2024-04-30T13:48:59.170Z

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Dirigieren ohne abzuheben: Klaus Gallmann | Foto Patrick Seeger
Dirigieren ohne abzuheben: Klaus Gallmann | Foto Patrick Seeger

Klaus Gallmann: "Wir haben Respekt, aber keine Ehrfurcht"

BZ-Interview mit Trainer Klaus Gallmann vom Verbandsliga-Aufsteiger FC Neustadt über Selbstbewusstsein und eine Doppelspitze in einer 19 Teams starken Liga

Abenteuer lassen sich zaghaft angehen oder selbstbewusst. Klaus Gallmann (27), bislang alleiniger Chef an der Seitenlinie beim Landesligameister FC Neustadt und in der kommenden Saison zusammen mit seinem Bruder Benjamin gleichberechtigter Übungsleiter des Verbandsliga-Neulings aus dem Hochschwarzwald, hat die Dinge des Lebens gern im Griff. Johannes Bachmann unterhielt sich mit dem Vordenker des FCN über den Biss des vermeintlich kleinsten Fisches im Haifischbecken der Verbandsliga, keine Lust auf Jammern und enorme Vorfreude.
BZ: Sie müssen jetzt ein bisschen Indiana Jones spielen. Hut ab. Vor Ihnen liegt ein großes Abenteuer. Liegt die Peitsche schon parat?
Gallmann: Nicht wirklich. Ich bin kein Actionheld, sondern zuerst der Freund meiner Spieler. Ich bin gleichalt oder jünger als meine Kicker, da kann ich nicht den großen Chef raushängen lassen. Viele in meinem Team haben fußballerisch mehr drauf als ich. Deshalb weiß ich, dass ich nicht der Allergrößte bin. Ein bisschen Demut gehört dazu, wenn man als Trainer ein Team erreichen will.

BZ: Sie haben mit Ihrem Team die Landesliga-Meisterschaft gefeiert. Doch das zählt jetzt nicht mehr. In der Verbandsliga starten sie bei Null.
Gallmann: Absolut. Wir haben etwas Tolles erreicht, was uns vor zweieinhalb Jahren keiner zugetraut hätte, als die Zusammenarbeit zwischen mir und dem Team begann. Es gilt, die Euphorie und die Freude mitzunehmen in dieses große Abenteuer. Dieser Aufstieg ist für uns ein absoluter Ansporn. Die Vorfreude auf die neue Liga ist riesengroß.

BZ: Eins hoch. Das ist geschafft. Die Kunst ist es, drin zu bleiben.
Gallmann: Wir haben viel gejammert über die nicht eben berauschende Vorbereitung auf die neue Saison. Aber da muss jetzt ein Strich drunter. Ich hab’ der Mannschaft klar gemacht, dass Sie sich freuen darf auf das, was sie in den kommenden Monaten erwartet. Wir sind bereit für die Verbandsliga. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in dieser Liga dabei sind. Aber die Mannschaft hat es sich verdient. Wir haben hart dafür gearbeitet. Die neue Liga ist Ansporn, keine Last. Wir sind alle heiß.


Doppelspitze: Die Brüder Benjamin (links) und Klaus Gallmann führen den FC Neustadt als gleichberechtigtes Trainergespann in der Verbandsliga. | Foto: Jürgen Ruoff

BZ:
Sie sind nicht mehr allein der Mann, der das Sagen hat. Ihr Bruder Benjamin, in der vergangenen Saison noch Trainer des damaligen Landesliga-Konkurrenten TuS Bonndorf, ist jetzt gleichberechtigter Trainer beim FCN. Wie funktioniert das Brüderteam?
Gallmann: Wir ergänzen uns. Das harmoniert. Ich hoffe, dass die Mannschaft den Mehr-Ertrag sieht, den es mit dieser Doppellösung auf der Trainerposition gibt. Vier Augen sehen mehr als zwei, vier Ohren hören mehr als zwei.

BZ:
Wer übernimmt welche Aufgaben?
Gallmann: Der eine übernimmt das Anmoderieren, der andere die Aktion. Wir sind da sehr flexibel. Es ist nicht so, dass nur einer das Warmmachen und einer die Schlussform bein den Trainingseinheiten übernimmt. Wir ergänzen uns. Wir hatten schon in der vergangenen Saison Übungen beim Training, die ich von meinem Bruder übernommen habe. Er war der beste Trainer, unter dem ich gespielt habe.

BZ: Ihr Bruder Benjamin ist ja der Ältere, Erfahrenere. Gibt es Eifersüchteleien?
Gallmann: Nicht die Spur. Wir haben uns immer gegenseitig den Erfolg gegönnt. Jetzt bündeln wir unsere Energie.

BZ: Wird das, was beim FC Neustadt Gewinn bringen soll, zu Hause bei der Mama am Küchentisch verhandelt?
Gallmann: Ich wohne ja nicht mehr daheim, aber es gibt engen Kontakt nach Hause. Und dann ist es durchaus so, dass der Benni und ich beim Mittagessen gemeinsam Dinge ausbaldowern, die den FC Neustadt voranbringen sollen. Am Küchentisch haben wir schon vieles verhandelt und vieles beschlossen.

BZ: So hart wie die Verbandsligisten haben es die Kicker der Bundesliga nicht. Sie müssen sich mit Ihrem Team in einer 19er-Liga behaupten.
Gallmann: Das ist für mich nicht hart. Es ist einfach ein bisschen mehr Abenteuer. Wir haben 36 statt nur 32 Spiele, auf die wir uns freuen können.

„Wir sind 23 Freunde, die zusammenhalten.“ Klaus Gallmann über sein Team

BZ: Wer sind die Favoriten?
Gallmann: Ganz klar der Oberliga-Absteiger FC 08 Villingen. Das ist eine homogene, hungrige Mannschaft, die unbedingt den Betriebsunfall des Abstiegs reparieren will. Der FC 08 ist für mich der kommende Meister. Dahinter sehe ich den Freiburger FC, Kehl und Rielasingen-Arlen im Kampf um Rang zwei.

BZ: Und die Abstiegskandidaten?
Gallmann: Das ist ein breites Feld. Der FC Neustadt wird ja überall als Abstiegskandidat Nummer eins gehandelt. So chancenlos sehe ich uns nicht. Aber wir gehören zum Kreis jener Teams, die, wenn alles erwartbar läuft, zuerst und zuletzt um den Klassenerhalt spielen.

BZ: Welche Rollt spielt der FCN als kleiner Fisch in diesem Haifischbecken?
Gallmann: Uns ist nicht bange. Wir sind guten Mutes. Wenn ich sehe, welche finanziellen Mittel viele Liga-Konkurrenten haben, dann sind wir ein kleiner Fisch, keine Frage. Aber ich bin kein Freund davon, uns selbst klein zu reden.

BZ: Sie predigen Selbstvertrauen.
Gallmann: Natürlich. Wir sind aufgestiegen, weil wir in der vergangenen Saison die beste Landesliga-Mannschaft waren. Wir haben uns das sportlich verdient. Wir haben Respekt vor der Liga, aber keine Ehrfurcht, geschweige denn Angst.

BZ: Sie haben das Training umgestellt und die Umfänge verändert. Was ist im Verbandsliga-Kader des FC Neustadt anders, als noch in der Landesliga?
Gallmann: Der Kader ist auf alle Fälle größer. Wir haben vier, fünf Spieler bekommen, die uns in der Breite zusätzlichen Gewinn bringen. Aus dieser Breite hoffe ich auf zusätzlich Impulse in der Spitze. In der Verbandsliga ist das Tempo noch einmal höher als in der Landesliga. Wir müssen alle einen Zahn zulegen.

BZ: Wer hat Sie in den vergangenen Wochen am meisten überrascht?
Gallmann: Robin Maier hat einen großen Schritt nach vorne gemacht. In der vergangenen Saison wurde er immer wieder durch Verletzungen gebremst. Er hat sich in der Saisonvorbereitung richtig gut präsentiert und ist eine absolute Option sowohl als Innenverteidiger als auch für die Doppel-Sechs. Er kann eine ganz wichtige Stütze werden.

BZ: Wie lief die Saisonvorbereitung?
Gallmann: Schleppend. Wir hatten all jene Probleme, die Amateurmannschaften nun eben mal haben mit Urlaubern, Verletzten, Kranken. Aber ich will nicht rumjammern. Wir wissen, dass wir es besser können. Für uns geht es darum, ein unangenehmer Gegner für alle Verbandsliga-Konkurrenten zu werden.

BZ: Sie sind in der ersten Pokalrunde am FC Schonach gescheitert. Wurmt das?
Gallmann: Natürlich will man als Fußballer gern jedes Spiel gewinnen. Aber im Pokal wäre es für uns ein ganz, ganz langer Weg geworden. Es ist vielleicht gar kein Fehler, dass dieses Thema erledigt ist. Alle Konzentration gilt jetzt der Verbandsliga. Das Pokal-Aus gegen Schonach war ein Schuss vor den Bug, aber wir müssen jetzt nicht alles in Frage stellen.

BZ: Sie und Ihr Bruder brennen für den Fußball. Gibt es Momente, in denen Sie zuviel wollen?
Gallmann: Das ist ganz sicher so. Ein gewisser Perfektionismus ist nicht verkehrt. Wenn wir ein Spiel verlieren, dann setzen wir uns als Trainer hin und hinterfragen zuerst uns selbst. Es ist schon so, dass wir manchmal zu viel verlangen. Aber die Mannschaft kennt mich schon lange und weiß, wie ich ticke.

BZ: Gibt es Momente der Sprachlosigkeit zwischen Ihnen und dem Team?
Gallmann: Die gab es vermehrt. Das ist auch ganz normal. Es ist so, dass man auch mal hinfällt. Wir hatten in der vergangenen Saison einige Tiefpunkte zu überwinden, etwa das 1:5 bei F.A.L. oder die 0:4-Heimpleite gegen den FC Löffingen. Ich hatte nie das Gefühl, dass die Mannschaft gesagt hat, es liegt am Trainer. Wir haben auch in schwierigen Situationen immer zusammengehalten und uns zusammengerauft. Das ist eine Erfahrung, die uns in der Verbandsliga helfen wird, denn da wird es definitiv für uns deutlich mehr Niederlagen geben als zu Landesliga-Zeiten.

BZ: In Ihrer Mannschaft stehen Polizisten, Lehrer, Studenten, Angestellte und Familienväter. Junge Männer, für die der Fußball auch in der Verbandsliga zuerst und zuletzt ein Hobby ist.
Gallmann: Ganz wichtig ist das Miteinander. Jeder weiß, dass es Wichteres gibt, als Verbandsliga-Fußball. Wenn man das verinnerlicht, fällt es leichter, Rückschläge richtig einzuschätzen und rasch zu verdauen.

BZ: Am Sonntag sind Sie mit Ihrer Mannschaft beim Duell der Aufsteiger in Denzlingen gefordert. Was ist die Maßgabe?
Gallmann: Wir wollen uns nicht verstecken und unsere Chancen nutzen. Wir reisen mit einer großen Vorfreude auf die neue Liga an. Wir wollen nicht mit leeren Händen heimfahren.

BZ: Wo steht der FC Neustadt nach 23 Spieltagen zu Beginn der Winterpause?
Gallmann: Ich hoffe überm Strich. Also vor dem fünften Abstiegsplatz auf Rang 14. Ich hoffe, dass wir uns bis dahin eine gute Ausgangslage für die Frühjahrsrunde verschafft haben. Wir sind 23 Freunde, die zusammenhalten. Im letzten Testspiel vor dem Saisonstart haben wir ein 1:1 gegen die Bundesliga-Junioren des FC Ingostadt erreicht. Das ist ermutigend.

Zur Person Klaus Gallmann:
Der 27-jährige Bankkaufmann nennt sich selbst einen Fußball-Verrrückten. Als Aktiver spielte er bei seinem Heimatklub SG Schlüchttal und kam mit dem Saisonstart 2013 zum FC Neustadt, den er in der Rückrunde zusammen mit Oliver Mahler als Interimslösung führte. Seit der Spielzeit 2014/15 ist Klaus Gallmann Cheftrainer des FCN. Eine Verantwortung, die er sich in der kommenden Saison mit seinem Bruder Benjamin (31) teilt, der vom TuS Bonndorf zum FC Neustadt kam.
Aufrufe: 04.8.2016, 09:30 Uhr
Johannes Bachmann (BZ)Autor