2024-05-10T08:19:16.237Z

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Der Ball ist immer dabei: Moritz Müller in seiner Wohnung in Untermaxlried. Sein Garmischer Trainer bezeichnet ihn als einen der „letzten Straßenfußballer“.
Der Ball ist immer dabei: Moritz Müller in seiner Wohnung in Untermaxlried. Sein Garmischer Trainer bezeichnet ihn als einen der „letzten Straßenfußballer“. – Foto: Mayr

Moritz Müller vom FCGP - Ein Straßenfußballer kommt groß raus

Stürmer dreht in der Landesliga auf

Moritz Müller vom FC Garmisch-Partenkirchen trifft in der Landesliga am Fließband. Der Stürmer hat in seiner Jugend nie hochklassig gespielt.

Oberhausen – Für die Großen war Moritz Müller schon immer zu klein. Und weil ihn keiner der Top-Klubs eingeladen hatte, fuhr er einfach selbst zum Probetraining der Münchner Löwen. Einmal leitete ihn Daniel Bierofka an, das weiß Müller, damals 15 Jahre, noch. Wirklich, der „Biero“, die 1860-Legende, die die Fans heute noch verehren. Moritz Müller aber wies man stets mit derselben Begründung ab: zu klein.

Moritz Müller ist gewachsen. Er ist jetzt 1,78 Meter groß oder klein – das kann jeder auslegen, wie er will. Die Fußball-Fachportale transfermarkt.de und kicker.de haben längst ein Profil für ihn angelegt. Seine Größe, diese Nebensächlichkeit, haben sie nicht notiert, wohl aber die Torquote, das Gesellenstück eines Jung-Stürmers. In 27 Spielen für den 1. FC Garmisch-Partenkirchen erzielte der Oberhausener 22 Tore in dieser Saison. Keiner in der Landesliga Südwest, sechste Liga, hat öfter getroffen. Auf einmal steht dort ein Taxi in den Bezahlfußball bereit, doch Müller weiß nicht, ob er auch einsteigen soll.

Diese Pose gab’s diese Saison schon oft: Müller bejubelt einen seiner bislang 22 Saisontreffer.
Diese Pose gab’s diese Saison schon oft: Müller bejubelt einen seiner bislang 22 Saisontreffer. – Foto: Rabuser

Moritz Müller hat in der Jugend nur den Amateurfußball erlebt

Wahrscheinlich war es ganz gut, dass ihn nie die Bayern oder der TSV 1860 gefragt haben, ob er nicht zu ihnen kommen wolle in eines dieser Jugendzentren, in denen sie Fußballer nach Schablone formen. Er hatte gar keinen Grund, vom Profisein zu träumen. Moritz Müller nahm den unkonventionellen Weg, den normal nur die Freizeitsportler bestreiten. Ausbildung in den unteren Ligen, Fußball mit Freunden. Zum Training fuhr er mit dem Rad, drei Kilometer, manchmal von Montag bis Sonntag. Wenn’s mal schnell gehen musste, genügte auch der eigene Garten oder die Wiese bei den Schimpls, die ein paar Häuser weiter wohnen. Je nachdem, „wo der Garten weniger schlimm ausgeschaut hat“, scherzt der 21-Jährige.

Sein Trainer Christoph Saller nannte ihn voriges Jahr einmal einen der „letzten Straßenfußballer“. Es ging ihm weniger um den Untergrund und mehr um den Typ Fußballer. Moritz Müller erfindet Sachen auf dem Feld, für die es keine Vorlage gibt. Praktisch wie ein Computer-Hacker, der sich durch Sicherheitssysteme schleust. Nur dass die Abwehranlagen auf dem Fußballfeld ziemlich menschlich daherkommen. Er kann das auch erklären – mit dem „Thomas-Müller-Riecher“, dem offensichtlich angeborenen Gefühl für Raum und Ball.

Mit JFG Hungerbach achtmal aufgestiegen

Moritz Müller mag diese Vergleiche mit den Profis. Sie funktionieren gut im Fußballkosmos. Jeder weiß, was gemeint ist, wenn er sagt, dass sein Vater „nicht so der Guardiola“ als Trainer sei, also kein Experte für Technik und Tiki-Taka. Fußball bedeutet für Peter Müller Kondition und Respekt. Seinen Spielern lehrte er Demut. Er hat sie in der untersten Liga auch zusammengestutzt, wenn sie die schlechteren Gegner nicht ernst nahmen.

Nur so ist es auch zu erklären, wie die damalige A-Jugend der JFG Hungerbach bis ins Finale des Bezirkspokals marschierte, auf dem Weg dorthin etwa Landesligist Ismaning vor über 300 Zuschauern 11:10 im Elfmeterschießen bezwang. „Du gewinnst solche Spiele nicht zufällig“, sagt Moritz Müller. Nach eigener Zählung dürfte diese Mannschaft, die über Jahre zusammen kickte, unter Peter Müller acht Mal aufgestiegen sein. „Ein Schlechter kann er nicht gewesen sein“, scherzt sein Sohn. Die beiden redeten oft über Fußball, aber nie über die eigene Mannschaft. Peter Müller trennte strikt zwischen Team und Familie.

Früher noch unvorstellbar

Ihr größter Gegner in all den Jahren war, welche Pikanterie, der 1. FC Garmisch-Partenkirchen. „In der B-Jugend kannst du dir nicht vorstellen, dass du mal mit dem FC-Trikot rumläufst.“ Zu den direkten Duellen lud man Freunde und Mitschüler ein, weil alle wussten, dass es wieder rundgeht. „Wir waren alle Ehrgeiz-Fußballer“, sagt Müller. Manche Kicker des FC, wie etwa Jonas Poniewaz, kannte er vom Stützpunkttraining. Diese Spiele waren damit auch eine Frage der Ehre. Heute zählt der Poni, wie Poniewaz in Garmisch gerufen wird, zu seinen besten Freunden. Kaum ein Fußballer hat so schnell den Übergang in den Männerbereich und vor allem zu einem höherklassigen Verein geschafft wie Moritz Müller.

Im letzten A-Jugend-Jahr, da war er 18, hat der Oberhausener parallel bei den BSC-Männern gespielt, schon zehn Tore geschossen und sich ernsthaft überlegt, ob er sich nicht für immer und ewig an diesen Verein ketten mag. Er wollte für die Kleinen das Vorbild sein, das für ihn Namen wie Schuster und Heringer waren. Man kam zum Fußballplatz, um sie zu sehen. Das erste Angebot des 1. FC Garmisch-Partenkirchen lehnte er ab, ein Jahr später ging er dann doch. Seine Spezln rieten ihm zu diesem Schritt. Ohne „ihre Rückendeckung“ hätte er das nicht gewagt, weil sie einen im Dorf schon verbal steinigen können für so einen fußballerischen Verrat. Tatsächlich ist es genau anders gekommen: Zu manchen Spielen machen die Oberhausener die Autos voll. Sie wollen ihren Moritz spielen sehen.

Trainer Saller: Von Anfang an auf Moritz Müller gesetzt

Praktisch vom ersten Tag an stellte ihn Trainer Saller, sein großer Förderer, auf. Zwar auf rechts außen, weil die Mitte für Sturmtank Franz Fischer reserviert war. Aber das störte ihn nicht. In der Relegation schaffte der 1. FC den Klassenerhalt. Die Emotionskanone feuerte im letzten Spiel gegen Erkheim und dem entscheidenden Tor von Moritz Müller ihre ganze Munition ab. „In dem Moment kannst du nicht darüber nachdenken, was passiert.“

Mit Fischer und Maximilian Berwein verließen die zwei besten danach den Klub. Auf paradoxe Art und Weise machte das die Werdenfelser noch besser. „Unser Spiel ist unberechenbarer geworden.“ Müller rückte ins Sturmzentrum und hört seitdem nicht auf mit dem Toreschießen. Er trifft mit rechts und links, auch wenn „ich nie plane, was ich mit dem Linken mache, es klappt einfach“. Der 1. FC, den wirklich jeder schon in die Bezirksliga geredet hat, wird die Saison unbeschadet beenden, wenn sie denn einmal beendet wird.

Moritz Müller: „Wenn ich wechsle, muss wirklich alles passen“

Die große Frage ist dann, wie es mit Moritz Müller weitergehen wird. Die regionale Szene buhlt um dem Elektroniker, der beim Pharma-Riesen Roche in Penzberg arbeitet. Eigentlich möchte er nicht weg aus Garmisch-Partenkirchen, wo er sich doch so etwas wie eine fußballerische Bruderschaft aufgebaut hat. „Wenn ich wechsle, muss wirklich alles passen.“ Moritz Müller hat nie geplant, Fußballprofi zu werden. Vielleicht schafft er es genau wegen dieser Bescheidenheit. Er hat da so ein Motto, fast schon philosophisch angehaucht. „Wenn man meint, man ist schon einer, hat man nicht mehr den Willen, einer zu werden.“ (Andreas Mayr)

Aufrufe: 02.12.2020, 09:52 Uhr
Weilheimer Tagblatt / Andreas MayrAutor