2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines

Giards große Gelegenheit

oder: über die (Un-) Möglichkeit, (un-) ausschlagbare Angebote abzulehnen

Am heutigen Tag schließt das Transferfenster, das die letzte Möglichkeit für die Vereine besiegelt, auf dem Spieler – Markt zuzugreifen. Ein alltägliches Phänomen, das sich zweimal im Fußballerjahr beobachten lässt und auf das ein Blick zu werfen sich trotzdem oder gerade deswegen lohnt. Denn für die betroffenen Spieler, aber auch die involvierten Mannschaften bedeutet eine solche Richtungs–Änderung meistens ein Wechsel – Bad der unterschiedlichsten Gefühle. Und je nach Anlass des Weggangs vermag dieser Schritt Erstaunen, Erleichterung oder sogar Empörung mit sich bringen.

Ein bisschen von allem war in den vergangenen Tagen angesichts des publik gewordenen Abschieds von Josephine Giard zu vernehmen, die quasi mit sofortiger Wirkung den FSV Gütersloh verlassen wird.

Dass sich letztlich in so wenigen Wochen die fußballerischen Weichen gen Schottland stellen würden, hätte sich die 21 – jährige Stürmerin bis zu dem letzten Saisonspiel im Jahr 2017 selbst nicht träumen lassen können. Erst recht nicht, dass dieses Derby – Debakel des FSV gegen den Herforder SV am Ende für sie einer der folgenreichsten Spiele persönlich bleiben sollte. Denn kein geringerer als der Trainer des schottischen Premier – Ligisten Celtic Glasgow, David Haley, war nach Herford gekommen, um sich die „kleine Stürmerin“ anzuschauen, die bis dahin die Torschützenliste der Bundesliga Nord mit 14 Treffern anführte. Und auch wenn sie an diesem Tag kein Tor erzielen konnte, schien ihm dennoch gefallen zu haben, was er dort von ihr zu sehen bekam. Sie hatte u.a. durch die klugen Wege, die sie auf dem Feld gegangen war, sein Interesse geweckt. Ein Fingerzeig des Schicksal wird es wohl auch gewesen sein, dass er zielsicher ausgerechnet die Eltern Giards nach dem Spiel angesprochen hatte, um mehr über die auffällige Aktivpostin auf dem Feld zu erfahren. So war schnell der Emailkontakt hergestellt, um etwaige Rahmendetails zu besprechen, wie zum Beispiel den Zeitpunkt des möglichen Neuzugangs, um die Fortsetzung ihres molekularen Biotechnologie – Studiums nicht zu gefährden.

„Es gibt Chancen im Leben, die kann und darf man nicht ausschlagen!“, erläutert Giard ihre Beweggründe, sich auf unbekanntes Fußballterrain zu begeben. „Außerdem war es schon immer mal mein Traum, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Dass mir dieser Wunsch in Kombination mit Studium und Fußball nun in Erfüllung geht, ist auch einfach einem wahnsinnig günstigen Zeitpunkt geschuldet.“

Dass ihr der Abschied alles andere als leicht gefallen ist, kann man sich ausmalen, wenn man einen kleinen Blick auf ihre fußballerische Vita wirft: Mit acht Jahren, kurz bevor sie an Diabetes erkrankte, schnürte sie ihre Fußballschuhe für den Gütersloher TV, ehe es sie drei Jahre später zu den C – Mädchen des FC Gütersloh zog, der ab dem Jahr 2009 den Namen FSV Gütersloh tragen sollte. Insgesamt zehn Jahre lang hat sie dem Verein die Treue gehalten. Viele sportliche Erinnerungen haben sich in dieser Zeit angesammelt. Einer ihrer größten Erfolge erlebte sie mit der B – Jugend des FSV, als sie in der heimischen Tönnies – Arena gegen den Nachwuchs des FC Bayern München im Finale um die deutsche Meisterschaft 2013 knapp unterlag. In der gleichen Saison sollte der Abstieg der eigenen Damen aus der ersten Bundesliga ihren nächsten großen Karriereschritt einleiten. Da war sie erst 17 Jahre alt: „Durch die zahlreichen personellen Abgänge, hatte der Verein „gezwungenermaßen“ auf den Nachwuchs gesetzt. Darum war ich um die (wieder) erlangte Zweitklassigkeit nicht traurig“, gibt die freche Studentin zu, die um keinen Witz verlegen ist. In den darauffolgenden Jahren hat sie sich nach und nach einen Stammplatz erarbeitet und die Mannschaft in einem steten Wandel erlebt, „bei dem ein Spielerinnen – Kern stets gleich geblieben war und sich die Mannschaft nur an den Rändern kontinuierlich verändert habe.“ Unter Trainer Christian Franz-Pohlmann habe sie im dritten Jahr bei den Damen die wertvolle Erkenntnis gewinnen dürfen, „dass weniger oft mehr sei“ und darüberhinaus „fußballerisch extrem viel dazu gelernt“. Unter der Nachfolgerin und aktuellen Cheftrainerin Britta Hainke habe sie dann erfahren, was es bedeutet, als Spielerin eine andere Wertschätzung entgegengebracht zu bekommen und mehr Spielzeit zu erhalten. Ihr ist es in hohem Maße zu verdanken, dass sich Giard in den letzten beiden Jahren stark entwickelt hat. Kein Wunder, dass der Abgang Giards Hainke nicht gerade in einen Freudentaumel gestürzt hat – ganz im Gegenteil.

Dass diese Entwicklung nun in Glasgow weiter fortgesetzt werden soll, ist auch der Tatsache geschuldet, dass dort ganz andere Voraussetzungen bestehen. Celtic Glasgow, das selbstbewusst über sich sagt „A club like no other“, wartet in der Tat mit einem beeindruckendem Gesamtpaket auf: Das Lennoxtown Trainingscenter bietet professionelle Bedingungen und gestattet seinen Damen auf den gleichen Anlagen zu trainieren wie die Männer. Das ist nicht selbstverständlich. Auf diese Weise stehen ihnen nicht nur die hauseigene Flutlichtanlage, sondern auch eine Indoor Trainings – Arena und der Trainings – Fitnessraum zur Verfügung. Die Integration der Damen in den Hauptverein hat David Haley vorangetrieben, was sich symbolisch in dem Umstand zeigt, dass die Celtic – Ladys im Stadion eine eigene Loge haben, von der aus sie sich jedes Spiel anschauen dürfen. Bei den eigenen Derbys dürfen sie sogar selbst auf den heiligen Rasen spielen.

Josephine Giard sieht gelassen und selbstbewusst ihrer neuen Aufgabe entgegen, die sie erst einmal bis November 2018 angenommen hat. Das kann sie auch sein, denn schließlich wird sie sich mit den Celtics Damen im wahrsten Sinne des Wortes auf Augenhöhe befinden. Und da der Fußball dort weniger körperlich, aber technisch versierter ist, wird die Allrounderin wohl kaum Anpassungsprobleme haben und hoffentlich ihre Stärken in vollem Maße ausspielen können. Und sollte ihr eine ähnlich treffsichere Rückrunde beschert sein wie in Deutschland: wer weiß, wohin die Reise sie von der Insel sie dann noch führen wird...?

Die ersten Glück - Wünsche verflossener Weg-Gefährtinnen sind schon eingetroffen, denen wir uns gerne anschließen....

Aufrufe: 031.1.2018, 13:44 Uhr
Nicu BurgheimAutor