2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
Schmerzmittel zählten auch bei Fußballern aus dem Landkreis Starnberg zum Alltag.
Schmerzmittel zählten auch bei Fußballern aus dem Landkreis Starnberg zum Alltag.

Schmerzmittel im Fußball: „Man wollte immer spielen, egal wie“

Amateur-Kicker sprechen über eigene Erahrungen

Die ARD-Reportage zum Thema Schmerzmittelmissbrauch im Fußball sorgte für Aufsehen. Der Starnberger Merkur hat sich im Landkreis umgehört, wie die Amateurfußballer des Fünfseenlandes mit dem Thema umgehen.

Landkreis – Christoph Kammerlander saß kopfschüttelnd vor dem Fernseher. „Ich habe mich gefragt, wie dämlich ich damals war“, erinnert sich der Spielertrainer des TSV Perchting-Hadorf. Vor wenigen Wochen hat er eine Dokumentation der ARD gesehen, in der es um den Schmerzmitteleinsatz im Fußball und seine teils schwerwiegenden Folgen ging. „In den ersten Jahren im Herrenfußball war die Schmerzmittelpackung fester Bestandteil meiner Sporttasche“, erzählt Kammerlander. „Man wollte immer spielen, egal wie“, sagt Kammerlander, der einst beim MTV Berg in der Bezirksliga und danach bei der FT Starnberg 09 in der Landesliga kickte. Inzwischen ist er 31 Jahre alt und hat vor einem halben Jahr eine Hüft-Operation über sich ergehen lassen müssen. „Inwieweit beides zusammenhängt, weiß ich nicht. Aber mein körperlicher Zustand kann schon damit zu tun haben“, mutmaßt Kammerlander.

Christoph Kunert geht es ähnlich. „Es tut dem Körper nicht gut, den Schmerz mit Mitteln künstlich auszuschalten“, sagt der Mittelfeldakteur des SC Pöcking-Possenhofen. Der 30-Jährige hat ebenfalls bereits eine Hüft-OP hinter sich. „Es wäre besser gewesen, wenn ich früher die Verletzungen besser auskuriert hätte“, stellt Kunert fest. Doch die Spieler hatten schlechte Vorbilder. „Die anderen haben es vorgemacht. Als junger Spieler war einem die Gefahr nicht bewusst“, sagt Ken Weid. Beim 31-Jährigen wurden die Rückenschmerzen in den vergangenen Jahren so groß, dass der ehemalige Torwart des MTV Berg und des SC Pöcking-Possenhofen inzwischen gar nicht mehr spielt. „In meiner Jugendzeit in Unterhaching hat man Schmerzmittel genauso regelmäßig zu sich genommen wie Kaffee oder Kakao“, erinnert sich Weid.

Dötsch berichtet von Schülern, die bereits Schmerzmittel nehmen

Jean-Luca Dötsch ist Junioren-Nationalspieler im Futsal. „Ich habe von vielen meiner Schulkollegen gehört, dass sie Schmerzmittel selbst vor dem Training genommen hatten“, sagt er. Damals ging Dötsch in die Walter-Klingenbeck-Realschule in Taufkirchen, eine der Eliteschulen des Deutschen Fußballs. „Viele träumen dort den Traum vom Profifußball“, sagt der Spieler des SC Pöcking-Possenhofen. Er selbst wurde nicht schwach. „Ich war Gott sei Dank nicht verletzungsanfällig. Zudem hat mich mein Vater Thomas (Trainer des TSV Oberalting-Seefeld, die Red.) auf die Gefahren aufmerksam gemacht“, sagt Dötsch. Er selbst hätte sich vor allem in der Schule mehr Aufklärung gewünscht. „Man hätte im Fach Sportwissenschaft darauf eingehen können“, so der Mittefeldakteur.

Auch Florian Garke hätte sich vor gut zehn Jahren Warnung gewünscht. Wenige Wochen nach einem Leistenbruch, der nicht operiert werden musste, stand der heutige Abteilungsleiter des MTV Berg wieder auf dem Platz. „Ich habe zwei Monate lang regelmäßig Schmerzmittel zu mir genommen“, erinnert er sich. „Gerade bei Hitze war ich völlig fertig nach dem Spiel“, erzählt Garke, der damals die ersten Schritte im Herrenfußball machte. „Gott sei Dank war die Saison dann zu Ende“, so der heute 32-Jährige.

TSV Erling-Andechs: Öhler will keine Spieler mit Schmerzmittel auflaufen lassen

Was sagen die Trainer dazu? „Wenn ich bei meinem Spieler mitbekomme, dass er Schmerzmittel genommen haben sollte, spielt er nicht“, sagt Bernd Öhler. Der Trainer des A-Klassisten TSV Erling-Andechs hat eine besonders deutliche Haltung. „Das liegt vor allem an meiner Frau Manuela. Die ist Heilpraktikerin und weiß um die Folgen von Schmerzmitteln“, berichtet Öhler. Deshalb beobachtet er seine Fußballer in Spiel und Training genau. „Wenn ich sehe, dass irgendetwas dem Spieler Probleme bereitet, dann frage ich sofort nach. Die Gesundheit ist das Allerwichtigste“, sagt der 50 Jahre alte Familienvater.

Peter Schmidt, Coach des Landesligisten TSV Gilching-Argelsried, geht ebenfalls verantwortungsvoll mit dem Thema um. „Im Notfall bekommt ein Spieler mal eine halbe Ibuprofen 400, mehr auf keinen Fall“, sagt Schmidt. Er hat jedoch weder während seiner Zeit als Spieler noch als Trainer bemerkt, dass Schmerzmittel zu einem Suchtproblem geführt hätten. „Ich sehe die Gefahr, die vom Alkohol ausgeht, als viel problematischer an“, stellt der Gymnasiallehrer fest.

Markus Zechner über Ergebnisse der ARD-Reportage geschockt

Christian Feirer war noch mit 47 Jahren aktiv am Ball in der zweiten Mannschaft des FSV Höhenrain. „Ich würde lügen, wenn ich in absoluten Ausnahmefällen nicht mal eine Schmerztabelle genommen hätte. Ich wollte ja spielen“, erinnert sich der heute 50 Jahre alte Abteilungsleiter. „Ich glaube nicht, dass das gelegentliche Einnehmen zu Schäden führt“, so Feirer.

Auch bei den Frauen besteht das Problem Schmerzmittel. „Ich habe genug Spielerinnen gesehen, die sich damit fit gemacht haben“, sagt Markus Zechner. Über die Ergebnisse der ARD-Reportage war der sportliche Leiter des TSV Gilching-Argelsried geschockt. „Man wusste vorher schon, dass es nicht gut ist. Aber das es so heftige Folgen haben kann, war erschreckend“, bekennt Zechner. Bei regelmäßiger Einnahme könnten sogar Organschädigungen eintreten.

Aufrufe: 07.7.2020, 08:02 Uhr
Starnberger Merkur / Tobias HuberAutor