2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Sascha Winsi spricht im Interview über die Hintergründe als Stützpunkttrainer. Foto:photoagenten/axel schmitz
Sascha Winsi spricht im Interview über die Hintergründe als Stützpunkttrainer. Foto:photoagenten/axel schmitz

»Spielphilosophie steht obenan«

SASCHA WINSI +++ Was der TSV Gau-Odernheim mit den Nationalmannschaften gemeinsam hat

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ALZEY. 4-4-2, 4-2-3-1 oder 4-1-4-1 sind keine Rechenaufgaben, sondern Beschreibungen taktischer Grundordnungen von Fußball-Mannschaften. Über ihre Bedeutung reflektiert Sascha Winsi, der Stützpunkttrainer des Deutschen-Fußball-Bundes im Kreis Alzey-Worms, im Gespräch mit FuPa.

Herr Winsi, die Erfolge der deutschen Nationalmannschaften im männlichen Bereich sollen, so eine landläufige Meinung, darauf begründet sein, dass von der U16 an aufwärts in der gleichen taktischen Grundordnung gespielt wird. Ist das so?

Eher nicht. Richtig ist mit Sicherheit, dass es im Deutschen Fußball-Bund eine einheitliche Spielphilosophie gibt, die man in allen Altersstufen zu verwirklichen versucht. Das halte ich auch für einen Vorteil, weil sich die Spieler bei einem Altersklassenwechsel nicht neu orientieren brauchen.

Sie haben als Stützpunkttrainer und ehemaliger Jugendtrainer bei Mainz 05 Überblick: Verfahren Vereine wie der Deutsche Fußball-Bund?

In jedem Fall. Man braucht da nicht weit zu schauen: Beim TSV Gau-Odernheim ist es mit Sicherheit so, dass die Trainer aller Mannschaften um die Spielphilosophie des Vereins wissen und sich danach richten. Auch in Saulheim, wie in vielen anderen systematisch arbeitenden Vereinen, gibt es kleine Handbücher, in denen drin steht, was in welchen Altersstufen zu trainieren ist. Das Spielen nach taktischen Vorgaben sollte im Jugendbereich aber erst in der U15 oder U16 eingeführt werden. In den vorausgehenden Jahrgängen sollte das Augenmerk auf der Individual- und Gruppentaktik liegen, statt auf der Mannschaftstaktik.

Aber die grundsätzliche taktische Ausrichtung, etwa ob mit zwei Stürmern oder einer Doppelsechs operiert wird, ist in diesen Handbüchern nicht festgelegt?

Nein. Die taktische Grundausrichtung hängt vorrangig vom Spielerpotenzial ab, das zur Verfügung steht. Dann haben Trainer gewisse Grundvorstellungen von dem, wie sie den modernen Fußball interpretieren. Ein stückweit fließt auch ein, mit welchem Gegner man es zu tun hat. Ich hielte es eher für einen Nachteil, wenn man sich bei der Spielanlage nur auf ein Spielsystem beschränken würde. Stattdessen sollten wir bemüht sein, Spieler ab den älteren Jahrgängen möglichst flexibel auszubilden und diese Flexibilität beibehalten.

Das heißt, Sie sind ein Gegner verbindlicher Spielkonzeptionen innerhalb einer Einheit wie Verein oder Nation?

Ich würde das Spiel nie in ein System pressen. Wichtig ist zweifellos, dass eine taktische Grundordnung vorhanden ist. Die kann beispielsweise unter dem Aspekt differenziert werden, ob die eigene Mannschaft in Ballbesitz ist oder nicht, also in eine offensive beziehungsweise defensive Grundordnung. Diese Ordnung muss aber situationsbedingt anpassungsfähig sein. Das setzt gut ausgebildete Fußballer voraus.

Die Zeiten, in denen Catenaccio für Italien oder Kick’n‘Rush für England stand, sind demnach vorbei?

Nicht zwingend. Das sind Spielphilosophien, die aber keine unflexible taktische Grundausrichtung zur Folge haben müssen. Allerdings muss man sagen, dass der Fußball heute komplexer ist als zu der Zeit, als diese Begriffe geprägt wurden. Damit einhergeht, dass es immer schwieriger wird, typische Stile zu klassifizieren. Flexibilität wird von den Spielern verlangt, daher ist die technische Ausbildung wichtiger als die taktische.

Halten Sie die Diskussionen über Spielsysteme dann für überwertet?

Nein. Es ist ja schon interessant zu beobachten, mit welchen Maßnahmen Trainer auf gewisse Spielsituationen reagieren, wie die taktische Grundausrichtung während eines Spiels variiert wird. Aber es gibt wichtigere Komponenten, die entscheidend für den Spielausgang sind.

Das Interview führte Claus Rosenberg



Zur Person

Sascha Winsi ist Trainer am Stützpunkt des Deutschen Fußball-Bundes- Der 32-Jährige hat als Coach von RWO Alzey und bei Mainz 05 Erfahrungen im Erwachsenen- und Jugendbereich gesammelt. Derzeit lässt der Gymnasiallehrer für Englisch und Geographie seine aktive Fußballer-Laufbahn beim Bezirksligisten FSV Saulheim ausklingen.

Aufrufe: 014.8.2017, 12:00 Uhr
Claus RosenbergAutor