2024-05-08T14:46:11.570Z

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Ein Trainer lebt seinen Traum: Thomas Seethaler bekam in Unterföhring die größte Chance seines Lebens. FOTO: MICHALEK
Ein Trainer lebt seinen Traum: Thomas Seethaler bekam in Unterföhring die größte Chance seines Lebens. FOTO: MICHALEK

Scherbenhaufen FCU: Wird Seethaler zum Alleskleber?

Die Chance seines Lebens

60 Spielminuten bleibt Thomas Seethaler im Testspiel gegen den ASV Dachau völlig ruhig. Dann explodiert er. Einer seiner Spieler gibt einen Ball verloren und bleibt stehen.

Das ist zu viel für einen Trainer, der vor der größten Chance seines Lebens steht. „Das kann doch nicht wahr sein“, schreit Seethaler über den Platz. Und treibt das junge Talent sofort wieder an. „Weiter, dranbleiben.“

Seethaler brennt. Deshalb bricht es so aus ihm heraus. Er will zeigen, dass er der Richtige ist, um den Scherbenhaufen in Unterföhring wieder zusammenzusetzen. Die Voraussetzungen könnten nicht schwieriger sein. Nach dem Aufstieg haben etliche Hochkaräter den Verein verlassen. Spieler wie Uwe Schlottner oder Yasin Yilmaz, die die Mannschaft zum Aufstieg geführt haben, sind weg. Fünf der acht Abgänge spielen künftig lieber in der Landesliga Südost beim SV Türkgücü-Ataspor. „Ich kenne in Deutschland kein zweites Team, das in die höchste Amateurliga aufsteigt und dann acht Spieler ersetzen muss“, sagt Seethaler. Der Trainer muss im Eiltempo eine Mannschaft neu aufbauen, die gegen die besten Amateurkicker Bayerns bestehen soll. Und gegen die Profis der Münchner Löwen.

Dabei hat Seethaler selbst keine Erfahrung als Cheftrainer einer Regionalliga-Mannschaft. Jahrelang war er Bezirksliga-Trainer beim SV Nord Lerchenau. Beim FC Unterföhring wollte er als Co-Trainer lediglich den nächsten Schritt machen, neue Erfahrungen sammeln. Dass diese Entscheidung ihn einmal auf die Trainerbank eines Regionalligisten katapultieren würde, kommt Seethaler noch heute vor wie ein Traum.

Spiel gegen die Löwen: "Das ist Wahnsinn"

Im vergangenen Winter verkündet der langjährige Erfolgscoach Andreas Pummer, dass er am Ende der Saison eine neue Herausforderung annehmen möchte. Der Name Pummer steht beim FCU für Erfolg. Er hat aus einem Landesligisten eine Mannschaft geformt, die um den Aufstieg in die Regionalliga mitspielt. Für Vorstand Franz Faber gibt es nur einen Kandidaten, der diese Lücke schließen kann: Co-Trainer Thomas Seethaler. „Als er mich gefragt hat, wusste ich sofort, dass der Franz es ernst meint. Jetzt bin ich für eine Mannschaft verantwortlich, die gegen die Profis der Löwen antritt. Das ist Wahnsinn“, sagt Seethaler.

Ein Trainer ohne große sportliche Vita soll ein Team aufbauen, das nach dem Aufstieg auseinanderbricht. Kann das gut gehen? Auch die Liste der Neuzugänge wirft Fragen auf. Die abgewanderten Leistungsträger sollen von Spielern wie Andreas Kostorz, Philipp Schmidt oder Robert Söltl ersetzt werden. Diese haben zuletzt in der Landes- bzw. Bezirksliga gespielt. Doch Thomas Seethaler hat einen Vertrauten, auf den er sich verlassen kann: seinen Bauch! „Wenn ein Spieler gehen möchte, dann habe ich damit kein Problem. Reisende soll man nicht aufhalten“, sagt der Trainer. Er hat mit der vergangenen Saison abgeschlossen. Und ist überzeugt, dass ein Stürmer wie Philipp Schmidt einschlagen wird. Obwohl er zwei Ligen übersprungen hat. Seethaler klopft zwei Mal mit der Hand auf seinen Bauch. „Ich habe ein Gefühl. Und auf das konnte ich mich in meinem Leben immer verlassen.“

Söltl regionalligatauglich? "Der weiß, wo das Tor steht!"

Seethaler ist überzeugt: Wenn ein Spieler in der Bezirksliga Tore schießt, funktioniert er in der Regionalliga erst Recht. Sein Beispiel ist Robert Söltl, den er seit Jahren kennt. „Der weiß, wo das Tor steht. Robert musste sich seine Bälle bisher immer selbst holen. Jetzt spielt er in einer Mannschaft, die ihn mit Bällen füttert.“

Seethaler tritt in die Fußstapfen eines Trainers, der den Verein als Aufstiegsheld und Legende verlassen hat. Angst oder Druck sind für ihn dennoch Fremdwörter. „Ganz ehrlich: Ich möchte nicht mit Andreas Pummer tauschen. Bei Türkgücü ist er zum Siegen verdammt. Ich kann dagegen befreit an meine Aufgabe herangehen.“

Die Rolle des Underdogs

Für Seethaler ist die Regionalliga Bayern „die perfekte Liga für den Neuanfang des FC Unterföhring.“ Eine Aussage, die zunächst wie ein schlechter Scherz klingt. Doch Seethaler klopft wieder auf seinen Bauch. „Ich habe das im Gefühl, dass wir in der Regionalliga mitspielen können. In der Bayernliga hätten wir sofort in der Favoritenrolle bestehen müssen. Jetzt sind wir der Underdog. Was können wir schon verlieren?“

Seethaler glaubt an seine Chance. Als Bänker hat er gelernt, mit Menschen umzugehen. Er arbeitet in der Kundenbetreuung, ist auch als Dozent tätig. Diese Erfahrungen will er in Unterföhring einbringen. Seine wichtigste Aufgabe sieht er darin, eine Mannschaft zu formen. „Unser Neuzugang Fabio Sabbagh ist ein super Beispiel. Er kommt von 1860 und hat dort kaum gespielt. Bei mir ist er nicht die Nummer 19, die auf der Bank sitzen muss. Er ist ein wichtiger Teil des Teams“, betont Seethaler. Sein Rezept für den sportlichen Erfolg: „Jeder meiner Spieler soll erfahren, wie wichtig er für die Mannschaft ist. Dann kannst du verlieren, weißt aber auch, wie du als Team wieder aufstehst.“

Worte, die bei den Anhängern des FC Unterföhring ankommen. Und bei Vorstand Franz Faber. Für ihn war Thomas Seethaler nach Pummers Abgang die erste Wahl. Andere Kandidaten gab es nicht. Dass die Aufstiegsmannschaft auseinandergebrochen ist, ging Faber „sehr, sehr nahe.“ Doch gerade deshalb ist Thomas Seethaler der richtige Mann für den Neuanfang, glaubt Faber. „Große Trainer-Namen passen gar nicht zum FC Unterföhring. Thomas brennt. Wie die ganze Mannschaft. Und das ist am wichtigsten, um erfolgreich zu sein.“

Die Amateurfußball– seite erscheint jeden Mittwoch. Autor ist Christoph Seidl, erreichbar unter christoph.seidl@ merkur.de.

Aufrufe: 012.7.2017, 08:43 Uhr
Christoph Seidl - Fussball VorortAutor