegen Nationalelf-Hasser

In Teil 3 schreibt Kolumnist Daniel Hansmeier über die vielen deutschen Kritiker und ihre Beweggründe

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So denn, Kinder. Der erste Spieltag ist rum, ein Teil des zweiten ebenfalls schon. Die WM ist in vollem Gange und für einige Champions-League-Finalisten schon wieder vorbei. Und wir haben weitere Entscheidungen! Der russische Gastgeber ist frech und unerwartet, wie sonst nur freitagabends im getunten A6 an der Tanke, plötzlich in der Pole Position - und tatsächlich mit zwei überragenden Siegen im Achtelfinale. Wer hätte das gedacht? Im selbigen wartet vielleicht Cristiano Ronaldo mit seinen Europameistern. Ohne Wenn und Aber: Mr. CR7 ist bisher der überragende Spieler des Turniers. Und irgendwie wirken die Jungs neben ihm auch als eine verdammt wuchtige Einheit. Bahnt sich da ein Remake von Frankreich 1998/2000 mit zwei Titeln in Folge an? Bestimmt. So wie meine restlichen Tipps bisher laufen…

Interessant für uns 80-Millionen Bundestrainer war bisher natürlich am meisten der Sonntag. Wie kann man nur? Verlieren?! Gegen Mexiko! Also bitte, Jogi! Und wie und überhaupt und weshalb und ... ach! Wir wussten es doch nachher eh alle wieder besser. Reus von Anfang an - logisch. Und Khedira kannst du in 2018 einfach nicht mehr machen. Und diesen formlosen Müller erst! Mensch, Jogi! Und nur, weil Kimmich jetzt Bartwuchs hat und Werbung für Rasierer machen kann, heißt es noch lange nicht, dass er jetzt schon the next Lahm ist. Also bitte, Jogibär.

So erschreckend die Art und Weise der Niederlage ja vielleicht auch war - vielleicht ist sie doch gar nicht so verkehrt. Weshalb? Nun, der etwas nervige und unsägliche Hype um die Nationalelf flacht etwas ab. In diversen Städten wurden Public Viewings abgesagt. Es sind deutlich weniger Autos mit Fähnchen und falsch herum gedrehten Spiegelüberzügen unterwegs. Ein erster Hinweis auf den Abgesang des Schlaaaandlandes? Ist die Herrlichkeit der Bierhoffschen Blümchen-alles-toll-alles-super Welt doch vorbei, wenn selbst die gehorsame Gefolgschaft der Presse durchaus deutliche Kritik übt? Und was erlaubt sich eigentlich der schöne Mats im Interview, als er die Jungs vor ihm direkt kritisiert? Wusste Cathy eigentlich davon?

Apropos kritisieren: Viel schlimmer noch als die Tatsache, keinen Brennpunkt am Sonntagabend zu senden, sondern stattdessen eine (zugegebenermaßen verdammt gute) Wiederholung des Kölner Tatorts, sind aber dann noch die Nationalelf-Hasser unter uns. Alles was schwarz-rot-gold ist, ist totaler Mist. Nun, liebe Mitgrätschenden, auch ich bin jetzt kein großer Fan unserer „Die Mannschaft (tm)“ - auch wenn ich euch grad im Trikot angrinse. Ich verstehe jeden, der einen personifizierten FC Bayern in Gestalt von Thomas Müller nicht zujubeln kann, weil er ihm 34 Spieltage plus hundert Champions-League- und Pokalspiele pro Saison die Pest an den Fuß wünscht. Und wie kann man als blauweißer Vizemeister-Knilch, der letztes Jahr noch über Timo Werners Mama gesungen hat, jetzt eben jenen Wunderknaben vom Kunstprodukt zujubeln? Richtig: Schwierig bis gar nicht. Es sei denn, man ist sehr abgestumpft und freut sich auch über Siege von RB Leipzig in Europa - „wegen der wichtigen 5-Jahres-Wertung“. Als ob uns da jemals wieder einer der Ligen unter uns verjagen würde.

Aber gut. Dennoch ist der Hass auf die Nationalelf von einigen echt einfach nur nervig. Dann schaut die Spiele halt nicht. Ach nee. Müsst ihr ja doch machen, damit ihr euch aufregen und das vor allem jedem per Whatsapp-Status, Twitter oder Facebook mitteilen könnt. Und man könnte ja auch doch ein 7:1 im Halbfinale verpassen. Auch wenn der Müller trifft und Timo Werner ein tolles Spiel macht und vier Tore vorbereitet. Habt ihr eigentlich auch einen Hass auf Toni Kroos, einen der größten deutschen Fußballer unserer Zeit?

Aber keine Sorge, liebe Nationalelf-Hasser. Ich verstehe euch ja ein wenig. Und dennoch hatte ich am Montag meinen „irgendwie verarsche ich mich doch selbst“-Moment. Da spielte Kolumbien gegen Japan. Ein Klassiker der WM-Historie. Ganz bestimmt. Viel mehr aber noch war es mein geliebter schwarzgelber Shinji gegen den bajuwarischen James. Eben jener James, der mich 2011 in Porto schon verzückte. Eben jener James, der 2014 der ganzen Welt den Atem raubte und das schönste Tor in Brasilien machte. Aber auch eben jener James, dem ich doch eigentlich im roten Trikot 34 Spieltage lang die Pest an den Fuß wünschen muss. Aber am Montag ging es dann doch nicht anders. Wenn James sein schickes gelbes Trikot trägt, ist es der funkelnde Stern von Anno 2011 der mir damals schon den Atem raubte. Auch wenn 2018 kein 2011 und erst recht kein 2014 ist. Aber verdammte Axt nochmal, Shinji trug dann auch noch ausgerechnet ein blaues Trikot. Also: Vamos, James!

In diesem Sinne, lasst euch den Wodka in der Halbzeitpause schmecken.

Aufrufe: 021.6.2018, 19:00 Uhr
Daniel HansmeierAutor