2024-05-02T16:12:49.858Z

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Tropfnass und bedröppelt: die Spieler der SG Lenkersheim/Bad Windsheim II nach dem Elfmeterschießen. F: Glanz
Tropfnass und bedröppelt: die Spieler der SG Lenkersheim/Bad Windsheim II nach dem Elfmeterschießen. F: Glanz

Gewitter sorgt für denkwürdigen Abend in Marktbergel

Bastian Lauer von der SG Lenkersheim/Bad Windsheim II schildert seine Erlebnisse von einem Spiel, das drei Stunden dauerte

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Knapp 20 Männer, verschwitzt, durch­nässt. Zusammengepfercht in einer viel zu kleinen Kabine. Durchs gekipp­te Fenster ist das schwere Prasseln des Regens zu hören, im Sekunden­takt das stetige Blitzen eines Unwet­ters zu sehen. "Wer will schießen?" Diese Frage ist generell eine, bei der manchem Fußballer die Beine schlot­tern – von Weltmeisterschaft bis A-Klassen-Relegation. Am Freitag­abend in Marktbergel ist der Druck aber... – nein, man vermag es gar nicht exakt in Worte zu fassen. Von uns Spielern zuckt keiner mehr. Wir wün­schen uns nur, dass es schon vorbei wäre. Mit Fußball hat es zu diesem Zeitpunkt nur noch entfernt zu tun. Bastian Lauer war als Spieler der SG Lenkersheim/Bad Windsheim II live dabei und schil­dert hier den Abend aus seiner Sicht.

Notgedrungen schnappe ich mir die Kugel, die am Mittelpunkt zum An­stoß bereitliegt. An der Kasse hat sich eine lange Schlange gebildet. Das In­teresse am Relegationsspiel zur A-Klasse zwischen dem Wettringer SV und der SG Lenkersheim/Bad Winds­heim II ist überraschend groß. Weit über 300 Zuschauer sind es letztlich. Schiri Fabian Bauer entscheidet: "Wir warten noch ein paar Minuten." Also spiele ich den Ball meinen Kolle­gen zu. Warm halten. Wach bleiben. Wir denken nicht daran, was aus die­sem Abend noch werden würde. "Fangt an! Wenn’s Verlängerung gibt, dann wird’s zu dunkel", sagen einige Zuschauer.

Um 18.43 Uhr geht es endlich los. 13 Minuten später als vorgesehen. Einige Fans haben das erste Bierfläschchen schon geleert. Es werden mehr folgen, als sie geplant haben. Nicht nur, weil das Spiel ziemlich schlecht ist und sie Ablenkung brauchen. Als ich nach etwa 70 Minuten ausgewechselt wer­den muss – Krämpfe – und mich auf der Ersatzbank niederlasse, sehe ich das Unheil das erste Mal: ein schweres Gewitter naht heran. Über Burgbern­heim, vielleicht ist es auch weiter weg, blitzt es die ganze Zeit.

Verlängerung will keiner hören

Mit 0:0 – aus unserer Sicht ein sehr schmeichelhaftes Ergebnis – geht die reguläre Spielzeit zu Ende. "Wie geht’s jetzt weiter?", fragen Zuschauer wie Spieler und Betreuer. Verlänge­rung. Ein Wort, das keiner hören will. Wir Lenkersheimer und Bad Winds­heimer sind schon stehend k.o. Und es wird immer dunkler. Die schwarzen Gewitterwolken hängen greifend na­he über dem Sportplatz am Fuße des Petersberges. Schiri Bauer erkennt die Lage und pfeift schnell wieder an. Doch die Natur ist zu stark. Regen. Wind. Und diese Blitze. Sie kommen immer nä­her. "Das wird heute nichts mehr", sage ich auf der Ersatzbank. "Der muss abbrechen. Das ist viel zu gefähr­lich", sagt mein Kamerad Patrick Beck. Er hat völlig Recht.

Es muss etwa die 115. Minute sein, als Dietmar Horn Gehör findet. Dem Wettringer Torhüter fliegen die Servi­etten um die Ohren, die am Bier- und Würstchen-Stand 50 Meter weiter, am Spielfeldrand, deponiert sind. Es gießt. Ich rechne jede Sekunde mit einem Blitzeinschlag. "Hört auf! Hört auf!", bettelt Horn. Der Keeper läuft aus seinem Strafraum heraus, obwohl das Spiel normal läuft. Schiri Bauer pfeift ab. Endlich. Unterbrechung. Die Zuschauer flüchten. Doch das Drama nimmt erst seinen Lauf.

Bauer und seine beiden Assistenten laufen zum Beobachter des Verbandes am Spielfeldrand. Sie beratschlagen. Ich humple quer übers Feld. Von uns ist da keiner dabei. Ich will aber wis­sen, was los ist. Der Beobachter hat keine Idee. Die Schiris auch nicht. "Spielen wir halt morgen weiter", sage ich. Wettringer Fans werfen plötzlich einen Bengalo aufs Feld. Schiri-Assistent Manfred Hegwein schreitet ein. Dann kommt Bernd Schuh dazu, einer der Organisatoren des Relegationsspiels von Ausrichter TSV Marktbergel. Er ist auch schon lange Schiedsrichter, kennt seine Kol­legen. "Ich würde euch vorschlagen, wir ziehen die fünf Minuten irgend­wie durch. Und das Elfmeterschießen machen wir unten am B-Platz. Da haben wir Flutlicht", sagt Schuh. Ach­selzucken. Okay. "Die spinnen", den­ke ich.

Nur noch rennen

Ich pfeife meine Kameraden zu­rück, die ihre sieben Sachen gepackt haben und in die Kabine marschieren. Es schüttet. Mir ist mulmig. Aber es geht weiter. Ein paar Minuten. Dann unterbricht Schiri Bauer erneut. Kei­ne Ahnung, in welcher Spielminute. Wir rennen einfach los. Nur noch in die Kabine. Vorbei an Zuschauern, die sich unter Bäumen verstecken. Die meisten denken, es wurde abge­brochen. Einige Zuschauer gehen ein­fach heim. Aber wir sitzen da. Hand­tuch im Gesicht. Fragende Blicke. Draußen das Gewitter. Dann kommt unser Betreuer Werner Koch: "Wer will schießen?" Elfmeterschießen! Es finden sich fünf Mutige. Aber sie müssen warten. Keine Ahnung, wie lange. Ich gehe nach draußen. Und wieder rein. Im­mer wieder. Die vielen Bekannten, die ich auf dem Weg treffe, schütteln alle den Kopf.

Irgendwann lassen Blitz und Don­ner nach. Nur noch Regen. Die ziehen das wirklich durch. Wir gehen lang­sam raus. Das Flutlicht am B-Platz, der direkt am Sportheim liegt, ist be­reits an. Die TSV'ler räumen die Ab­sperrung im Fünfmeterraum vor dem Tor weg. Dort wurde frisch angesät. Der Platzwart ist stinksauer. Alles egal. Elfmeterpunkt und Torlinie wer­den noch einmal markiert. Der Regen wäscht die frische weiße Farbe gleich wieder weg.

Wir verlieren. Traurig ist aber kei­ner. 21.43 Uhr. Drei Stunden für ein Fußballspiel. Wir schütteln artig die Hände der jubelnden Wettringer und gehen wieder rein in die Kabine. Die Stimmung dort ist kaum zu beschrei­ben. Gelöst sprechen wir über einen unfassbaren Abend. "Das ist Fuß­ball", sage ich, weiß aber, dass das Schwachsinn ist.

Aufrufe: 012.6.2017, 11:48 Uhr
Bastian LauerAutor