2024-05-02T16:12:49.858Z

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Ein mächtiger Kubus: Weil im Funktionsgebäude acht Kabinen untergebracht sind, ist drüber viel Platz für den Gastraum und die Terasse. Felix Reiser
Ein mächtiger Kubus: Weil im Funktionsgebäude acht Kabinen untergebracht sind, ist drüber viel Platz für den Gastraum und die Terasse. Felix Reiser

Das FCL-Vereinsheim: Tradition und Moderne unter einem Dach

Langengeislings 2,7-Millionen-Euro-Projekt

Wie ein Verein die Clubphilosophie im neuen Heim verewigt hat – ein Interview mit dem Vorsitzenden Sepp Kaiser und dem Architekten Tobias Eder.

Langengeisling Der Langengeislinger Stolz ist blau, 46 Meter lang, 13 Meter breit und 7,7 Meter hoch. Seit Oktober ist das neue FCL-Gebäude mit seinen Funktionsräumen und der Gastwirtschaft in Betrieb. Wir sprachen mit Vorsitzendem Sepp Kaiser und Tobias Eder von ARCHITEKT.UR über das rund 2,7 Millionen Euro teure Projekt.

Erdinger Anzeiger: Schon aus 100 Meter Entfernung drängt sich die Frage auf: Warum diese blauen Platten als Fassade für ein Vereinsheim?

Können nach 18 Monaten Planung und Bau noch immer lachen: Architekt Tobi Eder und FCL-Vorsitzender Sepp Kaiser (r.).

Vorsitzender Sepp Kaiser: Das war die Idee von Erdings Stadtbaumeister Sebastian Henrich. Der hat gefragt: „Wieso nehmt ihr nicht eure Vereinsfarbe her, traut’s euch nicht?“ Das hätte er nicht sagen sollen.

Fehlenden Mut kann man Euch nicht vorwerfen. Was habt Ihr Euch im Laufe der Bauzeit alles anhören dürfen?

Architekt Tobias Eder: Zu Beginn waren das Aussagen wie „Passt gar nicht“ oder „völlig überdimensioniert“ oder „zu puristisch“. Die Leute mussten sich erst einmal daran gewöhnen. Das Schönste daran war, dass es später genau das Gegenteil hieß. Ich weiß nicht, ob es der Gleiche war, aber es war auf jeden Fall ein langjähriges Vereinsmitglied, der meinte: „Das kommt zwar sehr stabil, aber auch sehr schön daher.“ Dieser Gegensatz ist schon krass, bestätigt aber uns, dass wir alles richtig gemacht haben.
Kaiser: Gerade von diesen älteren Vereinsmitgliedern kriege ich die größte Wertschätzung. Für mich ist das das wichtigste Klientel. Da sind Leute dabei, die schon zwei Fußballhäusl gebaut haben. Für manche war das alte Vereinsheim ihr Wohnzimmer. Das familiäre Ambiente mit Wirtin Renate Birnbeck, die seit 1989 da war, lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Ich hatte schon befürchtet, dass wir den einen oder anderen verlieren.

Heute ein Ort der Begegnung, früher eine geschlossene Gesellschaft

Die sind alle geblieben?

Eder: Man wird immer ein paar nicht mitnehmen können. Bei 800 Mitgliedern im Verein ist das einfach so. Damit muss man umgehen können. Aber ich denke, wir haben das gut hingekriegt.
Kaiser: Es sind auch viele da, die du vorher lange nicht mehr gesehen hast. Und unsere älteren Mitglieder fühlen sich an ihrem neuen Tisch wohl. Und wenn daneben ein Tisch voller junger Mädels sitzt, die auch nicht auf den Mund gefallen sind und retour geben, dann ist das wunderbar. Das ist hier ein Ort der Begegnung für alle Langengeislinger und andere Gäste, den es vorher nicht so gegeben hat. Mal ganz ehrlich – früher war der Mittwochstammtisch eher eine geschlossene Gesellschaft.

Eder: Ich möchte diesen Bau aber nicht auf die Gastwirtschaft reduzieren. Das Erdgeschoss, sprich der komplette funktionelle Bereich, waren ebenso Teil der Planungsaufgabe.

Dann kommen wir zum Bau an sich sich. Was ist für einen Architekten Pflicht, und was ist Kür?

Eder: Die Pflicht war, unten acht Kabinen zu bauen – und drüber eine Vereinsgaststätte. Aber dann kommt die Herausforderung dazu, aus dem vorhandenen Budget, das Optimale rauszuholen. Die Kür ist, Atmosphäre zu schaffen.

Umkleidekabinen und Duschen: Beton statt Fliesen

Wie gelingt das?

Eder: Durch Kniffe, die über das Übliche hinausgehen. Etwa, indem man Materialien prüft, sie auswählt, wieder verwirft und die Optimalen findet. Einfach, um neue Wege zu gehen.

Gibt es da ein Beispiel?

Nicht gefliest sind die Duschräume. Die Panele sind austauschbar.

Eder: Die Kabinen. Man ist gewohnt, dass in der Dusche Boden und Wände gefliest sind und mit Armaturen, die man gleich sieht. Wir haben das anders gemacht – aus Kosten- und Nutzungsgründen. Wir haben den Beton behandeln lassen, damit man auf Fliesen verzichten kann. Das ist optisch was Besonderes, und man muss sie auch nicht irgendwann austauschen und nach fünf Jahren aus den Fliesenfugen den Schimmel entfernen. Wir haben so gebaut, dass eigentlich nichts kaputt gehen kann oder darf. Die Duschpanele sind auch austauschbar, wenn man an die Leitung muss.
Kaiser: Und wir haben auf die Fenster verzichtet. Du hättest sie relativ weit oben ansetzen müssen, da niemand von außen reinschauen sollte. Der Lichteinfall wäre minimal gewesen. Und fürs Lüften brauchen wir sie ohnehin nicht.

„Sepp hat sich immer Zeit genommen“

Wegen der kontrollierten Belüftung?

Eder: Da ist es sogar besser, wenn es keine zu öffnenden Fenster gibt.

Es hat sicher seine Vorteile, mit einem Bauherrn zu arbeiten, der selbst in der Branche tätig ist, oder?

Eder: Wenn man, wie eingangs gesagt, neue Wege gehen will, dann ist es hilfreich, einen Auftraggeber zu haben, der dem aufgeschlossen ist und das auch versteht. Und wo ist das schon der Fall, dass ich vormittags um zehn Uhr, oder mittags oder abends kurzfristig Termine vereinbaren kann? Der Sepp hat sich immer Zeit genommen. Deshalb konnten wir den Zeitplan auch so einhalten.

Das FCL-Vereinsheim: In nur einem Jahr gebaut

Andererseits hat ein Mann vom Fach auch seine eigenen, fundierten Ideen. Da kann es schon mal zu Konflikten kommen.

Eder: Konflikte nein, aber Diskussionen: Zum Beispiel bei der Anbindung der Kühlung zur Biertheke. So kleine Sachen halt.
Kaiser(lacht): Und natürlich beim Geld.
Eder: Klar, es gibt ein Budget, das zur Verfügung steht und in Abstimmung zwischen Architekt und Bauherr verwaltet wird und den Kostenrahmen vorgibt.
Kaiser: Das war ganz einfach. Die Kostenplanung ist vom Architekten gekommen. Warum wir nicht im Rahmen bleiben konnten, kann ich im Einzeln schon erklären. Aber ich kann natürlich von Haus aus nicht immer einfach stets darüber hinweggehen. Dann wäre es keine Kostenplanung, sondern eine Kostenvermutung.

Warum wird es teurer?

Kaiser: Die Kostenteuerung lag auch an der schnellen Baufertigstellung innerhalb von zwölf Monaten. Ausschreibungsbeginn war Juni 2018, Fertigstellung Oktober 2019. Das heißt, die Ausschreibungen waren bis Juni 2019 raus. Und wer sich in Erding auskennt, der weiß: Das ist momentan keine Phase, in der die Handwerker auf Aufträge warten. Und auch wenn man detailliert ausschreibt, kommen immer wieder Dinge dazu – ein berechtigter Nachtrag. Das ist eine Steigerung, die du nicht kalkulieren kannst.

Mehrkosten in der Elektronik

Was ist denn teurer geworden?

Kaiser: Der Sanitärbereich, weil wir elektronisch gesteuerte Duschen einbauen mussten, die automatisch nach einer gewissen Zeit die Leitungen spülen, um Legionellen zu vermeiden. Aber auch im Elektrobereich wurde es teurer. Du kannst nicht mit einem Licht rechnen. Wir haben überall Bewegungsmelder eingebaut. Das kostet in der Anschaffung mehr, aber es kann halt nicht mehr passieren, dass irgendwo acht Tage lange das Licht brennt.
Eder: Die wirtschaftlichste Lösung zu finden, das ist die Herausforderung. Nachhaltiges Planen und Bauen bedeutet, nicht unbedingt die auf den ersten Blick kostengünstigste Lösung zu wählen, sondern Themen wie Langlebigkeit, Unterhaltskosten Energieeffizienz etc. zu berücksichtigen.
Kaiser: Der zweite Punkt ist, dass wir die Kostenrechnung für das Projekt im Jahr 2017 gemacht haben – auf Basis von Daten des Jahres 2015 von vergleichbaren Vereinsheimen. Und das ist das Nächste: Gibt’s überhaupt ein vergleichbares Vereinsheim? Wir haben also Äpfel mit Birnen verglichen.

Das Vereinsheim kommt schon riesig daher – als mächtiger Kubus.

Eder: Zum einen war der Wunsch, acht statt der vorgesehenen sechs Kabinen zu bauen. Damit hatten wir auch eine größere Fläche für den oberen Gastraum, denn eine noch größere Terrasse brauchst du wirklich nicht. Und dann kommt für mich als Architekt folgendes dazu: Ich habe hier auch oft Fußball gespielt. Und da war diese riesige dunkle Tribüne.

Riesige dunkle Tribüne dominiert nicht mehr das Stadionbild

...die alles dominiert hat. Mit dem neuen Bau verändern sich die Dimensionen.

Eder: Genau. Es ist uns gelungen, mit dem neuen Baukörper, ein ausgewogenes Ensemble zu schaffen.

Zurück zur blauen Fassade.

Eder: Wir hatten verschiedene Varianten. Es gab zum Beispiel Visualisierungen von einer Lärchenholz-Fassade. Aber diese Variante wurde von uns im Planungsprozess wieder verworfen. Die Fassade muss vandalensicher sein und vor Witterungseinflüssen bestehen können. Das gewählte Material, das wir schon öfter verwendet haben, ist ein Verbundstoff – ein unter hohem Druck gepresstes Papier, das mit Melamin und Phenol-Harz verklebt ist. Diese High-Pressure-Laminate sind auch schnell ausgetauscht. Da muss man nur sechs Schrauben rausnehmen. Außerdem haben wir glänzende und matte Platten im Wechsel verbaut, was je nach Lichtverhältnissen zu spannenden Reflexionen führt.
Kaiser: Wir hatten übrigens mehrere Farbvorschläge – darunter ein dunkles Braun, das in Richtung verwittertes Holz ging.

Holz dominiert. Natürlich sei vieles modern interpretiert, aber es war dem Architekten wichtig, „dass sich jeder wohlfühlt“. Im Hintergrund das Kunstwerk von Harry S.

Ein Wohlfühlort für alle

Und dann wurde es blau.

Kaiser: Es war von Haus aus für den kompletten Vorstand klar, dass wir mit dem neuen Vereinsheim nicht 100 Jahre zurückschauen wollen, sondern 30 Jahre nach vorne.
Eder: Allerdings wollten wir kein futuristisches Gebäude hinstellen, sondern das Traditionelle und Regionale auch berücksichtigen. Unten der Funktionsbereich aus Beton und oben für den Gastraum sehr viel Holz. Natürlich ist vieles modern interpretiert, aber es war uns wichtig, dass sich jeder wohlfühlt. Also die Kinder und die Senioren.
Kaiser: Eigentlich wäre es gar nicht eure Aufgabe gewesen. Darum müssen sich eigentlich Innenarchitekten kümmern. Aber unsere Architekten wollten sich das Vereinsheim nicht durch die Wirtschaft verschandeln lassen (lacht).

Weil letztlich für die öffentlich Wahrnehmung der Eindruck der Gäste in der Wirtschaft ist?

Eder: Klar. Am Ende hängt alles vom Betreiber ab. Wir können hier das schönste Vereinsheim hinstellen, aber für die Gäste geht’s darum: Sitz ich hier gemütlich, wie ist das Licht, wie die Toiletten? Und irgendwann geht’s ums Essen und Trinken.

Dachterasse für uneingeschränkten Fußballgenuss

Apropos Leckerbissen – auf welches Detail sind Sie besonders stolz?

Eder: Wenn es um einzelne Details geht, dann unter anderem das Geländer von der Dachterrasse. Es bringt eine spielerische Note rein. Ganz wesentlich ist aber die Ausrichtung von Gastraum und Besucherterrasse, die den Blick auf den gesamten Hauptplatz frei gibt und uneingeschränkten Fußballgenuss ermöglicht – vorausgesetzt das Ergebnis stimmt.
Kaiser: Ich bin gern auf der kleinen Sitztribüne im Vereinsheim. Da habe ich alles im Überblick und bin so richtig stolz, was wir Geislinger da draußen alles haben.
Eder: Diese Abwechslungen in den Materialien: der Beton mit dem Besenstrich an der Außenwand ist auch ein schönes Detail. Und natürlich die Holzdecke ohne jegliche Stützen im Gastraum.
Kaiser: Das Gemälde von Harry Seeholzer, das den Gastraum vom Nebenzimmer trennt, ist etwas ganz Besonderes. Was da einer der größten Künstler Erdings für uns geschaffen hat – und dann auch noch als Geschenk an dem Verein zum Hundertjährigen – ist einfach großartig. Auf dem Bild ist alles drauf, was Langengeisling ausmacht: die Dorfgemeinschaft, das Traditionelle und natürlich der FCL. Wichtig ist mir aber auch noch, die Großzügigkeit der Firmen zu erwähnen. Die haben immer gesehen, dass hinter dem Vorhaben ein Verein steht – eine soziale Gemeinschaft. Und die Handwerker sind gekommen, wie wir es gebraucht haben. Mit Eigenleistung wäre das gar nicht möglich gewesen.

War das nochmal ein Thema unter den Mitgliedern?

Kaiser: Nein, auch nicht von den Leuten, die sich da super auskennen und immer anpacken würden. Ich bin heute noch dem leider schon verstorbenen Hansi Wiesheu dankbar. Der hat damals gesagt: „Schiabt’s de oide Bude weg!“ Da hat keiner mehr was gesagt, denn jeder hat sich gedacht: „Wenn’s da Brade sogt, werd’s scho bassen.“ Ich denke mir noch immer manchmal, dass mich irgendjemand aufweckt und alles war nur ein Traum. Zur Erinnerung: Wir haben im März 2018 die Jahreshauptversammlung noch im alten Vereinsheim gehabt. Und dann haben wir wirklich eine perfekte Konstellation erwischt – mit einem Oberbürgermeister Max Gotz und einem Stadtrat, der uns von Anfang an unterstützt hat. Andere Städte müssen Sportstätten und Schwimmbäder schließen, und Erding macht genau das Gegenteil.

Vom alten Vereinsheim redet keiner mehr

Das Vereinsheim ist längst in Betrieb. Wieso findet die offizielle Eröffnungsfeier erst im Mai statt.

Kaiser: Die Außenanlagen sind noch nicht fertig. Außerdem ist doch eine würdige Einweihung – auch mit Gottesdienst – im Frühling viel schöner.

Die klassische letzte Frage: Was würdet Ihr mit den Erfahrungen der vergangenen 18 Monate jetzt anders machen?

Kaiser: Bei der Kostenschätzung wäre ich vorsichtiger. Ich würde der Stadt klar sagen, dass man nicht mit Zahlen aus dem Jahr 2015 arbeiten kann. Wobei ich auch betonen will, dass wir in vielen Dingen eingespart haben: Die Dachbegrünung haben wir runter, in vielen Dingen haben wir die Standards runtergesetzt. In den Kabinen haben wir einfache Mehrschichtplatten verwendet. Es ist kein Luxus verbaut.
Eder: Vielleicht ein bisschen mehr Zeit einplanen.
Kaiser: Aber in der Zwischenzeit laufen meine Zwischenlösungen, die Kabinencontainer und die Hütte weiter. Das kostet ja auch was.
Eder: Nein, Mir fällt auf Anhieb nichts ein, was wir anders planen würden.
Kaiser: Man kann ja mal rumfragen: Der FCL hat eine große Geschichte, aber redet noch jemand vom alten Vereinsheim? Die große Wehmut habe ich noch nicht gespürt.

Dieter Priglmeir

Aufrufe: 019.12.2019, 11:25 Uhr
Erdinger Anzeiger / Dieter PriglmeirAutor