2024-05-02T16:12:49.858Z

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– Foto: FuPa Brandenburg

Aus Lür­rip in die zwei­te Fuß­ball-Li­ga

Rolf Doh­men? Man muss sich schon et­was aus­ken­nen in der nie­der­rhei­ni­schen Fuß­ball-His­to­rie, um ihn ein­ord­nen zu kön­nen. In den 1960er Jah­ren spiel­te der jun­ge Mann aus Lür­rip in der Re­gio­nal­li­ga, di­rekt un­ter der Bun­des­li­ga, ei­ne hoff­nungs­vol­le Rol­le als Fuß­ball­pro­fi. Doch zwei Achil­les­seh­nen­ris­se und ei­ne schwe­re Knie­ver­let­zung stopp­ten sei­ne Lauf­bahn.

Rolf Doh­men saß in der Zep­pe­lin­schu­le ne­ben ei­nem Jun­gen, der mit 57 Tref­fern spä­ter hin­ter Jupp Heynckes der bis heu­te er­folg­reichs­te Bun­des­li­ga-Tor­schüt­ze Bo­rus­si­as wer­den soll­te: Her­bert Lau­men. Und da war auch Rolf Göt­tel.
Er war als Spie­ler zwar längst nicht so ta­len­tiert wie sei­ne bei­den Schul­freun­de, mach­te aber eben­falls Kar­rie­re im Fuß­ball: als Schieds­rich­ter-Funk­tio­när bis zur höchs­ten DFB-Ebe­ne und als Sta­di­on­spre­cher Bo­rus­si­as. Sei­ne Stim­me war am Bö­kel­berg Kult und ver­kün­det noch heu­te bei Glad­bachs Heim­spie­len: „Tor für die Bo­rus­sia“. Rolf Göt­tels An­sa­ge ist auf Ton­trä­ger er­hal­ten und längst auch Kult im Bo­rus­sia-Park. Auch die Freund­schaft mit Rolf Doh­men und Her­bert Lau­men hat bis heu­te Be­stand.

Längst nicht nur in Lür­rip beim SV Mön­chen­glad­bach 1910 schätz­te man Rolf Doh­men. Den Hö­he­punkt sei­ner sport­li­chen Lauf­bahn er­leb­te der Mit­tel­stür­mer beim VfR Neuss. Der stieg 1966 in die Re­gio­nal­li­ga West auf. Das war da­mals die zweit­höchs­te deut­sche Spiel­klas­se, aus der ein Jahr zu­vor Bo­rus­sia mit Her­bert Lau­men den An­lauf zu ei­ner der er­folg­reichs­ten Mann­schaf­ten Eu­ro­pas ge­nom­men hat­te.

Der VfR Neuss ver­pflich­te­te nach sei­nem Auf­stieg Rolf Doh­men. Er hat­te als Tor­jä­ger ent­schei­dend zum Lür­ri­per Hö­hen­flug Mit­te der 60er Jah­re bei­ge­tra­gen: mit drei Auf­stie­gen in Fol­ge aus der Be­zirks­klas­se bis in die Ver­bands­li­ga, die da­mals höchs­te Ama­teur­klas­se, „Ei­nen sol­chen Sprung hat­te noch kein an­de­rer Ver­ein am Nie­der­rhein ge­schafft“, sagt Rolf Doh­men heu­te noch stolz.

Sei­ne Lauf­bahn be­gann auf der Lür­ri­per Fal­ken­stra­ße, wo sein Va­ter ei­nen Fri­sör­la­den hat­te. „Im Krieg war hier nur ein ein­zi­ges Haus zer­stört wor­den, al­le an­de­ren stan­den noch“, er­zählt Rolf. „Als ich das ers­te Mal von der Neus­ser Stra­ße durch den Tun­nel am da­ma­li­gen E-Werk zur Hin­den­burg­stra­ße kam, sah ich er­schro­cken, was die Bom­ben dort an­ge­rich­tet hat­ten.“

Die Fal­ken­stra­ße war da­mals auch Fuß­ball­platz. Und der zog die Kin­der ma­gisch an. „So­bald die Schu­le aus war, bin ich raus auf die Stra­ße. Wir spiel­ten an­fangs noch mit Lap­pen­knäu­eln, bis ei­ner den ers­ten Le­der­ball mit­brach­te.“ Rolf war sie­ben, als Die­ter Cle­mens ihn mit zum rich­ti­gen Fuß­ball­platz am heu­ti­gen Gierth­müh­len­weg nahm, di­rekt ne­ben der Niers, wo der SV Lür­rip spiel­te und sehr bald das Ta­lent des klei­nen Rolf als Tor­jä­ger ent­deck­te. Schnell, schuss- und kopf­ball­stark war er. Sta­tis­ti­ken, die sei­ne Tref­fer­zahl in den ers­ten Jah­ren zei­gen, sind nicht be­kannt. Eins aber weiß er: „In der Kreis­klas­se wa­ren es so an die 50 pro Sai­son.1960 wur­den wir mit nur ei­nem Mi­nus­punkt und 124:10 To­ren Meis­ter.“

Rolfs Tref­fer­quo­te sprach sich bald über Glad­bach hin­aus her­um, Be­ru­fun­gen in die Nie­der­rhein-Aus­wahl folg­ten, es ka­men An­ge­bo­te an­de­rer Klubs. Zum Be­spiel vom Rhe­ydter Spiel­ver­ein, ne­ben Bo­rus­sia da­mals der „Platz­hirsch“ in der Stadt. „30.000 Mark soll­te ich be­kom­men.“ Aber dann er­fuhr er, dass er als Spie­ler der Nie­der­rhein­aus­wahl bei ei­nem Ver­eins­wech­sel oh­ne Frei­ga­be ei­ne gan­ze Sai­son ge­sperrt wä­re. „Ein Jahr nicht spie­len – das hal­te ich nicht aus“, sag­te er, blieb in Lür­rip, schoss wei­ter To­re am Fließ­band. Und be­kam schließ­lich doch ein An­ge­bot, das er nicht aus­schla­gen konn­te: vom VfR Neuss, der 1966 ge­ra­de in die Re­gio­nal­li­ga auf­ge­stie­gen war.

Neuss zahl­te ei­ne Ab­lö­se­sum­me (Aus­bil­dungs-Ent­schä­di­gung, sagt man heu­te) für den Tor­jä­ger, Lür­rip er­teil­te ihm die so­for­ti­ge Frei­ga­be für den VfR. Rolf Doh­men: „Ich be­kam 800 Mark im Mo­nat, plus 150 Mark Sieg­prä­mie. Als Ers­tes kauf­te ich mir ei­nen ge­brauch­ten Opel Ad­mi­ral.“ Am 6. Au­gust 1966, ei­nen Tag vor sei­nem 23. Ge­burts­tag, mach­te er sein ers­tes Pflicht­spiel für den VfR: im DFB-Po­kal ge­gen den Wup­per­ta­ler SV. 3:2 ge­wan­nen die Neus­ser. Zwei Wo­chen spä­ter er­leb­te Rolf Doh­men sei­ne Re­gio­nal­li­ga-Pre­mie­re, ge­gen Ar­mi­nia Bie­le­feld. 2:2 en­de­te das Spiel – mit nur zehn Mann und oh­ne Rolf Doh­men. „Ich hat­te das 1:0 ge­schos­sen, vor lau­ter Be­geis­te­rung ei­nen ge­wal­ti­gen Freu­den­sprung ge­macht und war to­tal un­glück­lich auf dem Bo­den auf­ge­kom­men – mei­ne lin­ke Achil­les­seh­ne riss beim Auf­prall.“

Es war sei­ne ers­te schwe­re Ver­let­zung. Zwei Jah­re spä­ter riss die rech­te Achil­les­seh­ne. Aber er kam er­neut zu­rück, schoss wei­ter To­re, be­kam wie­der An­fra­gen, von For­tu­na Düs­sel­dorf und MSV Duis­burg zum Bei­spiel. Preu­ßen Müns­ter mach­te ihm ein sehr at­trak­ti­ves An­ge­bot. „Doch das Au­to­bahn­netz war da­mals noch lü­cken­haft. Ich woll­te nicht je­den Tag lan­ge im Au­to sit­zen oder gar um­zie­hen.“ Al­so blieb er beim VfR Neuss, schnitt täg­lich bis 14 Uhr in sei­nem mitt­ler­wei­le ei­ge­nen Sa­lon Haa­re und fuhr da­nach zum Trai­ning nach Neuss.

1970 aber er­wisch­te es ihn er­neut, dies­mal am Knie, und zwar all­zu hef­tig: Das vor­de­re und das hin­te­re Kreuz­band wa­ren ka­putt – ei­ne Ver­let­zung, die da­mals nicht er­folg­reich ope­riert wer­den konn­te. Sein Ver­trag mit dem VfR Neuss lief noch zwei Jah­re, doch das half nicht: Er war nun Sport­in­va­li­de, sei­ne Fuß­ball-Lauf­bahn mit 26 Jah­ren be­en­det. Da war die Un­fall­ren­te, die er bis zum Le­bens­en­de er­hält, kein Trost.

Er wid­me­te sich fort­an voll und ganz sei­nem Be­ruf als Fri­seur, in dem er eben­falls gut war: „Mit 21 Jah­ren war ich der jüngs­te Fri­seur­meis­ter im Be­zirk.“ Die­ses Hand­werk hat ja auch Tra­di­ti­on bei den Doh­mens. Rolfs Va­ter war, sie­he oben, Fri­seur­meis­ter, Ur­su­la Koch aus Herm­ges, die Rolf 1969 hei­ra­te­te, führ­te den Sa­lon in Lür­rip. Rolf er­öff­ne­te noch ein Ge­schäft in Kor­schen­broich-Her­rens­hoff, führ­te es bis 2007. Nur Sohn Sa­scha hat sich von der Tra­di­ti­on nicht be­ein­flus­sen las­sen: Der 47-Jäh­ri­ge ist stell­ver­tre­ten­der Fi­li­al­lei­ter ei­nes gro­ßen Be­klei­dungs­hau­ses.

Aufrufe: 028.1.2020, 18:02 Uhr
RP / O. E. SchützAutor